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Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680.

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Mercks Wienn.

Zuweilen hat ein Mutter/ die von dieser Pesti-
lenzischen Seuch angegriffen worden/ in ihrem Todt-
bett unaufhörlich geseufzet/ wann sie bereits ihre
erwachsne Kinder hat angeschaut/ die da theils ihre
Nasen zustopffeten/ theils von weiten stunden/ und
gedichte Thränen vergossen; ich möcht aber wol die
Ursach errathen/ warum so häuffige Seuffzer aus
dem mütterlichen Herzen aufgestossen? ich glaube
wol/ es seye die Reue/ daß sie ihre Kinder nicht besser
gezogen/ dann ihr liebe Eltern/ ihr solt wissen/ und
müsset wissen/ daß ihr genaue Rechenschafft dem Al-
lerhöchsten ablegen müst/ wegen euerer Kinder/
dann der Kinder Missethaten werden in das Proto-
col der Eltern verzeichnet.

Wist ihr dann nicht/ wie der Allmächtige GOtt
die vier Theil der Welt mit den vier Buchstaben deß
Wörtels Fiat erschaffen/ und in der Welt allerley
Thier/ unter andern hat er die Vögel aus dem Was-
ser erschaffen/ dann also redet die Göttliche Schrifft:
producant aquae reptile animae viventis, & vola-
tile super terram sub Firmamento Coeli.
GOTT
"sprach: Die Wasser bringen kriechende Thier her-
"für/ die ein lebendige Seel haben/ und die Vögel
"auf Erden unter dem Firmament deß Himmels:
Jst also das Wasser die erste Mutter gewest/ von
dero die Vögel seynd kommen; Auf den heutigen
Tag wundere dich nicht/ kommen die Vögel von dem
Wasser her/ dann warum mancher Sohn ganz tu-
gendlos und mit einem Wort ein lauterer Vogel
und Galgen-Vogel wird? Jst die Ursach/ weil sein
Mutter ein Wasser ist gewest/ verstehe/ gar zu weich-
herzig/ und ihn nie recht gestrafft; Die Brillenma-
cher haben Ursach sich zu beklagen/ daß sie ihre Wahr
so gar nicht mehr können versilbern/ und anwehren/

weilen
Mercks Wienn.

Zuweilen hat ein Mutter/ die von dieſer Peſti-
lenziſchen Seuch angegriffen worden/ in ihrem Todt-
bett unaufhoͤrlich geſeufzet/ wann ſie bereits ihre
erwachſne Kinder hat angeſchaut/ die da theils ihre
Naſen zuſtopffeten/ theils von weiten ſtunden/ und
gedichte Thraͤnen vergoſſen; ich moͤcht aber wol die
Urſach errathen/ warum ſo haͤuffige Seuffzer aus
dem muͤtterlichen Herzen aufgeſtoſſen? ich glaube
wol/ es ſeye die Reue/ daß ſie ihre Kinder nicht beſſer
gezogen/ dann ihr liebe Eltern/ ihr ſolt wiſſen/ und
muͤſſet wiſſen/ daß ihr genaue Rechenſchafft dem Al-
lerhoͤchſten ablegen muͤſt/ wegen euerer Kinder/
dann der Kinder Miſſethaten werden in das Proto-
col der Eltern verzeichnet.

Wiſt ihr dann nicht/ wie der Allmaͤchtige GOtt
die vier Theil der Welt mit den vier Buchſtaben deß
Woͤrtels Fiat erſchaffen/ und in der Welt allerley
Thier/ unter andern hat er die Voͤgel aus dem Waſ-
ſer erſchaffen/ dann alſo redet die Goͤttliche Schrifft:
producant aquæ reptile animæ viventis, & vola-
tile ſuper terram ſub Firmamento Cœli.
GOTT
„ſprach: Die Waſſer bringen kriechende Thier her-
„fuͤr/ die ein lebendige Seel haben/ und die Voͤgel
„auf Erden unter dem Firmament deß Himmels:
Jſt alſo das Waſſer die erſte Mutter geweſt/ von
dero die Voͤgel ſeynd kommen; Auf den heutigen
Tag wundere dich nicht/ kommen die Voͤgel von dem
Waſſer her/ dann warum mancher Sohn ganz tu-
gendlos und mit einem Wort ein lauterer Vogel
und Galgen-Vogel wird? Jſt die Urſach/ weil ſein
Mutter ein Waſſer iſt geweſt/ verſtehe/ gar zu weich-
herzig/ und ihn nie recht geſtrafft; Die Brillenma-
cher haben Urſach ſich zu beklagen/ daß ſie ihre Wahr
ſo gar nicht mehr koͤnnen verſilbern/ und anwehren/

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[112/0122] Mercks Wienn. Zuweilen hat ein Mutter/ die von dieſer Peſti- lenziſchen Seuch angegriffen worden/ in ihrem Todt- bett unaufhoͤrlich geſeufzet/ wann ſie bereits ihre erwachſne Kinder hat angeſchaut/ die da theils ihre Naſen zuſtopffeten/ theils von weiten ſtunden/ und gedichte Thraͤnen vergoſſen; ich moͤcht aber wol die Urſach errathen/ warum ſo haͤuffige Seuffzer aus dem muͤtterlichen Herzen aufgeſtoſſen? ich glaube wol/ es ſeye die Reue/ daß ſie ihre Kinder nicht beſſer gezogen/ dann ihr liebe Eltern/ ihr ſolt wiſſen/ und muͤſſet wiſſen/ daß ihr genaue Rechenſchafft dem Al- lerhoͤchſten ablegen muͤſt/ wegen euerer Kinder/ dann der Kinder Miſſethaten werden in das Proto- col der Eltern verzeichnet. Wiſt ihr dann nicht/ wie der Allmaͤchtige GOtt die vier Theil der Welt mit den vier Buchſtaben deß Woͤrtels Fiat erſchaffen/ und in der Welt allerley Thier/ unter andern hat er die Voͤgel aus dem Waſ- ſer erſchaffen/ dann alſo redet die Goͤttliche Schrifft: producant aquæ reptile animæ viventis, & vola- tile ſuper terram ſub Firmamento Cœli. GOTT „ſprach: Die Waſſer bringen kriechende Thier her- „fuͤr/ die ein lebendige Seel haben/ und die Voͤgel „auf Erden unter dem Firmament deß Himmels: Jſt alſo das Waſſer die erſte Mutter geweſt/ von dero die Voͤgel ſeynd kommen; Auf den heutigen Tag wundere dich nicht/ kommen die Voͤgel von dem Waſſer her/ dann warum mancher Sohn ganz tu- gendlos und mit einem Wort ein lauterer Vogel und Galgen-Vogel wird? Jſt die Urſach/ weil ſein Mutter ein Waſſer iſt geweſt/ verſtehe/ gar zu weich- herzig/ und ihn nie recht geſtrafft; Die Brillenma- cher haben Urſach ſich zu beklagen/ daß ſie ihre Wahr ſo gar nicht mehr koͤnnen verſilbern/ und anwehren/ weilen

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_mercks_1680/122>, abgerufen am 24.11.2024.