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Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680.

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Mercks Wienn.
als ihr verwichenen Semptember/ October/ und
November/ seyd vor GOttes Richterstul erschie-
nen/ was Nutzen hat euch gebracht euer Wissen-
schafft?

Es hat mich GOtt nicht gefragt/ sagt der Theolo-
gus/ ob ich alle Artickel deß englischen Lehrers Tho-
mä auswendig habe gelernt/ sondern ob ich nach den
Artickel deß wahren Catholischen Glaubens habe
mein Leben angestellt; Es hat mich GOtt nicht ge-
fragt/ sagt der Philosophus/ ob ich wisse die Wir-
kungen und Stellungen der zwölff Himmels-Zeichen/
sondern ob ich der Lehr der zwölff Apostel nachkom-
men; Es hat mich GOtt nicht gefragt/ sagt der Ju-
rist/ ob ich dem Bartolo/ sondern ob ich dem H. Bar-
tholomäo habe nachgefolgt/ ob ich deß Baldi/
oder ob ich deß H. Sebaldi Discipel seye gewest!
Es hat mich GOtt nicht gefragt/ sagt der Medicus
ob ich viel Patienten habe curirt/ sondern ob ich pa-
tiens seye gewest/ und auch etwas seinetwegen gelit-
ten; Es hat mich GOtt nicht gefragt/ sagt der Re-
thor/ ob ich habe zierlich lernen reden/ sondern ob ich
habe recht geredt von einem jeden/ und keinen seine
Ehr geschmälert; Es hat mich GOtt nicht gefragt/
sagt der Poet/ ob ich hab schöne Reim und Vers
gemacht/ sondern ob ich habe nicht ungereimt gelebt;
Also hat GOtt nicht geurtheilt über unser Wissen/
sondern über unser Gewissen/ und ist uns bey GOtt
dienlicher gewest/ ein Hand voll gute Werk/ als ein
ganze Truhen voll Wissenschaft; deßwegen Oihr eitle
Weltmenschen/ thut euch wegen eurer Wissenschafft
nicht aufblähen/ sondern gedenket/ daß derselbe der
Gelehrteste ist/ welcher in der Tugend-Schul gestu-
dirt hat; schutzbar/ schatzbar/ und nutzbar ist wol ein
Wissenschafft/ aber nur dieselbe/ welche mit der Tu-

gend
G 2

Mercks Wienn.
als ihr verwichenen Semptember/ October/ und
November/ ſeyd vor GOttes Richterſtul erſchie-
nen/ was Nutzen hat euch gebracht euer Wiſſen-
ſchafft?

Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Theolo-
gus/ ob ich alle Artickel deß engliſchen Lehrers Tho-
maͤ auswendig habe gelernt/ ſondern ob ich nach den
Artickel deß wahren Catholiſchen Glaubens habe
mein Leben angeſtellt; Es hat mich GOtt nicht ge-
fragt/ ſagt der Philoſophus/ ob ich wiſſe die Wir-
kungen und Stellungen der zwoͤlff Himmels-Zeichẽ/
ſondern ob ich der Lehr der zwoͤlff Apoſtel nachkom-
men; Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Ju-
riſt/ ob ich dem Bartolo/ ſondern ob ich dem H. Bar-
tholomaͤo habe nachgefolgt/ ob ich deß Baldi/
oder ob ich deß H. Sebaldi Diſcipel ſeye geweſt!
Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Medicus
ob ich viel Patienten habe curirt/ ſondern ob ich pa-
tiens ſeye geweſt/ und auch etwas ſeinetwegen gelit-
ten; Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Re-
thor/ ob ich habe zierlich lernen reden/ ſondern ob ich
habe recht geredt von einem jeden/ und keinen ſeine
Ehr geſchmaͤlert; Es hat mich GOtt nicht gefragt/
ſagt der Poet/ ob ich hab ſchoͤne Reim und Vers
gemacht/ ſondern ob ich habe nicht ungereimt gelebt;
Alſo hat GOtt nicht geurtheilt uͤber unſer Wiſſen/
ſondern uͤber unſer Gewiſſen/ und iſt uns bey GOtt
dienlicher geweſt/ ein Hand voll gute Werk/ als ein
ganze Truhen voll Wiſſenſchaft; deßwegen Oihꝛ eitle
Weltmenſchen/ thut euch wegen eurer Wiſſenſchafft
nicht aufblaͤhen/ ſondern gedenket/ daß derſelbe der
Gelehrteſte iſt/ welcher in der Tugend-Schul geſtu-
dirt hat; ſchutzbar/ ſchatzbar/ und nutzbar iſt wol ein
Wiſſenſchafft/ aber nur dieſelbe/ welche mit der Tu-

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G 2
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[97/0107] Mercks Wienn. als ihr verwichenen Semptember/ October/ und November/ ſeyd vor GOttes Richterſtul erſchie- nen/ was Nutzen hat euch gebracht euer Wiſſen- ſchafft? Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Theolo- gus/ ob ich alle Artickel deß engliſchen Lehrers Tho- maͤ auswendig habe gelernt/ ſondern ob ich nach den Artickel deß wahren Catholiſchen Glaubens habe mein Leben angeſtellt; Es hat mich GOtt nicht ge- fragt/ ſagt der Philoſophus/ ob ich wiſſe die Wir- kungen und Stellungen der zwoͤlff Himmels-Zeichẽ/ ſondern ob ich der Lehr der zwoͤlff Apoſtel nachkom- men; Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Ju- riſt/ ob ich dem Bartolo/ ſondern ob ich dem H. Bar- tholomaͤo habe nachgefolgt/ ob ich deß Baldi/ oder ob ich deß H. Sebaldi Diſcipel ſeye geweſt! Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Medicus ob ich viel Patienten habe curirt/ ſondern ob ich pa- tiens ſeye geweſt/ und auch etwas ſeinetwegen gelit- ten; Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Re- thor/ ob ich habe zierlich lernen reden/ ſondern ob ich habe recht geredt von einem jeden/ und keinen ſeine Ehr geſchmaͤlert; Es hat mich GOtt nicht gefragt/ ſagt der Poet/ ob ich hab ſchoͤne Reim und Vers gemacht/ ſondern ob ich habe nicht ungereimt gelebt; Alſo hat GOtt nicht geurtheilt uͤber unſer Wiſſen/ ſondern uͤber unſer Gewiſſen/ und iſt uns bey GOtt dienlicher geweſt/ ein Hand voll gute Werk/ als ein ganze Truhen voll Wiſſenſchaft; deßwegen Oihꝛ eitle Weltmenſchen/ thut euch wegen eurer Wiſſenſchafft nicht aufblaͤhen/ ſondern gedenket/ daß derſelbe der Gelehrteſte iſt/ welcher in der Tugend-Schul geſtu- dirt hat; ſchutzbar/ ſchatzbar/ und nutzbar iſt wol ein Wiſſenſchafft/ aber nur dieſelbe/ welche mit der Tu- gend G 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_mercks_1680/107>, abgerufen am 05.05.2024.