Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Liebe.
offt widerholte Bittschrifft in diesen Worten bestunde: Nicht sterben/
sondern leiden will ich.
Diese GOtt gef ällige Jungfrawen wusten
wohl/ daß die mit Gedult überstandene Widerwärtigkeiten das Fewer der
Liebe über alle massen vermehren: welches in der Warheit genugsamb erfah-
ren hat der H. Martyr Jgnatius/ der nach vielen erlittenen Verfolgungen/
Kärcker und Bänden dergestalt in der göttlichen Lieb hatte zugenommen;
daß er mit fröhlichem Hertzen sagen dorffte: Fewer/ Creutz/ wilde Thier/ zer-
brechung der Gebeinen/ der Glieder Zertheilung und deß gantzen Leibs Zer-
knirschung; ja auch alle Tormenten deß leidigen Satans; dieses alles komme
über mich/ damit ich nur meines lieben Christi geniessen möge.

14. Diesem glorwürdigen Blutzeugen Christi lasset uns nachfolgen; das
widrige nicht förchten; sondern mit dem Apostel uns erfrewen/ daß wir seyen
würdig gefunden worden/ für den Nahmen JESU zu leiden. Dann gleich
wie ein Artzt den Zustand deß Krancken vernehmet/ nicht auß der Rechten/
sondern auß Berührung der lincken oder unrechten Hand/ also pflegt GOtt
auß starckmüthiger Ubersetzung der Widerwärtigkeiten/ und zugefügten Un-
rechts seine Liebhaber zu erkennen. Mache dir nun meine Christliche Seel/
auß aller obangeführter gründlichen Lection den Schluß selbsten. Wilst du
in Warheit JESUM lieben/ so treibe auß deinem Hertzen alle unordent-
liche Lieb der irrdischen Creaturen; halte die Gebott GOttes/ und lerne mit
einer mänlichen Standhafftigkeit sämbtliche vorfallende/ so Leibs als der
Seelen Trangsalen gedultiglich zu übertragen: damit du aber auß mensch-
liche Schwachheit auff diesem sicheren Weeg den Krebsgang allgemäch zu
gehen nicht genöthiget werdest; so folge meinem Rath/ und besuche offtmah-
len deinen im hochheiligen Sacrament deß Altars verborgenen allerholdselig-
sten Bräutigam/ und klage demselben deine Noth. Auff daß dich auch die
angenommene verfälschte Schönheit der Creaturen nicht verkehre/ so lasse
dir es gefallen/ und öetrachte die ungemeine Lieblichkeit deß jenigen Ange-
sichts/ Krafft dessen viele auß dem Judischen Volck in ihren Aengsten und
Betrübnussen getröstet und gestärcket wurden; derohalben pflegten sie in die-
sen ihren Mißhelligkeiten zu sagen: lasset uns hingehen zum Sohn Mariä.
Wann nun deines allerliebsten Heylands gebenedeyetes Angesicht mit solcher
Schönheit noch in diesem Jammerthal leuchtetet/ daß es auch die betrübte
Gemüther gäntzlich trösten könte; was wird dann nicht geschehen anjetzo/
wann du mit den Augen deines Hertzens denselben wirst anschawen/ da er mit
unaußsprechlichem göttlichen Glantz regieret im Himmel? Jch zweiffele
nicht daran/ du werdest von der süssen Annehmlichkeit dieses göttlichen An-

gesichts
G 3

Von der Liebe.
offt widerholte Bittſchrifft in dieſen Worten beſtunde: Nicht ſterben/
ſondern leiden will ich.
Dieſe GOtt gef aͤllige Jungfrawen wuſten
wohl/ daß die mit Gedult uͤberſtandene Widerwaͤrtigkeiten das Fewer der
Liebe uͤber alle maſſen vermehren: welches in der Warheit genugſamb erfah-
ren hat der H. Martyr Jgnatius/ der nach vielen erlittenen Verfolgungen/
Kaͤrcker und Baͤnden dergeſtalt in der goͤttlichen Lieb hatte zugenommen;
daß er mit froͤhlichem Hertzen ſagen dorffte: Fewer/ Creutz/ wilde Thier/ zer-
brechung der Gebeinen/ der Glieder Zertheilung und deß gantzen Leibs Zer-
knirſchung; ja auch alle Tormenten deß leidigen Satans; dieſes alles komme
uͤber mich/ damit ich nur meines lieben Chriſti genieſſen moͤge.

14. Dieſem glorwuͤrdigen Blutzeugen Chriſti laſſet uns nachfolgen; das
widrige nicht foͤrchten; ſondern mit dem Apoſtel uns erfrewen/ daß wir ſeyen
wuͤrdig gefunden worden/ fuͤr den Nahmen JESU zu leiden. Dann gleich
wie ein Artzt den Zuſtand deß Krancken vernehmet/ nicht auß der Rechten/
ſondern auß Beruͤhrung der lincken oder unrechten Hand/ alſo pflegt GOtt
auß ſtarckmuͤthiger Uberſetzung der Widerwaͤrtigkeiten/ und zugefuͤgten Un-
rechts ſeine Liebhaber zu erkennen. Mache dir nun meine Chriſtliche Seel/
auß aller obangefuͤhrter gruͤndlichen Lection den Schluß ſelbſten. Wilſt du
in Warheit JESUM lieben/ ſo treibe auß deinem Hertzen alle unordent-
liche Lieb der irꝛdiſchen Creaturen; halte die Gebott GOttes/ und lerne mit
einer maͤnlichen Standhafftigkeit ſaͤmbtliche vorfallende/ ſo Leibs als der
Seelen Trangſalen gedultiglich zu uͤbertragen: damit du aber auß menſch-
liche Schwachheit auff dieſem ſicheren Weeg den Krebsgang allgemaͤch zu
gehen nicht genoͤthiget werdeſt; ſo folge meinem Rath/ und beſuche offtmah-
len deinen im hochheiligen Sacrament deß Altars verborgenen allerholdſelig-
ſten Braͤutigam/ und klage demſelben deine Noth. Auff daß dich auch die
angenommene verfaͤlſchte Schoͤnheit der Creaturen nicht verkehre/ ſo laſſe
dir es gefallen/ und oͤetrachte die ungemeine Lieblichkeit deß jenigen Ange-
ſichts/ Krafft deſſen viele auß dem Judiſchen Volck in ihren Aengſten und
Betruͤbnuſſen getroͤſtet und geſtaͤrcket wurden; derohalben pflegten ſie in die-
ſen ihren Mißhelligkeiten zu ſagen: laſſet uns hingehen zum Sohn Mariaͤ.
Wann nun deines allerliebſten Heylands gebenedeyetes Angeſicht mit ſolcher
Schoͤnheit noch in dieſem Jammerthal leuchtetet/ daß es auch die betruͤbte
Gemuͤther gaͤntzlich troͤſten koͤnte; was wird dann nicht geſchehen anjetzo/
wann du mit den Augen deines Hertzens denſelben wirſt anſchawen/ da er mit
unaußſprechlichem goͤttlichen Glantz regieret im Himmel? Jch zweiffele
nicht daran/ du werdeſt von der ſuͤſſen Annehmlichkeit dieſes goͤttlichen An-

geſichts
G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="53"/><fw place="top" type="header">Von der Liebe.</fw><lb/>
offt widerholte Bitt&#x017F;chrifft in die&#x017F;en Worten be&#x017F;tunde: <hi rendition="#fr">Nicht &#x017F;terben/<lb/>
&#x017F;ondern leiden will ich.</hi> Die&#x017F;e GOtt gef a&#x0364;llige Jungfrawen wu&#x017F;ten<lb/>
wohl/ daß die mit Gedult u&#x0364;ber&#x017F;tandene Widerwa&#x0364;rtigkeiten das Fewer der<lb/>
Liebe u&#x0364;ber alle ma&#x017F;&#x017F;en vermehren: welches in der Warheit genug&#x017F;amb erfah-<lb/>
ren hat der H. Martyr Jgnatius/ der nach vielen erlittenen Verfolgungen/<lb/>
Ka&#x0364;rcker und Ba&#x0364;nden derge&#x017F;talt in der go&#x0364;ttlichen Lieb hatte zugenommen;<lb/>
daß er mit fro&#x0364;hlichem Hertzen &#x017F;agen dorffte: Fewer/ Creutz/ wilde Thier/ zer-<lb/>
brechung der Gebeinen/ der Glieder Zertheilung und deß gantzen Leibs Zer-<lb/>
knir&#x017F;chung; ja auch alle Tormenten deß leidigen Satans; die&#x017F;es alles komme<lb/>
u&#x0364;ber mich/ damit ich nur meines lieben Chri&#x017F;ti genie&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>14. Die&#x017F;em glorwu&#x0364;rdigen Blutzeugen Chri&#x017F;ti la&#x017F;&#x017F;et uns nachfolgen; das<lb/>
widrige nicht fo&#x0364;rchten; &#x017F;ondern mit dem Apo&#x017F;tel uns erfrewen/ daß wir &#x017F;eyen<lb/>
wu&#x0364;rdig gefunden worden/ fu&#x0364;r den Nahmen JESU zu leiden. Dann gleich<lb/>
wie ein Artzt den Zu&#x017F;tand deß Krancken vernehmet/ nicht auß der Rechten/<lb/>
&#x017F;ondern auß Beru&#x0364;hrung der lincken oder unrechten Hand/ al&#x017F;o pflegt GOtt<lb/>
auß &#x017F;tarckmu&#x0364;thiger Uber&#x017F;etzung der Widerwa&#x0364;rtigkeiten/ und zugefu&#x0364;gten Un-<lb/>
rechts &#x017F;eine Liebhaber zu erkennen. Mache dir nun meine Chri&#x017F;tliche Seel/<lb/>
auß aller obangefu&#x0364;hrter gru&#x0364;ndlichen <hi rendition="#aq">Lection</hi> den Schluß &#x017F;elb&#x017F;ten. Wil&#x017F;t du<lb/>
in Warheit <hi rendition="#g">JESUM</hi> lieben/ &#x017F;o treibe auß deinem Hertzen alle unordent-<lb/>
liche Lieb der ir&#xA75B;di&#x017F;chen Creaturen; halte die Gebott GOttes/ und lerne mit<lb/>
einer ma&#x0364;nlichen Standhafftigkeit &#x017F;a&#x0364;mbtliche vorfallende/ &#x017F;o <hi rendition="#fr">L</hi>eibs als der<lb/>
Seelen Trang&#x017F;alen gedultiglich zu u&#x0364;bertragen: damit du aber auß men&#x017F;ch-<lb/>
liche Schwachheit auff die&#x017F;em &#x017F;icheren Weeg den Krebsgang allgema&#x0364;ch zu<lb/>
gehen nicht geno&#x0364;thiget werde&#x017F;t; &#x017F;o folge meinem Rath/ und be&#x017F;uche offtmah-<lb/>
len deinen im hochheiligen Sacrament deß Altars verborgenen allerhold&#x017F;elig-<lb/>
&#x017F;ten Bra&#x0364;utigam/ und klage dem&#x017F;elben deine Noth. Auff daß dich auch die<lb/>
angenommene verfa&#x0364;l&#x017F;chte Scho&#x0364;nheit der Creaturen nicht verkehre/ &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;e<lb/>
dir es gefallen/ und o&#x0364;etrachte die ungemeine <hi rendition="#fr">L</hi>ieblichkeit deß jenigen Ange-<lb/>
&#x017F;ichts/ Krafft de&#x017F;&#x017F;en viele auß dem Judi&#x017F;chen Volck in ihren Aeng&#x017F;ten und<lb/>
Betru&#x0364;bnu&#x017F;&#x017F;en getro&#x0364;&#x017F;tet und ge&#x017F;ta&#x0364;rcket wurden; derohalben pflegten &#x017F;ie in die-<lb/>
&#x017F;en ihren Mißhelligkeiten zu &#x017F;agen: la&#x017F;&#x017F;et uns hingehen zum Sohn Maria&#x0364;.<lb/>
Wann nun deines allerlieb&#x017F;ten Heylands gebenedeyetes Ange&#x017F;icht mit &#x017F;olcher<lb/>
Scho&#x0364;nheit noch in die&#x017F;em Jammerthal leuchtetet/ daß es auch die betru&#x0364;bte<lb/>
Gemu&#x0364;ther ga&#x0364;ntzlich tro&#x0364;&#x017F;ten ko&#x0364;nte; was wird dann nicht ge&#x017F;chehen anjetzo/<lb/>
wann du mit den Augen deines Hertzens den&#x017F;elben wir&#x017F;t an&#x017F;chawen/ da er mit<lb/>
unauß&#x017F;prechlichem go&#x0364;ttlichen Glantz regieret im Himmel? Jch zweiffele<lb/>
nicht daran/ du werde&#x017F;t von der &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Annehmlichkeit die&#x017F;es go&#x0364;ttlichen An-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;ichts</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0081] Von der Liebe. offt widerholte Bittſchrifft in dieſen Worten beſtunde: Nicht ſterben/ ſondern leiden will ich. Dieſe GOtt gef aͤllige Jungfrawen wuſten wohl/ daß die mit Gedult uͤberſtandene Widerwaͤrtigkeiten das Fewer der Liebe uͤber alle maſſen vermehren: welches in der Warheit genugſamb erfah- ren hat der H. Martyr Jgnatius/ der nach vielen erlittenen Verfolgungen/ Kaͤrcker und Baͤnden dergeſtalt in der goͤttlichen Lieb hatte zugenommen; daß er mit froͤhlichem Hertzen ſagen dorffte: Fewer/ Creutz/ wilde Thier/ zer- brechung der Gebeinen/ der Glieder Zertheilung und deß gantzen Leibs Zer- knirſchung; ja auch alle Tormenten deß leidigen Satans; dieſes alles komme uͤber mich/ damit ich nur meines lieben Chriſti genieſſen moͤge. 14. Dieſem glorwuͤrdigen Blutzeugen Chriſti laſſet uns nachfolgen; das widrige nicht foͤrchten; ſondern mit dem Apoſtel uns erfrewen/ daß wir ſeyen wuͤrdig gefunden worden/ fuͤr den Nahmen JESU zu leiden. Dann gleich wie ein Artzt den Zuſtand deß Krancken vernehmet/ nicht auß der Rechten/ ſondern auß Beruͤhrung der lincken oder unrechten Hand/ alſo pflegt GOtt auß ſtarckmuͤthiger Uberſetzung der Widerwaͤrtigkeiten/ und zugefuͤgten Un- rechts ſeine Liebhaber zu erkennen. Mache dir nun meine Chriſtliche Seel/ auß aller obangefuͤhrter gruͤndlichen Lection den Schluß ſelbſten. Wilſt du in Warheit JESUM lieben/ ſo treibe auß deinem Hertzen alle unordent- liche Lieb der irꝛdiſchen Creaturen; halte die Gebott GOttes/ und lerne mit einer maͤnlichen Standhafftigkeit ſaͤmbtliche vorfallende/ ſo Leibs als der Seelen Trangſalen gedultiglich zu uͤbertragen: damit du aber auß menſch- liche Schwachheit auff dieſem ſicheren Weeg den Krebsgang allgemaͤch zu gehen nicht genoͤthiget werdeſt; ſo folge meinem Rath/ und beſuche offtmah- len deinen im hochheiligen Sacrament deß Altars verborgenen allerholdſelig- ſten Braͤutigam/ und klage demſelben deine Noth. Auff daß dich auch die angenommene verfaͤlſchte Schoͤnheit der Creaturen nicht verkehre/ ſo laſſe dir es gefallen/ und oͤetrachte die ungemeine Lieblichkeit deß jenigen Ange- ſichts/ Krafft deſſen viele auß dem Judiſchen Volck in ihren Aengſten und Betruͤbnuſſen getroͤſtet und geſtaͤrcket wurden; derohalben pflegten ſie in die- ſen ihren Mißhelligkeiten zu ſagen: laſſet uns hingehen zum Sohn Mariaͤ. Wann nun deines allerliebſten Heylands gebenedeyetes Angeſicht mit ſolcher Schoͤnheit noch in dieſem Jammerthal leuchtetet/ daß es auch die betruͤbte Gemuͤther gaͤntzlich troͤſten koͤnte; was wird dann nicht geſchehen anjetzo/ wann du mit den Augen deines Hertzens denſelben wirſt anſchawen/ da er mit unaußſprechlichem goͤttlichen Glantz regieret im Himmel? Jch zweiffele nicht daran/ du werdeſt von der ſuͤſſen Annehmlichkeit dieſes goͤttlichen An- geſichts G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/81
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/81>, abgerufen am 27.04.2024.