Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Liebe. bestehe. Dieweilen nun diese annehmliche Besitzung durch den ge-meinen und ordentlichen Weg/ nemblich durch die würckliche und thät- liche Vereinigung nicht kan erworben werden; so muß sie nothwendig vermittelst einer anderen/ in einem guten Willen gegründeter Vereini- gung/ als da ist die Liebe/ zu wegen gebracht werden. Dahero sehen wir in täglicher Erfahrnuß/ daß die wahre Liebhaber GOttes in höchster Ruhe deß Hertzens leben; weilen sie alles/ so da nimmer kan verlanget werden/ und mit dem Zeitlichen keine Gemeinschafft ha- ben kan; in ihrem lieben GOTT besitzen und geniessen. Hergegen aber/ die Schlaven der Welt; ob selbige schon grosse Reichtumben an Gold und Silber bißweilen zusammen scharren; köstliche Gebäue auffrichten/ mit stattlichem und ansehnlichem Kleyder-Pracht auffzie- hen; sehr schöne und künstliche Lust-Häuser/ sambt aller darzu gehö- rigen Ergötzlichkeit besitzen; so wird doch derselben Begierigkeit niemah- len nicht allein nicht erfüllet/ noch befriediget; sondern müssen noch ley- den/ daß dieses alles ihnen vielfältige Unruhe und Bekümmernuß ver- ursache. Und das kommet daher/ dieweilen der Mensch nicht ersättiget noch beglückseeliget werden mag ohne die Erhaltung deß jenigen wahren Ziels und Endes/ zu dem er erschaffen ist; das aber ist GOtt. Der- halben da der H. Augustinus zu unserm Vorhaben GOtt anredet/ braucht er sich dieser Wort: HErr/ du hast uns erschaffen zu dir/ alsLib.9. Conf. c 1. zu unserm Ziel/ und unser Hertz kan nirgend anders ru- hen/ als in dir. So lang wird unser Hertz unrühig seyn/ biß wir das Zeitliche und Zergängliche auß dem Grund desselben außrotten: so lang werden wir in Unruhe leben/ diß wir den Weltlichen Wollüsten gantz und zumahlen absagen: so lang werden wir die Lieblichkeit der wahren Göttlichen Ruhe nicht schmecken; als lang wir alle Neigung zu den irrdischen Creatu- ren behalten/ und mit völligen Schritten der Lieb zu unserm GOtt nicht zulauffen. 8. O wie närrisch seynd dann die jenige/ so daß höchste Gut verlassen/ liges
Von der Liebe. beſtehe. Dieweilen nun dieſe annehmliche Beſitzung durch den ge-meinen und ordentlichen Weg/ nemblich durch die wuͤrckliche und thaͤt- liche Vereinigung nicht kan erworben werden; ſo muß ſie nothwendig vermittelſt einer anderen/ in einem guten Willen gegruͤndeter Vereini- gung/ als da iſt die Liebe/ zu wegen gebracht werden. Dahero ſehen wir in taͤglicher Erfahrnuß/ daß die wahre Liebhaber GOttes in hoͤchſter Ruhe deß Hertzens leben; weilen ſie alles/ ſo da nimmer kan verlanget werden/ und mit dem Zeitlichen keine Gemeinſchafft ha- ben kan; in ihrem lieben GOTT beſitzen und genieſſen. Hergegen aber/ die Schlaven der Welt; ob ſelbige ſchon groſſe Reichtumben an Gold und Silber bißweilen zuſammen ſcharren; koͤſtliche Gebaͤue auffrichten/ mit ſtattlichem und anſehnlichem Kleyder-Pracht auffzie- hen; ſehr ſchoͤne und kuͤnſtliche Luſt-Haͤuſer/ ſambt aller darzu gehoͤ- rigen Ergoͤtzlichkeit beſitzen; ſo wird doch derſelben Begierigkeit niemah- len nicht allein nicht erfuͤllet/ noch befriediget; ſondern muͤſſen noch ley- den/ daß dieſes alles ihnen vielfaͤltige Unruhe und Bekuͤmmernuß ver- urſache. Und das kommet daher/ dieweilen der Menſch nicht erſaͤttiget noch begluͤckſeeliget werden mag ohne die Erhaltung deß jenigen wahren Ziels und Endes/ zu dem er erſchaffen iſt; das aber iſt GOtt. Der- halben da der H. Auguſtinus zu unſerm Vorhaben GOtt anredet/ braucht er ſich dieſer Wort: HErr/ du haſt uns erſchaffen zu dir/ alsLib.9. Conf. c 1. zu unſerm Ziel/ und unſer Hertz kan nirgend anders ru- hen/ als in dir. So lang wird unſer Hertz unruͤhig ſeyn/ biß wir das Zeitliche und Zergaͤngliche auß dem Grund deſſelben außrotten: ſo lang werden wir in Unruhe leben/ diß wir den Weltlichen Wolluͤſten gantz und zumahlen abſagen: ſo lang werden wir die Lieblichkeit der wahren Goͤttlichen Ruhe nicht ſchmecken; als lang wir alle Neigung zu den irꝛdiſchen Creatu- ren behalten/ und mit voͤlligen Schritten der Lieb zu unſerm GOtt nicht zulauffen. 8. O wie naͤrriſch ſeynd dann die jenige/ ſo daß hoͤchſte Gut verlaſſen/ liges
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Von der Liebe.
beſtehe. Dieweilen nun dieſe annehmliche Beſitzung durch den ge-
meinen und ordentlichen Weg/ nemblich durch die wuͤrckliche und thaͤt-
liche Vereinigung nicht kan erworben werden; ſo muß ſie nothwendig
vermittelſt einer anderen/ in einem guten Willen gegruͤndeter Vereini-
gung/ als da iſt die Liebe/ zu wegen gebracht werden. Dahero
ſehen wir in taͤglicher Erfahrnuß/ daß die wahre Liebhaber GOttes
in hoͤchſter Ruhe deß Hertzens leben; weilen ſie alles/ ſo da nimmer
kan verlanget werden/ und mit dem Zeitlichen keine Gemeinſchafft ha-
ben kan; in ihrem lieben GOTT beſitzen und genieſſen. Hergegen
aber/ die Schlaven der Welt; ob ſelbige ſchon groſſe Reichtumben
an Gold und Silber bißweilen zuſammen ſcharren; koͤſtliche Gebaͤue
auffrichten/ mit ſtattlichem und anſehnlichem Kleyder-Pracht auffzie-
hen; ſehr ſchoͤne und kuͤnſtliche Luſt-Haͤuſer/ ſambt aller darzu gehoͤ-
rigen Ergoͤtzlichkeit beſitzen; ſo wird doch derſelben Begierigkeit niemah-
len nicht allein nicht erfuͤllet/ noch befriediget; ſondern muͤſſen noch ley-
den/ daß dieſes alles ihnen vielfaͤltige Unruhe und Bekuͤmmernuß ver-
urſache. Und das kommet daher/ dieweilen der Menſch nicht erſaͤttiget
noch begluͤckſeeliget werden mag ohne die Erhaltung deß jenigen wahren
Ziels und Endes/ zu dem er erſchaffen iſt; das aber iſt GOtt. Der-
halben da der H. Auguſtinus zu unſerm Vorhaben GOtt anredet/ braucht
er ſich dieſer Wort: HErr/ du haſt uns erſchaffen zu dir/ als
zu unſerm Ziel/ und unſer Hertz kan nirgend anders ru-
hen/ als in dir. So lang wird unſer Hertz unruͤhig ſeyn/ biß wir
das Zeitliche und Zergaͤngliche auß dem Grund deſſelben außrotten: ſo lang
werden wir in Unruhe leben/ diß wir den Weltlichen Wolluͤſten gantz und
zumahlen abſagen: ſo lang werden wir die Lieblichkeit der wahren Goͤttlichen
Ruhe nicht ſchmecken; als lang wir alle Neigung zu den irꝛdiſchen Creatu-
ren behalten/ und mit voͤlligen Schritten der Lieb zu unſerm GOtt nicht
zulauffen.
Lib.9.
Conf. c 1.
8. O wie naͤrriſch ſeynd dann die jenige/ ſo daß hoͤchſte Gut verlaſſen/
und mit umziemblicher Begierd den betrieglichen und augenblicklichen
Guͤtern dieſer Welt ankleben! O groſſe Thorheit deren/ welche an
Statt der wahren und ewigen Frewden/ die ſtechende/ und gleich
dem Rauch verſchwindende Luſtbarkeiten/ die doch den Menſchen
nicht erſaͤttigen moͤgen; mit beyden Armen umbfangen: zu deren
billiger Verachtung/ und der ewigen hertzlichen Verlangen uns an-
treibet der heilige Anſelmus mit dieſen Worten: Du armſee-
liges
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