Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zwey und Fünfftzigste Geistliche Lection euch/ die ihr gesättiget seyd/ dann ihr werdet Hunger ley-den; Wehe euch/ die ihr jetzt lachet/ dann ihr werdet trau- ren und weynen: Wehe euch/ wann euch die Menschen preisen; dann ihr werdet dorten verschähmet werden. Wer soll diese Drew-Wort nicht förchten? Jst nicht dieses ein recht greu- liches Vrtheil? Daß du reich seyest/ daß du ersättiget seyest/ daß du lüstig und frölich seyest/ daß dich die Mensch loben; dieses bildestu dir nicht ein/ we- der auch ein ander Welt-Mensch/ daß sündhafft seye: und dannoch drewet Christns denselben den ewigen Todt/ durch so offt wiederholtes Wehe/ wehe. 6. Gedunckt dich derhalben wohl/ daß die unwiderbringliche kostbahre cken
Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection euch/ die ihr geſaͤttiget ſeyd/ dann ihr werdet Hunger ley-den; Wehe euch/ die ihr jetzt lachet/ dann ihr werdet trau- ren und weynen: Wehe euch/ wann euch die Menſchen preiſen; dann ihr werdet dorten verſchaͤhmet werden. Wer ſoll dieſe Drew-Wort nicht foͤrchten? Jſt nicht dieſes ein recht greu- liches Vrtheil? Daß du reich ſeyeſt/ daß du erſaͤttiget ſeyeſt/ daß du luͤſtig und froͤlich ſeyeſt/ daß dich die Menſch loben; dieſes bildeſtu dir nicht ein/ we- der auch ein ander Welt-Menſch/ daß ſuͤndhafft ſeye: und dannoch drewet Chriſtns denſelben den ewigen Todt/ durch ſo offt wiederholtes Wehe/ wehe. 6. Gedunckt dich derhalben wohl/ daß die unwiderbringliche koſtbahre cken
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Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
euch/ die ihr geſaͤttiget ſeyd/ dann ihr werdet Hunger ley-
den; Wehe euch/ die ihr jetzt lachet/ dann ihr werdet trau-
ren und weynen: Wehe euch/ wann euch die Menſchen
preiſen; dann ihr werdet dorten verſchaͤhmet werden.
Wer ſoll dieſe Drew-Wort nicht foͤrchten? Jſt nicht dieſes ein recht greu-
liches Vrtheil? Daß du reich ſeyeſt/ daß du erſaͤttiget ſeyeſt/ daß du luͤſtig und
froͤlich ſeyeſt/ daß dich die Menſch loben; dieſes bildeſtu dir nicht ein/ we-
der auch ein ander Welt-Menſch/ daß ſuͤndhafft ſeye: und dannoch drewet
Chriſtns denſelben den ewigen Todt/ durch ſo offt wiederholtes Wehe/
wehe.
6. Gedunckt dich derhalben wohl/ daß die unwiderbringliche koſtbahre
Zeit ohne Verluſt des Himmels mit Muͤſſiggehen und ſtetes geynen zu
den Welt-Luͤſten koͤnne zugebracht werden? Hoͤre mein Chriſtliche Seel
den Apoſtel Paulum ein Augenblick an. Mein allerliebſte/ ſagt er/
wircket euere Seeligkeit mit Forcht und Zittern. Solcher
maſſen haben die Heylige Gottes ihr ewiges Heyl geſucht/ ſo da immer die
gerechte Urtheil GOttes gefoͤrchtet haben. Die boͤſe aber haben weder die
ſtrenge Urtheil Gottes/ weder deſſen billigen Zorn gefoͤrchtet/ ſondern mit
dem heutigen Nachlaͤſſigen geſagt: GOtt iſt barmhertzig/ der wird uns ſo
leichtlich nicht verdammen; wir muͤſſen als ſehr grob und viel geſuͤndiget
haben/ wann wir die Hoͤll verdienen/ und dergleichen: da doch der heylige
Geiſt durch den Weiſen Man einen jeden mit dieſen deutlichen Worten den
Gegentheil lehret und ſaget: Spricht nicht/ die Erbarmung des
Herrn iſt groß/ Er wird die Vielheit meiner Sůnden auß
Gnaden verzeyhen/ dann Barmhertzigkeit und Zorn wer-
den geſchwind vom ihm herankommen/ und ſein Zorn ſe-
het auff die Sůnder. Die heylige Catharina von Genua pflegte zu
ſagen: O ihr armſelige Suͤnder/ trauet der Barmhertzigkeit Gottes nicht:
ſondern wiſſet/ daß ihr deſto tieffer zur Hoͤllen werdet hineingeworffen wer-
den/ wie mehr ihr einen ſo barmhertzigen HErrn zum Zorn anreitzet. Wir
muͤſſen zwarn auff die Barmhertzigkeit GOttes unſer Vertrauen ſetzen;
wie dieſes aber geſchehen ſolle/ lehret uns der heil. Gregorius mit dieſen Wor-
ten: Wer thut/ was er kan/ der mag auff Goͤttliche Barmhertzigkeit veſtig-
lich vertrauen: der aber nicht thut/ was er kan/ und wilt alſo auff die Guͤ-
tigkeit deß HErrn hoffen; deſſen Hoffnung iſt keine Hoffnung/ ſon-
dern eine Vermeſſenheit: dann unſer Glaub lehret uns/ daß wir nicht
allein auß der Barmhertzigkeit GOttes/ ſondern auch auß unſern Wer-
cken
Ad Phi-
lip. 2.
Eccl. c. 5.
v. 6.
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