Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Fünfftzigste Geistliche Lection 9. Weiters sagen sie auch/ daß/ weilen die ordentliche Lieb deß Menschen licher
Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection 9. Weiters ſagen ſie auch/ daß/ weilen die ordentliche Lieb deß Menſchen licher
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Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
9. Weiters ſagen ſie auch/ daß/ weilen die ordentliche Lieb deß Menſchen
von ihm ſelbſten ſoll anfangen; Dahero ſeye es billig/ daß wir erſt unſere
eigene Schuld/ und nachmahls frembde Schulden bezahlen. Dieſes
Argument hat den P. Rodericum Arriaga beweget/ daß er vermeint/ es
handle einer zumahlen gegen die ordentliche Lieb ſeiner ſelbſten/ wann er
alles gnugthuenden Nutzen und Erſprießlichkeit ſeiner Werck ſich begebe/
und ſelbige den Armen Seelen im Feg-Feur ſchencke: Dieſer Meinung
ſeynd auch noch andere geweſen; deren Gutthaten in ſo weit nicht zu beobach-
ten iſt/ daß du von der erſten Meinung dich ſolleſt abſchroͤcken laſſen; wie
der gelehrte Jacobus Montfordius in ſeinem guͤldenen Buch von der Barm-
hertzigkeit uͤber die arme Seelen weitlaͤuffig und klaͤrlich beweiſet: alwo er
erſtlich mit groſſer Vernunfft darthut/ daß der jenige/ welcher ſeine gute
Werck fuͤr die Seelen GOtt auffopffert/ nicht allein nichts verliere/ ſon-
dern mehr verdiene/ mehr erlange/ und mehr gnug thue; ja ſo gar konne
ein ſolcher ſich groſſe Hoffnung machen/ daß er ohne Feg-Feur zum Him-
mel gelaſſen werde: Nach dieſem verfaſſet er endlich alle ſeine geſetzte
Reden kuͤrtzlich zuſammen und beweiſet am 12. Capitel mit dreyfachigem
Argument/ daß auff die offtbeſagte Weiß/ ſeine Verdienſten den Seelen
zu uͤberlaſſen/ gegen die ordentliche Lieb gar nicht gehandlet werde. Daß
erſte iſt; Dieweilen tauſent Feg-Feur nicht zu achten waͤren/ wann man
durch ſelbige nur ein eintzige Staffel der hoͤhern Glory erhalten koͤnnte nun
iſt aber gewiß/ daß man Vermoͤg ſolcher Ubung und vollkommenſten Liebe
ſehr viele Staffeln der ewigen Seeligkeit erlangen koͤnne; ſo da ohne ſelbi-
ge Lieb niemahlen moͤgten erhalten werden; So folgt dann der unfehlba-
re Schluß/ daß der gegen ſeine eigene Lieb nicht handle/ welcher die jenige
Staffeln der Glory vernachlaͤſſigeſt/ deren er genieſſen wuͤrde/ wann er
wegen ſeiner ihm ſelbſt zu Nutz gemachten Verdienſten/ ehender zur See-
ligkeit gelangen wuͤrde/ damit er mehrere/ ja unendliche Staffeln der Glo-
ry/ die er in alle Ewigkeit wegen der den Abgeſtorbenen erwicſenen Lieb ge-
nieſſen wuͤrde/ ſich erwerbe. Jm widrigen Fall haͤtten der heilige Baſilius/
Jgnatius/ die wunderbarliche Chriſtina/ Lydwina und andere Heilige Gottes
uͤbel gethan/ daß ſie lieber auff der Welt zu verbleiben/ und Seelen zum Him-
mel zu bringen/ als gleich deſſelben theilhafftig zu werden/ erwaͤhlet haben.
Dieweilen nun/ mein Chriſtliche Seel/ die obgeſetzte Wort deß Jacobi
Montfordii durch ihre verdrießliche Verwirrung dir leichtlich eine Dunckel-
heit und Widerwillen verurſachen koͤnnte/ als will ich dir ſelbige allhier klaͤr-
licher
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/672>, abgerufen am 03.07.2024. |