Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Sieben und Viertzigste Geistliche Lection werden wir uns entschuldigen? was werden wir anfangen? wohin wer-den wir fliehen? was sollen wir antworten/ wann uns alle unsere Mengel groß und klein vor die Augen gelegt werden? Wir werden warhafftig nicht eins können antworten für tausendt; es sey dann/ daß wir würdige Frucht der Buß werden gewircket/ und in immerwehrender Forcht und Wacht über uns selbst werden gestanden haben. Dahero sagt der heilige Bernardus: Was ist also zu förchten/ als daß wir werden stehen müssen vor dem Richter Stuhl eines so scharffen Richters/ so da keine Zeugen bedarff/ und die Mei- nungen deß Hertzen durchgründet/ dessen Nachforschung biß zum innersten der Seelen gelanget? Recht sagt derhalben der heilige Jsidorus: Bey Erforschung deß genauen Richters/ ist auch die Gerechtigkeit deß Gerech- ten nicht sicher. Ja/ wie der fromme Alt- Vatter Agathan sagt: Wann uns GOTT die Verstreuungen deß Gemüths/ und die Nachlässigktit/ so wir im Gebett und Dienst GOTTES begehen/ will auffmessen/ so können wir nicht seelig werden. Lasset uns derhalben/ mein Christliche Seel/ allzeit gedencken und reifflich überlegen/ was der heilige Apostel Petrus in seinem ersten Send-Schreiben meldet: Wann der Gerechte kaum wird seelig wetden/ sagt er/ wo wird dann der Sunder und Gottlose bleiben: 10. Ludovicus Granatensis erzehlet/ daß ein sehr ansehnlicher und tu- bigen
Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection werden wir uns entſchuldigen? was werden wir anfangen? wohin wer-den wir fliehen? was ſollen wir antworten/ wann uns alle unſere Mengel groß und klein vor die Augen gelegt werden? Wir werden warhafftig nicht eins koͤnnen antworten fuͤr tauſendt; es ſey dann/ daß wir wuͤrdige Frucht der Buß werden gewircket/ und in immerwehrender Forcht und Wacht uͤber uns ſelbſt werden geſtanden haben. Dahero ſagt der heilige Bernardus: Was iſt alſo zu foͤrchten/ als daß wir werden ſtehen muͤſſen vor dem Richter Stuhl eines ſo ſcharffen Richters/ ſo da keine Zeugen bedarff/ und die Mei- nungen deß Hertzen durchgruͤndet/ deſſen Nachforſchung biß zum innerſten der Seelen gelanget? Recht ſagt derhalben der heilige Jſidorus: Bey Erforſchung deß genauen Richters/ iſt auch die Gerechtigkeit deß Gerech- ten nicht ſicher. Ja/ wie der fromme Alt- Vatter Agathan ſagt: Wann uns GOTT die Verſtreuungen deß Gemuͤths/ und die Nachlaͤſſigktit/ ſo wir im Gebett und Dienſt GOTTES begehen/ will auffmeſſen/ ſo koͤnnen wir nicht ſeelig werden. Laſſet uns derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ allzeit gedencken und reifflich uͤberlegen/ was der heilige Apoſtel Petrus in ſeinem erſten Send-Schreiben meldet: Wann der Gerechte kaum wird ſeelig wetden/ ſagt er/ wo wird dann der Sůnder und Gottloſe bleiben: 10. Ludovicus Granatenſis erzehlet/ daß ein ſehr anſehnlicher und tu- bigen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0626" n="598"/><fw place="top" type="header">Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/> werden wir uns entſchuldigen? was werden wir anfangen? wohin wer-<lb/> den wir fliehen? was ſollen wir antworten/ wann uns alle unſere Mengel<lb/> groß und klein vor die <hi rendition="#fr">A</hi>ugen gelegt werden? Wir werden warhafftig nicht<lb/> eins koͤnnen antworten fuͤr tauſendt; es ſey dann/ daß wir wuͤrdige Frucht<lb/> der Buß werden gewircket/ und in immerwehrender Forcht und Wacht uͤber<lb/> uns ſelbſt werden geſtanden haben. Dahero ſagt der heilige Bernardus:<lb/> Was iſt alſo zu foͤrchten/ als daß wir werden ſtehen muͤſſen vor dem Richter<lb/> Stuhl eines ſo ſcharffen Richters/ ſo da keine Zeugen bedarff/ und die Mei-<lb/> nungen deß Hertzen durchgruͤndet/ deſſen Nachforſchung biß zum innerſten<lb/> der Seelen gelanget? Recht ſagt derhalben der heilige Jſidorus: Bey<lb/> Erforſchung deß genauen Richters/ iſt auch die Gerechtigkeit deß Gerech-<lb/> ten nicht ſicher. Ja/ wie der fromme Alt- Vatter Agathan ſagt:<lb/> Wann uns <hi rendition="#g">GOTT</hi> die Verſtreuungen deß Gemuͤths/ und die<lb/> Nachlaͤſſigktit/ ſo wir im Gebett und Dienſt GOTTES begehen/<lb/> will auffmeſſen/ ſo koͤnnen wir nicht ſeelig werden. Laſſet uns derhalben/<lb/> mein Chriſtliche Seel/ allzeit gedencken und reifflich uͤberlegen/ was der<lb/> heilige Apoſtel Petrus in ſeinem erſten Send-Schreiben meldet:<lb/><hi rendition="#fr">Wann der Gerechte kaum wird ſeelig wetden/</hi> ſagt er/<lb/><hi rendition="#fr">wo wird dann der Sůnder und Gottloſe bleiben:</hi></p><lb/> <p>10. Ludovicus Granatenſis erzehlet/ daß ein ſehr anſehnlicher und tu-<lb/> gendſamer Mann einem ſeiner guten Freunden in ſchlechter Kleydung und<lb/> traurigem Angeſicht erſchienen ſeye/ und da er uͤber ſeinen Zuſtand ge-<lb/> fragt worden; habe er geantwortet: Niemand glaubt es/ niemand glaubt<lb/> es/ niemand glaubt es/ wie ſcharff GOtt richte/ und wie ernſtlich Er<lb/> ſtraffe. Nach dieſen Worten ſey er verſchwunden. Dergleichen Hiſto-<lb/> ri gedencket Zacharias Bouerius in dem Jahr - Calender der P. P.<lb/> Capucinern/ und ſagt/ daß zu dem Bruder Joſeph de Loniſſa ein Bru-<lb/> der deſſelben Ordens ſeye hinein kommen! welchen er alsbald gefragt/<lb/> ob er nicht der jenige ſeye/ ſo neulich geſtorben/ und was ſeyn Begeh-<lb/> ren ſeye/ und wie es mit ihm in jener Welt hergehe? Deme der Ver-<lb/> ſtorbene zur Antwort gegeben und geſagt: O Joſeph/ wann du wuͤſtes/<lb/> wie <hi rendition="#g">GOTT</hi> ſo genaue Rechenſchafft fordere von allem/ was die<lb/> Menſchen thun! Nachmahlen hat er tieffer geſeufftzet/ und geſagt: O<lb/> Joſeph/ Joſeph/ wann du wuͤſtes/ wie der Eingang zum Himmel ſo<lb/> ſchwaͤr falle! dabey hat ers gelaſſen/ und iſt verſchwunden. Dieſe<lb/> Goͤttliche Urtheil ſeynd dem Menſchen unmoͤglich zu ergruͤnden/ in ſel-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">bigen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [598/0626]
Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
werden wir uns entſchuldigen? was werden wir anfangen? wohin wer-
den wir fliehen? was ſollen wir antworten/ wann uns alle unſere Mengel
groß und klein vor die Augen gelegt werden? Wir werden warhafftig nicht
eins koͤnnen antworten fuͤr tauſendt; es ſey dann/ daß wir wuͤrdige Frucht
der Buß werden gewircket/ und in immerwehrender Forcht und Wacht uͤber
uns ſelbſt werden geſtanden haben. Dahero ſagt der heilige Bernardus:
Was iſt alſo zu foͤrchten/ als daß wir werden ſtehen muͤſſen vor dem Richter
Stuhl eines ſo ſcharffen Richters/ ſo da keine Zeugen bedarff/ und die Mei-
nungen deß Hertzen durchgruͤndet/ deſſen Nachforſchung biß zum innerſten
der Seelen gelanget? Recht ſagt derhalben der heilige Jſidorus: Bey
Erforſchung deß genauen Richters/ iſt auch die Gerechtigkeit deß Gerech-
ten nicht ſicher. Ja/ wie der fromme Alt- Vatter Agathan ſagt:
Wann uns GOTT die Verſtreuungen deß Gemuͤths/ und die
Nachlaͤſſigktit/ ſo wir im Gebett und Dienſt GOTTES begehen/
will auffmeſſen/ ſo koͤnnen wir nicht ſeelig werden. Laſſet uns derhalben/
mein Chriſtliche Seel/ allzeit gedencken und reifflich uͤberlegen/ was der
heilige Apoſtel Petrus in ſeinem erſten Send-Schreiben meldet:
Wann der Gerechte kaum wird ſeelig wetden/ ſagt er/
wo wird dann der Sůnder und Gottloſe bleiben:
10. Ludovicus Granatenſis erzehlet/ daß ein ſehr anſehnlicher und tu-
gendſamer Mann einem ſeiner guten Freunden in ſchlechter Kleydung und
traurigem Angeſicht erſchienen ſeye/ und da er uͤber ſeinen Zuſtand ge-
fragt worden; habe er geantwortet: Niemand glaubt es/ niemand glaubt
es/ niemand glaubt es/ wie ſcharff GOtt richte/ und wie ernſtlich Er
ſtraffe. Nach dieſen Worten ſey er verſchwunden. Dergleichen Hiſto-
ri gedencket Zacharias Bouerius in dem Jahr - Calender der P. P.
Capucinern/ und ſagt/ daß zu dem Bruder Joſeph de Loniſſa ein Bru-
der deſſelben Ordens ſeye hinein kommen! welchen er alsbald gefragt/
ob er nicht der jenige ſeye/ ſo neulich geſtorben/ und was ſeyn Begeh-
ren ſeye/ und wie es mit ihm in jener Welt hergehe? Deme der Ver-
ſtorbene zur Antwort gegeben und geſagt: O Joſeph/ wann du wuͤſtes/
wie GOTT ſo genaue Rechenſchafft fordere von allem/ was die
Menſchen thun! Nachmahlen hat er tieffer geſeufftzet/ und geſagt: O
Joſeph/ Joſeph/ wann du wuͤſtes/ wie der Eingang zum Himmel ſo
ſchwaͤr falle! dabey hat ers gelaſſen/ und iſt verſchwunden. Dieſe
Goͤttliche Urtheil ſeynd dem Menſchen unmoͤglich zu ergruͤnden/ in ſel-
bigen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |