Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zwey und Viertzigste Geistliche Lection Spiegel und Augen darzu/ ist aber Nacht; so kan er sich auch nicht sehen.So seynd dan nöthig/ auff daß der Mensch sich selbsten sehe/ das Licht/ der Spiegel und die Augen. Was ist aber eine Bekehrung der Seelen an- ders/ als daß ein Mensch in sich selbsten gehe/ und sich beschawe? zu dieser Be- schawung werden die Augen/ das Licht und der Spiegel erfordert: der Predi- ger bringt herzu den Spiegel/ das ist die Lehr. Gott bringt das Licht/ das ist die Gnad. Der Mensch schafft hinzu die Augen; das ist/ sich selbsten ken- nen. Jn diesen dreyen Theilen bestehet die Bekehrung der Seelen/ derge- stalt/ daß/ wann deren eins ermanglet; der Mensch immer in der Finsternuß wanderen musse. Wie du nun/ mein Christliche Seel/ die Gnad Gottes das ist das Licht dir erwerben mögest/ hastu in unser Tugend-Schul vielfäl- tiglich gehöret. Wie du in dich selbsten gehen/ und dich beschawen sollest/ hat dich die Lection von der Demut/ und andern Tugenten gnugsam gelehret. Wie nützlich nun und hochnötig seye der Spiegel/ das ist/ das Wort Gottes/ und wie du dich dessen gebrauchen sollest/ daß hastu in folgender Lection zu vernehmen. 2. Jch zweiffle nicht/ daß ein jeder Mensch gern wissen solte/ ob er zur ewi- H. Si-
Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection Spiegel und Augen darzu/ iſt aber Nacht; ſo kan er ſich auch nicht ſehen.So ſeynd dan noͤthig/ auff daß der Menſch ſich ſelbſten ſehe/ das Licht/ der Spiegel und die Augen. Was iſt aber eine Bekehrung der Seelen an- ders/ als daß ein Menſch in ſich ſelbſten gehe/ und ſich beſchawe? zu dieſer Be- ſchawung werden die Augen/ das Licht und der Spiegel erfordert: der Predi- ger bringt herzu den Spiegel/ das iſt die Lehr. Gott bringt das Licht/ das iſt die Gnad. Der Menſch ſchafft hinzu die Augen; das iſt/ ſich ſelbſten ken- nen. Jn dieſen dreyen Theilen beſtehet die Bekehrung der Seelen/ derge- ſtalt/ daß/ wann deren eins ermanglet; der Menſch immer in der Finſternuß wanderen muſſe. Wie du nun/ mein Chriſtliche Seel/ die Gnad Gottes das iſt das Licht dir erwerben moͤgeſt/ haſtu in unſer Tugend-Schul vielfaͤl- tiglich gehoͤret. Wie du in dich ſelbſten gehen/ und dich beſchawen ſolleſt/ hat dich die Lection von der Demut/ und andern Tugenten gnugſam gelehret. Wie nuͤtzlich nun und hochnoͤtig ſeye der Spiegel/ das iſt/ das Wort Gottes/ und wie du dich deſſen gebrauchen ſolleſt/ daß haſtu in folgender Lection zu vernehmen. 2. Jch zweiffle nicht/ daß ein jeder Menſch gern wiſſen ſolte/ ob er zur ewi- H. Si-
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Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Spiegel und Augen darzu/ iſt aber Nacht; ſo kan er ſich auch nicht ſehen.
So ſeynd dan noͤthig/ auff daß der Menſch ſich ſelbſten ſehe/ das Licht/ der
Spiegel und die Augen. Was iſt aber eine Bekehrung der Seelen an-
ders/ als daß ein Menſch in ſich ſelbſten gehe/ und ſich beſchawe? zu dieſer Be-
ſchawung werden die Augen/ das Licht und der Spiegel erfordert: der Predi-
ger bringt herzu den Spiegel/ das iſt die Lehr. Gott bringt das Licht/ das iſt
die Gnad. Der Menſch ſchafft hinzu die Augen; das iſt/ ſich ſelbſten ken-
nen. Jn dieſen dreyen Theilen beſtehet die Bekehrung der Seelen/ derge-
ſtalt/ daß/ wann deren eins ermanglet; der Menſch immer in der Finſternuß
wanderen muſſe. Wie du nun/ mein Chriſtliche Seel/ die Gnad Gottes
das iſt das Licht dir erwerben moͤgeſt/ haſtu in unſer Tugend-Schul vielfaͤl-
tiglich gehoͤret. Wie du in dich ſelbſten gehen/ und dich beſchawen ſolleſt/
hat dich die Lection von der Demut/ und andern Tugenten gnugſam gelehret.
Wie nuͤtzlich nun und hochnoͤtig ſeye der Spiegel/ das iſt/ das Wort Gottes/
und wie du dich deſſen gebrauchen ſolleſt/ daß haſtu in folgender Lection zu
vernehmen.
2. Jch zweiffle nicht/ daß ein jeder Menſch gern wiſſen ſolte/ ob er zur ewi-
gen Seeligkeit von Gott erwehlet ſeye/ oder nicht; nun ſagen aber viele H. H.
Vaͤtter/ daß es ein Zeichen der erwehlung ſeye/ wann der Menſch das Wort
Gottes gern anhoͤret/ und von Geiſtlichen und himliſchen Dingen gern re-
det/ und reden hoͤret; gleich wie hergegen ein gewiſſes Zeichen der Verdamb-
nuß iſt/ wann der Menſch das Wort Gottes/ und alle/ ſo von Goͤttlichen
Dingen reden/ fliehet/ wie der H. Joannes auß dem Mund der ewigen
Warheit ſagt: Wer auß Gott iſt/ der hoͤret das Wort Gottes.
Derhalben hoͤret ihr es nicht/ weilen ihr nicht auß Gott
ſeyet. Und der H. Chriſoſtomus redet alſo von der Sach: dieß iſt mir ein
Zeichen eweres Fortgangs in den Goͤttlichen Dingen/ daß ihr taͤglich ſo gern
beyſammen kommet/ und von der geiſtlichen Lehr nicht gnugſamb koͤnnet er-
ſaͤttiget werdtn: dan gleich wie der Appetit der leiblichen Speiß ein Anzeiger
iſt der gutẽ Geſundheit; alſo iſt die Begird der geiſtlichen Lehr ein offenbahres
Ken-Zeichen einer Gottgefaͤlligen Seele. Zum anderen iſt es das beſte
Jnſtrument oder Werckzeug/ krafft deſſen der Menſch einen groſſen Fort-
gang in der Vollkommenheit und Heiligkeit thuen kan: dan gleich wie ein
Baͤumlein; ſagt der H. Chriſoſtomus durch ſtetes Begieſſen zu einer an-
ſehentlichen hoͤhe wachſſet in kurtzer Zeit: alſo glangt der jenige zum Giffel der
Vollkommenheit gar leichtlich; welcher mit der Lehr deß Goͤttlichen Worts
immerzu befeuchtet wird. Alſo hat die eintzige Lection deß Evangelii/ ſo der
H. Si-
l. 47.
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/572>, abgerufen am 16.07.2024. |