Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Neun und Dreyssigste Geistliche Lection
weniger hat der Sohn GOttes sothane Engeln/ obschon edlere Creaturen/
als die Menschen; in ihrem Verderben wollen stecken lassen/ und auff die
Welt kommen/ auff daß er den armen Menschen von den verdienten grau-
samen Straffen befreyen/ und zum Erben deß himmlischen Vatterlands ein-
setzen mögte: und weilen er solches zu mehrer Beförderung unseres Heyls/
durch einen so schmähligen und bittern Todt verrichten wollen; was ver-
meinstu nicht/ daß er vor Dancksagung zu Vergeltung dieser grossen Lieb
von uns rechtmässiglich begehren könne; der als ein wahrer und treu-hertzi-
ger Bürg/ sein eigenes Blut zu Bezahlung der Schuld gegeben hat? Nichts
anders will dieser Göttliche Bürg/ als was der Weise Mann erfordert/ da
Eccl. 29.
18.
er spricht: Vergiß der Wohlthat eines Burgen nicht; dann
er hat seine Seel fur dich gegeben.
Dieser Eingebohrne Sohn
GOttes/ ein König aller Königen/ ein Herr aller Herrschenden/ hat seine
Seel (in welcher alle Schätz der Weißheit und Wissenschafft GOttes
seynd) für uns verwürffliche Erd-Würmb/ und Schlaven deß grossen
Höllischen Feinds zur Bürgschafft gestellet/ und daß zwarn auff die Weiß/
Esaia 53.wieder Prophet im Geist hatte vor gesehen/ und gesagt: Er hat weder
Gestalt noch Schöne/ und wir haben ihn beschauet/ und
es war kein Ansehen da: Er war verachtet/ und der
allergeringste unter den Männern. Er hat fürwahr
alle Kranckheiten auff sich geladen/ und unsere Schmer-
tzen hat er selbst getragen/ und wir haben ihn gleich ei-
nem Außsätzigen gehalten/ als einen der von GOtt ge-
schlagen und gedemüthiget ware/
&c. Warumb aber dieß al-
les? Dieweilen er sich seinem Vatter für einen Bürgen erbotten hat: da-
hero ist erfolgt: Daß er verwundet ist worden umb unser
Missethat willen/ wir seynd durch seine Striemen ge-
heilet worden/ und der HErr hat unser aller Missethat
auff ihn gelegt.
Jn dem solche höchst-verwunderliche grosse Lieb deß
himmlischen Bürgen der H. Bernardus bey sich erweget; rufft er überlaut
Serm. 41.
in Ap-
pend.
und sagt: O du/ biß über die Ohren in Schulden vertieffte/
und deß Teuffels eigenthümbliche Sünder! Nehme doch
auß deß Lösungs-Gelds deine Gefangenschafft ab: auß
der Gnugthuung deß Bürgen erkenne den Last deiner
Sünden. Siehe doch zu/
rufft dir der H. Vatter Augustinus:
Siehe zu/ O Mensch/ wie hoch du geschätzet werdest/
und was du schuldig seyest/ und nachdem du so grosse

Wür-

Die Neun und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
weniger hat der Sohn GOttes ſothane Engeln/ obſchon edlere Creaturen/
als die Menſchen; in ihrem Verderben wollen ſtecken laſſen/ und auff die
Welt kommen/ auff daß er den armen Menſchen von den verdienten grau-
ſamen Straffen befreyen/ und zum Erben deß himmliſchen Vatterlands ein-
ſetzen moͤgte: und weilen er ſolches zu mehrer Befoͤrderung unſeres Heyls/
durch einen ſo ſchmaͤhligen und bittern Todt verrichten wollen; was ver-
meinſtu nicht/ daß er vor Danckſagung zu Vergeltung dieſer groſſen Lieb
von uns rechtmaͤſſiglich begehren koͤnne; der als ein wahrer und treu-hertzi-
ger Buͤrg/ ſein eigenes Blut zu Bezahlung der Schuld gegeben hat? Nichts
anders will dieſer Goͤttliche Buͤrg/ als was der Weiſe Mann erfordert/ da
Eccl. 29.
18.
er ſpricht: Vergiß der Wohlthat eines Bůrgen nicht; dann
er hat ſeine Seel fůr dich gegeben.
Dieſer Eingebohrne Sohn
GOttes/ ein Koͤnig aller Koͤnigen/ ein Herr aller Herrſchenden/ hat ſeine
Seel (in welcher alle Schaͤtz der Weißheit und Wiſſenſchafft GOttes
ſeynd) fuͤr uns verwuͤrffliche Erd-Wuͤrmb/ und Schlaven deß groſſen
Hoͤlliſchen Feinds zur Buͤrgſchafft geſtellet/ und daß zwarn auff die Weiß/
Eſaia 53.wieder Prophet im Geiſt hatte vor geſehen/ und geſagt: Er hat weder
Geſtalt noch Schoͤne/ und wir haben ihn beſchauet/ und
es war kein Anſehen da: Er war verachtet/ und der
allergeringſte unter den Maͤnnern. Er hat fuͤrwahr
alle Kranckheiten auff ſich geladen/ und unſere Schmer-
tzen hat er ſelbſt getragen/ und wir haben ihn gleich ei-
nem Außſaͤtzigen gehalten/ als einen der von GOtt ge-
ſchlagen und gedemüthiget ware/
&c. Warumb aber dieß al-
les? Dieweilen er ſich ſeinem Vatter fuͤr einen Buͤrgen erbotten hat: da-
hero iſt erfolgt: Daß er verwundet iſt worden umb unſer
Miſſethat willen/ wir ſeynd durch ſeine Striemen ge-
heilet worden/ und der HErr hat unſer aller Miſſethat
auff ihn gelegt.
Jn dem ſolche hoͤchſt-verwunderliche groſſe Lieb deß
himmliſchen Buͤrgen der H. Bernardus bey ſich erweget; rufft er uͤberlaut
Serm. 41.
in Ap-
pend.
und ſagt: O du/ biß über die Ohren in Schulden vertieffte/
und deß Teuffels eigenthümbliche Sünder! Nehme doch
auß deß Loͤſungs-Gelds deine Gefangenſchafft ab: auß
der Gnugthuung deß Bürgen erkenne den Laſt deiner
Sünden. Siehe doch zu/
rufft dir der H. Vatter Auguſtinus:
Siehe zu/ O Menſch/ wie hoch du geſchaͤtzet werdeſt/
und was du ſchuldig ſeyeſt/ und nachdem du ſo groſſe

Wür-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0524" n="496"/><fw place="top" type="header">Die Neun und Drey&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;te Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
weniger hat der Sohn GOttes &#x017F;othane Engeln/ ob&#x017F;chon edlere Creaturen/<lb/>
als die Men&#x017F;chen; in ihrem Verderben wollen &#x017F;tecken la&#x017F;&#x017F;en/ und auff die<lb/>
Welt kommen/ auff daß er den armen Men&#x017F;chen von den verdienten grau-<lb/>
&#x017F;amen Straffen befreyen/ und zum Erben deß himmli&#x017F;chen Vatterlands ein-<lb/>
&#x017F;etzen mo&#x0364;gte: und weilen er &#x017F;olches zu mehrer Befo&#x0364;rderung un&#x017F;eres Heyls/<lb/>
durch einen &#x017F;o &#x017F;chma&#x0364;hligen und bittern Todt verrichten wollen; was ver-<lb/>
mein&#x017F;tu nicht/ daß er vor Danck&#x017F;agung zu Vergeltung die&#x017F;er gro&#x017F;&#x017F;en Lieb<lb/>
von uns rechtma&#x0364;&#x017F;&#x017F;iglich begehren ko&#x0364;nne; der als ein wahrer und treu-hertzi-<lb/>
ger Bu&#x0364;rg/ &#x017F;ein eigenes Blut zu Bezahlung der Schuld gegeben hat? Nichts<lb/>
anders will die&#x017F;er Go&#x0364;ttliche Bu&#x0364;rg/ als was der Wei&#x017F;e Mann erfordert/ da<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Eccl.</hi> 29.<lb/>
18.</note>er &#x017F;pricht: <hi rendition="#fr">Vergiß der Wohlthat eines B&#x016F;rgen nicht; dann<lb/>
er hat &#x017F;eine Seel f&#x016F;r dich gegeben.</hi> Die&#x017F;er Eingebohrne Sohn<lb/>
GOttes/ ein Ko&#x0364;nig aller Ko&#x0364;nigen/ ein Herr aller Herr&#x017F;chenden/ hat &#x017F;eine<lb/>
Seel (in welcher alle Scha&#x0364;tz der Weißheit und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft GOttes<lb/>
&#x017F;eynd) fu&#x0364;r uns verwu&#x0364;rffliche Erd-Wu&#x0364;rmb/ und Schlaven deß gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ho&#x0364;lli&#x017F;chen Feinds zur Bu&#x0364;rg&#x017F;chafft ge&#x017F;tellet/ und daß zwarn auff die Weiß/<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">E&#x017F;aia</hi> 53.</note>wieder Prophet im Gei&#x017F;t hatte vor ge&#x017F;ehen/ und ge&#x017F;agt: <hi rendition="#fr">Er hat weder<lb/>
Ge&#x017F;talt noch Scho&#x0364;ne/ und wir haben ihn be&#x017F;chauet/ und<lb/>
es war kein An&#x017F;ehen da: Er war verachtet/ und der<lb/>
allergering&#x017F;te unter den Ma&#x0364;nnern. Er hat fu&#x0364;rwahr<lb/>
alle Kranckheiten auff &#x017F;ich geladen/ und un&#x017F;ere Schmer-<lb/>
tzen hat er &#x017F;elb&#x017F;t getragen/ und wir haben ihn gleich ei-<lb/>
nem Auß&#x017F;a&#x0364;tzigen gehalten/ als einen der von GOtt ge-<lb/>
&#x017F;chlagen und gedemüthiget ware/</hi> <hi rendition="#aq">&amp;c.</hi> Warumb aber dieß al-<lb/>
les? Dieweilen er &#x017F;ich &#x017F;einem Vatter fu&#x0364;r einen Bu&#x0364;rgen erbotten hat: da-<lb/>
hero i&#x017F;t erfolgt: <hi rendition="#fr">Daß er verwundet i&#x017F;t worden umb un&#x017F;er<lb/>
Mi&#x017F;&#x017F;ethat willen/ wir &#x017F;eynd durch &#x017F;eine Striemen ge-<lb/>
heilet worden/ und der HErr hat un&#x017F;er aller Mi&#x017F;&#x017F;ethat<lb/>
auff ihn gelegt.</hi> Jn dem &#x017F;olche ho&#x0364;ch&#x017F;t-verwunderliche gro&#x017F;&#x017F;e Lieb deß<lb/>
himmli&#x017F;chen Bu&#x0364;rgen der H. Bernardus bey &#x017F;ich erweget; rufft er u&#x0364;berlaut<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Serm. 41.<lb/>
in Ap-<lb/>
pend.</hi></note>und &#x017F;agt: <hi rendition="#fr">O du/ biß über die Ohren in Schulden vertieffte/<lb/>
und deß Teuffels eigenthümbliche Sünder! Nehme doch<lb/>
auß deß Lo&#x0364;&#x017F;ungs-Gelds deine Gefangen&#x017F;chafft ab: auß<lb/>
der Gnugthuung deß Bürgen erkenne den La&#x017F;t deiner<lb/>
Sünden. Siehe doch zu/</hi> rufft dir der H. Vatter Augu&#x017F;tinus:<lb/><hi rendition="#fr">Siehe zu/ O Men&#x017F;ch/ wie hoch du ge&#x017F;cha&#x0364;tzet werde&#x017F;t/<lb/>
und was du &#x017F;chuldig &#x017F;eye&#x017F;t/ und nachdem du &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Wür-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0524] Die Neun und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection weniger hat der Sohn GOttes ſothane Engeln/ obſchon edlere Creaturen/ als die Menſchen; in ihrem Verderben wollen ſtecken laſſen/ und auff die Welt kommen/ auff daß er den armen Menſchen von den verdienten grau- ſamen Straffen befreyen/ und zum Erben deß himmliſchen Vatterlands ein- ſetzen moͤgte: und weilen er ſolches zu mehrer Befoͤrderung unſeres Heyls/ durch einen ſo ſchmaͤhligen und bittern Todt verrichten wollen; was ver- meinſtu nicht/ daß er vor Danckſagung zu Vergeltung dieſer groſſen Lieb von uns rechtmaͤſſiglich begehren koͤnne; der als ein wahrer und treu-hertzi- ger Buͤrg/ ſein eigenes Blut zu Bezahlung der Schuld gegeben hat? Nichts anders will dieſer Goͤttliche Buͤrg/ als was der Weiſe Mann erfordert/ da er ſpricht: Vergiß der Wohlthat eines Bůrgen nicht; dann er hat ſeine Seel fůr dich gegeben. Dieſer Eingebohrne Sohn GOttes/ ein Koͤnig aller Koͤnigen/ ein Herr aller Herrſchenden/ hat ſeine Seel (in welcher alle Schaͤtz der Weißheit und Wiſſenſchafft GOttes ſeynd) fuͤr uns verwuͤrffliche Erd-Wuͤrmb/ und Schlaven deß groſſen Hoͤlliſchen Feinds zur Buͤrgſchafft geſtellet/ und daß zwarn auff die Weiß/ wieder Prophet im Geiſt hatte vor geſehen/ und geſagt: Er hat weder Geſtalt noch Schoͤne/ und wir haben ihn beſchauet/ und es war kein Anſehen da: Er war verachtet/ und der allergeringſte unter den Maͤnnern. Er hat fuͤrwahr alle Kranckheiten auff ſich geladen/ und unſere Schmer- tzen hat er ſelbſt getragen/ und wir haben ihn gleich ei- nem Außſaͤtzigen gehalten/ als einen der von GOtt ge- ſchlagen und gedemüthiget ware/ &c. Warumb aber dieß al- les? Dieweilen er ſich ſeinem Vatter fuͤr einen Buͤrgen erbotten hat: da- hero iſt erfolgt: Daß er verwundet iſt worden umb unſer Miſſethat willen/ wir ſeynd durch ſeine Striemen ge- heilet worden/ und der HErr hat unſer aller Miſſethat auff ihn gelegt. Jn dem ſolche hoͤchſt-verwunderliche groſſe Lieb deß himmliſchen Buͤrgen der H. Bernardus bey ſich erweget; rufft er uͤberlaut und ſagt: O du/ biß über die Ohren in Schulden vertieffte/ und deß Teuffels eigenthümbliche Sünder! Nehme doch auß deß Loͤſungs-Gelds deine Gefangenſchafft ab: auß der Gnugthuung deß Bürgen erkenne den Laſt deiner Sünden. Siehe doch zu/ rufft dir der H. Vatter Auguſtinus: Siehe zu/ O Menſch/ wie hoch du geſchaͤtzet werdeſt/ und was du ſchuldig ſeyeſt/ und nachdem du ſo groſſe Wür- Eccl. 29. 18. Eſaia 53. Serm. 41. in Ap- pend.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/524
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/524>, abgerufen am 22.11.2024.