Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Acht und Dreyssigste Geistliche Lection
dieser Betrachtung kombt die wahre Demut/ die wahre Lieb/ und andere
Tugenten in grosser Anzahl: auß selbiger wird auch endlich die gewisse und
unbetriegliche Erwartung deß ewigen Lebens gebohren. Also redet der ob-
gemeldte Vatter in der Vorrede der geistlichen Perle. Welches dann der
H. Papst Leo mit diesen Worten bekräfftiget: Höret/ und nemmet
war das allerhöchste Geheimnuß der Göttlichen Barm-
hertzigkeit: dieweilen alda eine gewisse und sichere Er-
wartung der versprochenen Seeligkeit vorhanden ist/ al-
wo die Gemeinschafft deß Leydens Christi gefunden wird.
Wann wir nun dieses Leyden durch eine auffmercksame
Betrachtung uns selbsten mittheilen; so können wir uns
versichern/ daß wir krafft dessen/ ungezweifflet zu den
himmlischen Freuden uns näheren. Es ist gewiß/
sagt
der gelehrte Origenes/ das keine Sund bey den Menschen
Apud.
Fabr.
Conc. 6.
in Dom.
Pass.
herrschen könne/ wann er den Todt Christi in seinem Her-
tzen herumb tragt: dann eine so grosse Gewalt hat das
Creutz/ daß/ wann selbiges vor die Augen gesetzt/ und
im Hertzen trenlich behalten wird; also/ daß der Mensch
den Todt seines HErrn mit geistlichem Furwitz beschaue;
keine böse Begierd/ keine Geilheit/ keine Vngedult/ keine
Mißgunst könne uberhand nehmen/ sondern werde in
dessen Gegenwart das gantze Kriegs-Heer der Sunden
und deß Fleisches in die Flucht geschlagen.

2. Weiters höre/ mein Christliche Seel/ den H. Bonaventuram/ der dir
also zuredet: wilstu/ O Mensch/ von Tugend zu Tugend/ von einer Gnad
zur anderen/ und vom Guten zum Besseren schreiten/ so betrachte täglich
das Leyden Christi mit möglicher Andacht: dann diese verändert das Hertz/
und macht selbiges nicht allein Englisch; sonderen auch Göttlich: zumalen
nichts also in der Seelen verursachet eine allgemeine Heiligung/ wie die
Betrachtung deß Leydens Christi. Neben diesem ist der H. Albertus
Tract. de
Sacr.
Mist.
Magnus der Meinung/ daß auch die einfältige Gedächtnuß oder Betrach-
tung dieses bitteren Leyden bey Gott höher geschätzt werde/ als wann einer
ein gantzes Jahr lang in Wasser und Brod fastete/ und sich alle Freytag bist
4. P. In-
trod. ad
Med.
zum Blut disciplinirte/ oder täglich den Psalter bettete. Dessen Ursach der
Gottselige Ludovicus de Ponte gibt mit folgenden Worten: dieweilen die
vorgemelte Werck/ ob sie schon sehr gut und nützlich seynd; so haben sie doch
keine solche Krafft/ das Hertz von seinen Lasteren zu sauberen/ mit Warheiten

und

Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
dieſer Betrachtung kombt die wahre Demut/ die wahre Lieb/ und andere
Tugenten in groſſer Anzahl: auß ſelbiger wird auch endlich die gewiſſe und
unbetriegliche Erwartung deß ewigen Lebens gebohren. Alſo redet der ob-
gemeldte Vatter in der Vorrede der geiſtlichen Perle. Welches dann der
H. Papſt Leo mit dieſen Worten bekraͤfftiget: Hoͤret/ und nemmet
war das allerhoͤchſte Geheimnuß der Goͤttlichen Barm-
hertzigkeit: dieweilen alda eine gewiſſe und ſichere Er-
wartung der verſprochenen Seeligkeit vorhanden iſt/ al-
wo die Gemeinſchafft deß Leydens Chriſti gefunden wird.
Wann wir nun dieſes Leyden durch eine auffmerckſame
Betrachtung uns ſelbſten mittheilen; ſo koͤnnen wir uns
verſichern/ daß wir krafft deſſen/ ungezweifflet zu den
himmliſchen Freuden uns naͤheren. Es iſt gewiß/
ſagt
der gelehrte Origenes/ das keine Sůnd bey den Menſchen
Apud.
Fabr.
Conc. 6.
in Dom.
Paſſ.
herrſchen koͤnne/ wann er den Todt Chriſti in ſeinem Her-
tzen herumb tragt: dann eine ſo groſſe Gewalt hat das
Creutz/ daß/ wann ſelbiges vor die Augen geſetzt/ und
im Hertzen trenlich behalten wird; alſo/ daß der Menſch
den Todt ſeines HErrn mit geiſtlichem Fůrwitz beſchaue;
keine boͤſe Begierd/ keine Geilheit/ keine Vngedult/ keine
Mißgunſt koͤnne ůberhand nehmen/ ſondern werde in
deſſen Gegenwart das gantze Kriegs-Heer der Sůnden
und deß Fleiſches in die Flucht geſchlagen.

2. Weiters hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ den H. Bonaventuram/ der dir
alſo zuredet: wilſtu/ O Menſch/ von Tugend zu Tugend/ von einer Gnad
zur anderen/ und vom Guten zum Beſſeren ſchreiten/ ſo betrachte taͤglich
das Leyden Chriſti mit moͤglicher Andacht: dann dieſe veraͤndert das Hertz/
und macht ſelbiges nicht allein Engliſch; ſonderen auch Goͤttlich: zumalen
nichts alſo in der Seelen verurſachet eine allgemeine Heiligung/ wie die
Betrachtung deß Leydens Chriſti. Neben dieſem iſt der H. Albertus
Tract. de
Sacr.
Miſt.
Magnus der Meinung/ daß auch die einfaͤltige Gedaͤchtnuß oder Betrach-
tung dieſes bitteren Leyden bey Gott hoͤher geſchaͤtzt werde/ als wann einer
ein gantzes Jahr lang in Waſſer und Brod faſtete/ und ſich alle Freytag biſt
4. P. In-
trod. ad
Med.
zum Blut diſciplinirte/ oder taͤglich den Pſalter bettete. Deſſen Urſach der
Gottſelige Ludovicus de Ponte gibt mit folgenden Worten: dieweilen die
vorgemelte Werck/ ob ſie ſchon ſehr gut und nuͤtzlich ſeynd; ſo haben ſie doch
keine ſolche Krafft/ das Hertz von ſeinen Laſteren zu ſauberen/ mit Warheiten

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0510" n="482"/><fw place="top" type="header">Die Acht und Drey&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;te Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
die&#x017F;er Betrachtung kombt die wahre Demut/ die wahre Lieb/ und andere<lb/>
Tugenten in gro&#x017F;&#x017F;er Anzahl: auß &#x017F;elbiger wird auch endlich die gewi&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
unbetriegliche Erwartung deß ewigen Lebens gebohren. Al&#x017F;o redet der ob-<lb/>
gemeldte Vatter in der Vorrede der gei&#x017F;tlichen Perle. Welches dann der<lb/>
H. Pap&#x017F;t Leo mit die&#x017F;en Worten bekra&#x0364;fftiget: <hi rendition="#fr">Ho&#x0364;ret/ und nemmet<lb/>
war das allerho&#x0364;ch&#x017F;te Geheimnuß der Go&#x0364;ttlichen Barm-<lb/>
hertzigkeit: dieweilen alda eine gewi&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;ichere Er-<lb/>
wartung der ver&#x017F;prochenen Seeligkeit vorhanden i&#x017F;t/ al-<lb/>
wo die Gemein&#x017F;chafft deß Leydens Chri&#x017F;ti gefunden wird.<lb/>
Wann wir nun die&#x017F;es Leyden durch eine auffmerck&#x017F;ame<lb/>
Betrachtung uns &#x017F;elb&#x017F;ten mittheilen; &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir uns<lb/>
ver&#x017F;ichern/ daß wir krafft de&#x017F;&#x017F;en/ ungezweifflet zu den<lb/>
himmli&#x017F;chen Freuden uns na&#x0364;heren. Es i&#x017F;t gewiß/</hi> &#x017F;agt<lb/>
der gelehrte Origenes/ <hi rendition="#fr">das keine S&#x016F;nd bey den Men&#x017F;chen</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Apud.<lb/>
Fabr.<lb/>
Conc. 6.<lb/>
in Dom.<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;.</hi></note><hi rendition="#fr">herr&#x017F;chen ko&#x0364;nne/ wann er den Todt Chri&#x017F;ti in &#x017F;einem Her-<lb/>
tzen herumb tragt: dann eine &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Gewalt hat das<lb/>
Creutz/ daß/ wann &#x017F;elbiges vor die Augen ge&#x017F;etzt/ und<lb/>
im Hertzen trenlich behalten wird; al&#x017F;o/ daß der Men&#x017F;ch<lb/>
den Todt &#x017F;eines HErrn mit gei&#x017F;tlichem F&#x016F;rwitz be&#x017F;chaue;<lb/>
keine bo&#x0364;&#x017F;e Begierd/ keine Geilheit/ keine Vngedult/ keine<lb/>
Mißgun&#x017F;t ko&#x0364;nne &#x016F;berhand nehmen/ &#x017F;ondern werde in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Gegenwart das gantze Kriegs-Heer der S&#x016F;nden<lb/>
und deß Flei&#x017F;ches in die Flucht ge&#x017F;chlagen.</hi></p><lb/>
          <p>2. Weiters ho&#x0364;re/ mein Chri&#x017F;tliche Seel/ den H. Bonaventuram/ der dir<lb/>
al&#x017F;o zuredet: wil&#x017F;tu/ O Men&#x017F;ch/ von Tugend zu Tugend/ von einer Gnad<lb/>
zur anderen/ und vom Guten zum Be&#x017F;&#x017F;eren &#x017F;chreiten/ &#x017F;o betrachte ta&#x0364;glich<lb/>
das Leyden Chri&#x017F;ti mit mo&#x0364;glicher Andacht: dann die&#x017F;e vera&#x0364;ndert das Hertz/<lb/>
und macht &#x017F;elbiges nicht allein Engli&#x017F;ch; &#x017F;onderen auch Go&#x0364;ttlich: zumalen<lb/>
nichts al&#x017F;o in der Seelen verur&#x017F;achet eine allgemeine Heiligung/ wie die<lb/>
Betrachtung deß Leydens Chri&#x017F;ti. Neben die&#x017F;em i&#x017F;t der H. <hi rendition="#aq">Albertus</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Tract. de<lb/>
Sacr.<lb/>
Mi&#x017F;t.</hi></note><hi rendition="#aq">Magnus</hi> der Meinung/ daß auch die einfa&#x0364;ltige Geda&#x0364;chtnuß oder Betrach-<lb/>
tung die&#x017F;es bitteren Leyden bey Gott ho&#x0364;her ge&#x017F;cha&#x0364;tzt werde/ als wann einer<lb/>
ein gantzes Jahr lang in Wa&#x017F;&#x017F;er und Brod fa&#x017F;tete/ und &#x017F;ich alle Freytag bi&#x017F;t<lb/><note place="left">4. <hi rendition="#aq">P. In-<lb/>
trod. ad<lb/>
Med.</hi></note>zum Blut di&#x017F;ciplinirte/ oder ta&#x0364;glich den P&#x017F;alter bettete. De&#x017F;&#x017F;en Ur&#x017F;ach der<lb/>
Gott&#x017F;elige <hi rendition="#aq">Ludovicus de Ponte</hi> gibt mit folgenden Worten: dieweilen die<lb/>
vorgemelte Werck/ ob &#x017F;ie &#x017F;chon &#x017F;ehr gut und nu&#x0364;tzlich &#x017F;eynd; &#x017F;o haben &#x017F;ie doch<lb/>
keine &#x017F;olche Krafft/ das Hertz von &#x017F;einen La&#x017F;teren zu &#x017F;auberen/ mit Warheiten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[482/0510] Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection dieſer Betrachtung kombt die wahre Demut/ die wahre Lieb/ und andere Tugenten in groſſer Anzahl: auß ſelbiger wird auch endlich die gewiſſe und unbetriegliche Erwartung deß ewigen Lebens gebohren. Alſo redet der ob- gemeldte Vatter in der Vorrede der geiſtlichen Perle. Welches dann der H. Papſt Leo mit dieſen Worten bekraͤfftiget: Hoͤret/ und nemmet war das allerhoͤchſte Geheimnuß der Goͤttlichen Barm- hertzigkeit: dieweilen alda eine gewiſſe und ſichere Er- wartung der verſprochenen Seeligkeit vorhanden iſt/ al- wo die Gemeinſchafft deß Leydens Chriſti gefunden wird. Wann wir nun dieſes Leyden durch eine auffmerckſame Betrachtung uns ſelbſten mittheilen; ſo koͤnnen wir uns verſichern/ daß wir krafft deſſen/ ungezweifflet zu den himmliſchen Freuden uns naͤheren. Es iſt gewiß/ ſagt der gelehrte Origenes/ das keine Sůnd bey den Menſchen herrſchen koͤnne/ wann er den Todt Chriſti in ſeinem Her- tzen herumb tragt: dann eine ſo groſſe Gewalt hat das Creutz/ daß/ wann ſelbiges vor die Augen geſetzt/ und im Hertzen trenlich behalten wird; alſo/ daß der Menſch den Todt ſeines HErrn mit geiſtlichem Fůrwitz beſchaue; keine boͤſe Begierd/ keine Geilheit/ keine Vngedult/ keine Mißgunſt koͤnne ůberhand nehmen/ ſondern werde in deſſen Gegenwart das gantze Kriegs-Heer der Sůnden und deß Fleiſches in die Flucht geſchlagen. Apud. Fabr. Conc. 6. in Dom. Paſſ. 2. Weiters hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ den H. Bonaventuram/ der dir alſo zuredet: wilſtu/ O Menſch/ von Tugend zu Tugend/ von einer Gnad zur anderen/ und vom Guten zum Beſſeren ſchreiten/ ſo betrachte taͤglich das Leyden Chriſti mit moͤglicher Andacht: dann dieſe veraͤndert das Hertz/ und macht ſelbiges nicht allein Engliſch; ſonderen auch Goͤttlich: zumalen nichts alſo in der Seelen verurſachet eine allgemeine Heiligung/ wie die Betrachtung deß Leydens Chriſti. Neben dieſem iſt der H. Albertus Magnus der Meinung/ daß auch die einfaͤltige Gedaͤchtnuß oder Betrach- tung dieſes bitteren Leyden bey Gott hoͤher geſchaͤtzt werde/ als wann einer ein gantzes Jahr lang in Waſſer und Brod faſtete/ und ſich alle Freytag biſt zum Blut diſciplinirte/ oder taͤglich den Pſalter bettete. Deſſen Urſach der Gottſelige Ludovicus de Ponte gibt mit folgenden Worten: dieweilen die vorgemelte Werck/ ob ſie ſchon ſehr gut und nuͤtzlich ſeynd; ſo haben ſie doch keine ſolche Krafft/ das Hertz von ſeinen Laſteren zu ſauberen/ mit Warheiten und Tract. de Sacr. Miſt. 4. P. In- trod. ad Med.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/510
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/510>, abgerufen am 18.05.2024.