Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Ergebung in den Willen Gottes. gelebt habe. Taulerus sagt abermahl: GOtt wolle dich beglückseeligen.Der Bettler antwortet/ und sagt; er wisse nicht was Widerwärtigkeit/ und was Armseeligkeit seye. Taulerus widerholet seinen vorigen Wunsch und spricht: ich sage; GOtt wolle dich beglückseeligen. Und ich antworte dir/ sagt der Bettler/ daß ich niemahlen unglückseelig gewesen seye. Taulerus sagt weiters/ damit er den Bettler genau erforschen mögte; ich wünsche/ daß dir alles widerfahre/ was du verlangest. Der Bettler antwortet; mir gehet alles nach meinem Wünsch von statten. So bistu dan/ sagt Tau- lerus unter den Armseeligen allein glückseelig; du bist villeicht von der Regul deß Jobs allein außgeschlossen; der da spricht: Der Mensch vom Weibe gebohren/ wird mit vielem Elend erfullet. Also ists/ sagt der Bettler/ wie ich gesagt hab/ daß ich bißhero keinen unglück- seeligen Tag gelebt habe/ und mit dem Stand/ in den mich GOtt gesetzt hat/ zu frieden seye. Jch brauch keine Glückseeligkeit/ dieweil ich im- mer glückseelig bin: dann ich hab allzeit/ was ich will: derhalben sag ich/ daß ich mich keines unglückseeligen Tags erinnere. Wann mich der Hun- ger plaget/ so lobe ich GOtt als einen fürsichtigen Vatter. Wann mich die Kälte stränget/ die Hitze mich brennet/ und fort andere Ubeln mir zu- setzen/ so preyse ich ebenfals meinen GOtt. Wann mich schon einer ver- wirfft und verachtet; so lasse ich dennoch nicht ab den HErrn zu loben: dann ich versichert bin/ daß nicht das Glück/ weder auch ein unvermuthlicher Zu- fall; sondern GOtt dieses alles ein Urheber seye/ und könne das/ was GOtt thuet/ nicht anders als sehr gut seyn So komme dann über mich was immer wolle; es ist mir alles sehr lieb und angenehm/ und ich nehme solches mit fröligem Hertzen von der Hand GOttes/ als meines allerlieb- sten und weisesten Vatters an: was da immer GOtt will/ daß will ich auch; dahero gerathet mir alles/ wie ichs wünsche. Der ist fürwahr arm und unglückseelig/ welcher vermeinet/ daß er der Fortün unterworf- fen seye. Dieß ist die wahre Glückseeligkeit deß gegenwärtigen Lebens; daß man dem Willen GOttes unabläßlich anhange. Der allergerech- teste und gütigste Will GOttes kan niemahl verbessert/ niemahl verschlim- mert/ und niemahl böß werden. Diesem Willen folge ich mit allen mö- glichen Fleiß und Sorge; auff daß ich nemblich allzeit wolle/ was GOtt wilt: und indem ich solches will/ vermeine ich/ daß ich zumahlen glückseelig seye. Hierauff hat der obgemeldte Taulerus diesen Menschen gefragt und seyn/ U u 3
Von der Ergebung in den Willen Gottes. gelebt habe. Taulerus ſagt abermahl: GOtt wolle dich begluͤckſeeligen.Der Bettler antwortet/ und ſagt; er wiſſe nicht was Widerwaͤrtigkeit/ und was Armſeeligkeit ſeye. Taulerus widerholet ſeinen vorigen Wunſch und ſpricht: ich ſage; GOtt wolle dich begluͤckſeeligen. Und ich antworte dir/ ſagt der Bettler/ daß ich niemahlen ungluͤckſeelig geweſen ſeye. Taulerus ſagt weiters/ damit er den Bettler genau erforſchen moͤgte; ich wuͤnſche/ daß dir alles widerfahre/ was du verlangeſt. Der Bettler antwortet; mir gehet alles nach meinem Wuͤnſch von ſtatten. So biſtu dan/ ſagt Tau- lerus unter den Armſeeligen allein gluͤckſeelig; du biſt villeicht von der Regul deß Jobs allein außgeſchloſſen; der da ſpricht: Der Menſch vom Weibe gebohren/ wird mit vielem Elend erfůllet. Alſo iſts/ ſagt der Bettler/ wie ich geſagt hab/ daß ich bißhero keinen ungluͤck- ſeeligen Tag gelebt habe/ und mit dem Stand/ in den mich GOtt geſetzt hat/ zu frieden ſeye. Jch brauch keine Gluͤckſeeligkeit/ dieweil ich im- mer gluͤckſeelig bin: dann ich hab allzeit/ was ich will: derhalben ſag ich/ daß ich mich keines ungluͤckſeeligen Tags erinnere. Wann mich der Hun- ger plaget/ ſo lobe ich GOtt als einen fuͤrſichtigen Vatter. Wann mich die Kaͤlte ſtraͤnget/ die Hitze mich brennet/ und fort andere Ubeln mir zu- ſetzen/ ſo preyſe ich ebenfals meinen GOtt. Wann mich ſchon einer ver- wirfft und verachtet; ſo laſſe ich dennoch nicht ab den HErrn zu loben: dann ich verſichert bin/ daß nicht das Gluͤck/ weder auch ein unvermuthlicher Zu- fall; ſondern GOtt dieſes alles ein Urheber ſeye/ und koͤnne das/ was GOtt thuet/ nicht anders als ſehr gut ſeyn So komme dann uͤber mich was immer wolle; es iſt mir alles ſehr lieb und angenehm/ und ich nehme ſolches mit froͤligem Hertzen von der Hand GOttes/ als meines allerlieb- ſten und weiſeſten Vatters an: was da immer GOtt will/ daß will ich auch; dahero gerathet mir alles/ wie ichs wuͤnſche. Der iſt fuͤrwahr arm und ungluͤckſeelig/ welcher vermeinet/ daß er der Fortuͤn unterworf- fen ſeye. Dieß iſt die wahre Gluͤckſeeligkeit deß gegenwaͤrtigen Lebens; daß man dem Willen GOttes unablaͤßlich anhange. Der allergerech- teſte und guͤtigſte Will GOttes kan niemahl verbeſſert/ niemahl verſchlim- mert/ und niemahl boͤß werden. Dieſem Willen folge ich mit allen moͤ- glichen Fleiß und Sorge; auff daß ich nemblich allzeit wolle/ was GOtt wilt: und indem ich ſolches will/ vermeine ich/ daß ich zumahlen gluͤckſeelig ſeye. Hierauff hat der obgemeldte Taulerus dieſen Menſchen gefragt und ſeyn/ U u 3
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Von der Ergebung in den Willen Gottes.
gelebt habe. Taulerus ſagt abermahl: GOtt wolle dich begluͤckſeeligen.
Der Bettler antwortet/ und ſagt; er wiſſe nicht was Widerwaͤrtigkeit/ und
was Armſeeligkeit ſeye. Taulerus widerholet ſeinen vorigen Wunſch und
ſpricht: ich ſage; GOtt wolle dich begluͤckſeeligen. Und ich antworte dir/
ſagt der Bettler/ daß ich niemahlen ungluͤckſeelig geweſen ſeye. Taulerus
ſagt weiters/ damit er den Bettler genau erforſchen moͤgte; ich wuͤnſche/
daß dir alles widerfahre/ was du verlangeſt. Der Bettler antwortet; mir
gehet alles nach meinem Wuͤnſch von ſtatten. So biſtu dan/ ſagt Tau-
lerus unter den Armſeeligen allein gluͤckſeelig; du biſt villeicht von der Regul
deß Jobs allein außgeſchloſſen; der da ſpricht: Der Menſch vom
Weibe gebohren/ wird mit vielem Elend erfůllet. Alſo
iſts/ ſagt der Bettler/ wie ich geſagt hab/ daß ich bißhero keinen ungluͤck-
ſeeligen Tag gelebt habe/ und mit dem Stand/ in den mich GOtt geſetzt
hat/ zu frieden ſeye. Jch brauch keine Gluͤckſeeligkeit/ dieweil ich im-
mer gluͤckſeelig bin: dann ich hab allzeit/ was ich will: derhalben ſag ich/
daß ich mich keines ungluͤckſeeligen Tags erinnere. Wann mich der Hun-
ger plaget/ ſo lobe ich GOtt als einen fuͤrſichtigen Vatter. Wann mich
die Kaͤlte ſtraͤnget/ die Hitze mich brennet/ und fort andere Ubeln mir zu-
ſetzen/ ſo preyſe ich ebenfals meinen GOtt. Wann mich ſchon einer ver-
wirfft und verachtet; ſo laſſe ich dennoch nicht ab den HErrn zu loben: dann
ich verſichert bin/ daß nicht das Gluͤck/ weder auch ein unvermuthlicher Zu-
fall; ſondern GOtt dieſes alles ein Urheber ſeye/ und koͤnne das/ was
GOtt thuet/ nicht anders als ſehr gut ſeyn So komme dann uͤber mich
was immer wolle; es iſt mir alles ſehr lieb und angenehm/ und ich nehme
ſolches mit froͤligem Hertzen von der Hand GOttes/ als meines allerlieb-
ſten und weiſeſten Vatters an: was da immer GOtt will/ daß will ich
auch; dahero gerathet mir alles/ wie ichs wuͤnſche. Der iſt fuͤrwahr
arm und ungluͤckſeelig/ welcher vermeinet/ daß er der Fortuͤn unterworf-
fen ſeye. Dieß iſt die wahre Gluͤckſeeligkeit deß gegenwaͤrtigen Lebens;
daß man dem Willen GOttes unablaͤßlich anhange. Der allergerech-
teſte und guͤtigſte Will GOttes kan niemahl verbeſſert/ niemahl verſchlim-
mert/ und niemahl boͤß werden. Dieſem Willen folge ich mit allen moͤ-
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wilt: und indem ich ſolches will/ vermeine ich/ daß ich zumahlen gluͤckſeelig
ſeye.
Hierauff hat der obgemeldte Taulerus dieſen Menſchen gefragt und
geſagt: bekenne mir mein guter Freund/ wolteſtu auch alſo beſchaffen
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/369>, abgerufen am 17.02.2025. |