Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Siebenzehente Geistliche Lection


Die Siebenzehende Geistliche
LECTION
Von dem Stillschweigen.
Isa. 30. 15.In Silentio & in spe erit fortitudo vestra.
Jn der Stille und in der Hoffnung wird ewere Stär-
cke seyn.

Der Erste Theil.

1. WAnn du/ mein liebe Christliche Seel/ die kostbahre und unschätz-
bahre Perl der wahren Demuth dir zu erwerben verlangest; so
da ist (wie vorhin gnugsamb er wiesen worden) ein rechtes und
unbetriegliches Pfand der Heiligkeit; wann du selbige Tugend in Warheit
zu besitzen trachtest; so ist dir nichts so hochnöthig/ als daß du einer gar ge-
nauen und schier Eremitischen Stillschweigung dich befleissest: zumahlen
die Stillschweigung eine unter stützte Säul ist deß Geistlichen Lebens/ ohne
welche gar leichtlich die Clösterliche Disciplin und Ordens- Satzungen zu
Bodem fallen: sie ist auch eine Erhalterin und Vermehrerin der innerlichen
Andacht; weilen diese ihren Liebhaber zur Liebe Gottes entzündet/ und den Eyf-
fer deß Hertzens ernähret und ver grösseret/ wie der gottselige Thomas a Kem-
pis
sagt in einer Ermahnung an die Novitzen: Jn keinem Orden wird Fried
und unordentliches Leben bestehen/ wann die Auffsicht deß Stillschweigens/
eine Freundin der Ruhe/ und eine Nahrung der Andacht daselbsten feyret.

2. Weiters sagt der H. Diadochus; daß die Stillsehweigung seye zumah-
In. lib.
P. P. tom.
3. lib de
Pers. c.
7
len ein treffliche Sach/ und nichts anders/ als eine Mutter der allerweisesten
Gedancken. Wer ist doch jemahlen mit guten und himmlischen Gedancken
erfüllet gewesen/ der nach seinem Belieben die Stillschweigung zu brechen/
und müssige Wort auß Unbedachtsambkeit zu reden sich gewohnet hat? nie-
mand fürwahr: dahero sagt die H. Schrifft: Soll man einem Mann
Job. 11. v.
2.
recht geben/ der reich von Worten ist? Diese Frag beantwortet

der
Die Siebenzehente Geiſtliche Lection


Die Siebenzehende Geiſtliche
LECTION
Von dem Stillſchweigen.
Iſa. 30. 15.In Silentio & in ſpe erit fortitudo veſtra.
Jn der Stille und in der Hoffnung wird ewere Staͤr-
cke ſeyn.

Der Erſte Theil.

1. WAnn du/ mein liebe Chriſtliche Seel/ die koſtbahre und unſchaͤtz-
bahre Perl der wahren Demuth dir zu erwerben verlangeſt; ſo
da iſt (wie vorhin gnugſamb er wieſen worden) ein rechtes und
unbetriegliches Pfand der Heiligkeit; wann du ſelbige Tugend in Warheit
zu beſitzen trachteſt; ſo iſt dir nichts ſo hochnoͤthig/ als daß du einer gar ge-
nauen und ſchier Eremitiſchen Stillſchweigung dich befleiſſeſt: zumahlen
die Stillſchweigung eine unter ſtuͤtzte Saͤul iſt deß Geiſtlichen Lebens/ ohne
welche gar leichtlich die Cloͤſterliche Diſciplin und Ordens- Satzungen zu
Bodem fallen: ſie iſt auch eine Erhalterin und Vermehrerin der innerlichen
Andacht; weilen dieſe ihren Liebhaber zur Liebe Gottes entzuͤndet/ und den Eyf-
fer deß Hertzens ernaͤhret und ver groͤſſeret/ wie der gottſelige Thomas à Kem-
pis
ſagt in einer Ermahnung an die Novitzen: Jn keinem Orden wird Fried
und unordentliches Leben beſtehen/ wann die Auffſicht deß Stillſchweigens/
eine Freundin der Ruhe/ und eine Nahrung der Andacht daſelbſten feyret.

2. Weiters ſagt der H. Diadochus; daß die Stillſehweigung ſeye zumah-
In. lib.
P. P. tom.
3. lib de
Perſ. c.
7
len ein treffliche Sach/ und nichts anders/ als eine Mutter der allerweiſeſten
Gedancken. Wer iſt doch jemahlen mit guten und himmliſchen Gedancken
erfuͤllet geweſen/ der nach ſeinem Belieben die Stillſchweigung zu brechen/
und muͤſſige Wort auß Unbedachtſambkeit zu reden ſich gewohnet hat? nie-
mand fuͤrwahr: dahero ſagt die H. Schrifft: Soll man einem Mann
Job. 11. v.
2.
recht geben/ der reich von Worten iſt? Dieſe Frag beantwortet

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0232" n="204"/>
      <fw place="top" type="header">Die Siebenzehente Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Die Siebenzehende Gei&#x017F;tliche<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">LECTION</hi></hi><lb/>
Von dem Still&#x017F;chweigen.</hi> </head><lb/>
        <note place="left"><hi rendition="#aq">I&#x017F;a.</hi> 30. 15.</note>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">In Silentio &amp; in &#x017F;pe erit fortitudo ve&#x017F;tra.</hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#fr">Jn der Stille und in der Hoffnung wird ewere Sta&#x0364;r-<lb/>
cke &#x017F;eyn.</hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Er&#x017F;te Theil.</hi> </head><lb/>
          <p>1. <hi rendition="#in">W</hi>Ann du/ mein liebe Chri&#x017F;tliche Seel/ die ko&#x017F;tbahre und un&#x017F;cha&#x0364;tz-<lb/>
bahre Perl der wahren Demuth dir zu erwerben verlange&#x017F;t; &#x017F;o<lb/>
da i&#x017F;t (wie vorhin gnug&#x017F;amb er wie&#x017F;en worden) ein rechtes und<lb/>
unbetriegliches Pfand der Heiligkeit; wann du &#x017F;elbige Tugend in Warheit<lb/>
zu be&#x017F;itzen trachte&#x017F;t; &#x017F;o i&#x017F;t dir nichts &#x017F;o hochno&#x0364;thig/ als daß du einer gar ge-<lb/>
nauen und &#x017F;chier Eremiti&#x017F;chen Still&#x017F;chweigung dich beflei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t: zumahlen<lb/>
die Still&#x017F;chweigung eine unter &#x017F;tu&#x0364;tzte Sa&#x0364;ul i&#x017F;t deß Gei&#x017F;tlichen Lebens/ ohne<lb/>
welche gar leichtlich die Clo&#x0364;&#x017F;terliche <hi rendition="#aq">Di&#x017F;ciplin</hi> und Ordens- Satzungen zu<lb/>
Bodem fallen: &#x017F;ie i&#x017F;t auch eine Erhalterin und Vermehrerin der innerlichen<lb/>
Andacht; weilen die&#x017F;e ihren Liebhaber zur Liebe Gottes entzu&#x0364;ndet/ und den Eyf-<lb/>
fer deß Hertzens erna&#x0364;hret und ver gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eret/ wie der gott&#x017F;elige <hi rendition="#aq">Thomas à Kem-<lb/>
pis</hi> &#x017F;agt in einer Ermahnung an die <hi rendition="#aq">Novi</hi>tzen: Jn keinem Orden wird Fried<lb/>
und unordentliches Leben be&#x017F;tehen/ wann die Auff&#x017F;icht deß Still&#x017F;chweigens/<lb/>
eine Freundin der Ruhe/ und eine Nahrung der Andacht da&#x017F;elb&#x017F;ten feyret.</p><lb/>
          <p>2. Weiters &#x017F;agt der H. <hi rendition="#aq">Diadochus;</hi> daß die Still&#x017F;ehweigung &#x017F;eye zumah-<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">In. lib.<lb/>
P. P. tom.<lb/>
3. lib de<lb/>
Per&#x017F;. c.</hi> 7</note>len ein treffliche Sach/ und nichts anders/ als eine Mutter der allerwei&#x017F;e&#x017F;ten<lb/>
Gedancken. Wer i&#x017F;t doch jemahlen mit guten und himmli&#x017F;chen Gedancken<lb/>
erfu&#x0364;llet gewe&#x017F;en/ der nach &#x017F;einem Belieben die Still&#x017F;chweigung zu brechen/<lb/>
und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Wort auß Unbedacht&#x017F;ambkeit zu reden &#x017F;ich gewohnet hat? nie-<lb/>
mand fu&#x0364;rwahr: dahero &#x017F;agt die H. Schrifft: <hi rendition="#fr">Soll man einem Mann</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Job. 11. v.</hi><lb/>
2.</note><hi rendition="#fr">recht geben/ der reich von Worten i&#x017F;t?</hi> Die&#x017F;e Frag beantwortet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0232] Die Siebenzehente Geiſtliche Lection Die Siebenzehende Geiſtliche LECTION Von dem Stillſchweigen. In Silentio & in ſpe erit fortitudo veſtra. Jn der Stille und in der Hoffnung wird ewere Staͤr- cke ſeyn. Der Erſte Theil. 1. WAnn du/ mein liebe Chriſtliche Seel/ die koſtbahre und unſchaͤtz- bahre Perl der wahren Demuth dir zu erwerben verlangeſt; ſo da iſt (wie vorhin gnugſamb er wieſen worden) ein rechtes und unbetriegliches Pfand der Heiligkeit; wann du ſelbige Tugend in Warheit zu beſitzen trachteſt; ſo iſt dir nichts ſo hochnoͤthig/ als daß du einer gar ge- nauen und ſchier Eremitiſchen Stillſchweigung dich befleiſſeſt: zumahlen die Stillſchweigung eine unter ſtuͤtzte Saͤul iſt deß Geiſtlichen Lebens/ ohne welche gar leichtlich die Cloͤſterliche Diſciplin und Ordens- Satzungen zu Bodem fallen: ſie iſt auch eine Erhalterin und Vermehrerin der innerlichen Andacht; weilen dieſe ihren Liebhaber zur Liebe Gottes entzuͤndet/ und den Eyf- fer deß Hertzens ernaͤhret und ver groͤſſeret/ wie der gottſelige Thomas à Kem- pis ſagt in einer Ermahnung an die Novitzen: Jn keinem Orden wird Fried und unordentliches Leben beſtehen/ wann die Auffſicht deß Stillſchweigens/ eine Freundin der Ruhe/ und eine Nahrung der Andacht daſelbſten feyret. 2. Weiters ſagt der H. Diadochus; daß die Stillſehweigung ſeye zumah- len ein treffliche Sach/ und nichts anders/ als eine Mutter der allerweiſeſten Gedancken. Wer iſt doch jemahlen mit guten und himmliſchen Gedancken erfuͤllet geweſen/ der nach ſeinem Belieben die Stillſchweigung zu brechen/ und muͤſſige Wort auß Unbedachtſambkeit zu reden ſich gewohnet hat? nie- mand fuͤrwahr: dahero ſagt die H. Schrifft: Soll man einem Mann recht geben/ der reich von Worten iſt? Dieſe Frag beantwortet der In. lib. P. P. tom. 3. lib de Perſ. c. 7 Job. 11. v. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/232
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/232>, abgerufen am 24.11.2024.