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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Fünffzehende Geistliche Lection
göttlichen Zorns/ und erfolgter Straffbedeutet die H. Schrifft mit die-
sen Worten: Die Kinder GOttes sahen die Töchter der
Ibid. v. 2.Menschen/ daß sie schön waren/ und nahmen zu Weibern
anß ihnen allen/ welche sie erwähleten.
Dieser ist der Vrsprung
so grossen Ubels/ nemblich deß Ansehen; indem die Kinder GOttes in An-
schauung der Menschen Kinder/ dieses herrlichen Nahmens sich unwürdig/
und folgends zu Schlaven deß Fleisches gemacht haben. Dahero sagte
GOtt: Mein Geist wird nicht ewiglich im Menschen
bleiben/ dann er ist Fleisch.
Also steigt der Todt durch die Fen-
stern der Augen in die Seel deß armen Menschen hinein/ den wir so leicht-
lich abweisen können/ wann wir nur der heylsamen Ermahnung deß weisen
Manns nachzuleben uns gefallen lassen/ der da spricht: Wende dein
Eccl. c. 9.
v.
8.
Angesicht ab von einem geschmuckten Weib/ und siehe nit
umb nach der schönen Gestalt einer frembden: dann umb
der Weiber Schönheit willen seynd viele Leuth zum
Verderben gerathen.
Und wann schon der Mensch durch solchen
Anblick nicht allzeit mit dem David/ Salomon/ Samson und anderen
tödlich sündige/ so stellet er sich doch in grosse Gefahr zu sündigen: welches
mit unzahlbaren Beyspielen könnte bestättiget werden; wann wir uns der
Kürtze zu befleissen/ nicht vorgenommen hätten. Derhalben dann einige
anbeyfüge/ und den Anfang von dem H. Bernardo mache.

11. Dieser Gottseelige und keusche Jüngling hat einsmals auß Unacht-
sambkeit ein wohlgestaltes und außgeputztes Weib etwan mit mehrerm Für-
witz/ als er sonsten pflegte/ besehauet; darauff er dann alsbald eine böse Be-
gierd der fleischlichen Sinnligkeit empfunden; und weilen er wuste/ daß er
selbst durch solches Ansehen diese Ungelegenheit sich verursachet habe/ hat
er sich selbst hierüber auch straffen/ und der künfftigen Gefahr entziehen
wollen; indem er sich in ein Eyß-kaltes Wasser geworffen/ und so lang da-
selbst verharret/ daß er die natürliche Hitze schier verlohren hette/
wann nicht halb todt wäre herauß gezogen worden. Ob wohl nun
diese heroische That das Widerspennige Fleisch mercklich im Zaum
gehalten; so ist doch der Heil. Jüngling durch diesen Schaden vorsichtiger
worden/ und hat der Behutsambkeit der Augen sich dergestalt beflissen/ daß
seines gleichen nicht gefunden worden. Was hat anders den H. Benedi-
etum in die eusserste Gefahr die Keuschheit zu verlieren gesetzt/ als das
stattliche Ansehen eines Römischen Weibs; so ihme dermassen zugesetzt;
das vielleicht wäre ein Leibeigener der Geylheit worden/ wann er nicht sel-

bige

Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
goͤttlichen Zorns/ und erfolgter Straffbedeutet die H. Schrifft mit die-
ſen Worten: Die Kinder GOttes ſahen die Toͤchter der
Ibid. v. 2.Menſchen/ daß ſie ſchoͤn waren/ und nahmen zu Weibern
anß ihnen allen/ welche ſie erwaͤhleten.
Dieſer iſt der Vrſprung
ſo groſſen Ubels/ nemblich deß Anſehen; indem die Kinder GOttes in An-
ſchauung der Menſchen Kinder/ dieſes herrlichen Nahmens ſich unwuͤrdig/
und folgends zu Schlaven deß Fleiſches gemacht haben. Dahero ſagte
GOtt: Mein Geiſt wird nicht ewiglich im Menſchen
bleiben/ dann er iſt Fleiſch.
Alſo ſteigt der Todt durch die Fen-
ſtern der Augen in die Seel deß armen Menſchen hinein/ den wir ſo leicht-
lich abweiſen koͤnnen/ wann wir nur der heylſamen Ermahnung deß weiſen
Manns nachzuleben uns gefallen laſſen/ der da ſpricht: Wende dein
Eccl. c. 9.
v.
8.
Angeſicht ab von einem geſchmuckten Weib/ und ſiehe nit
umb nach der ſchoͤnen Geſtalt einer frembden: dann umb
der Weiber Schoͤnheit willen ſeynd viele Leuth zum
Verderben gerathen.
Und wann ſchon der Menſch durch ſolchen
Anblick nicht allzeit mit dem David/ Salomon/ Samſon und anderen
toͤdlich ſuͤndige/ ſo ſtellet er ſich doch in groſſe Gefahr zu ſuͤndigen: welches
mit unzahlbaren Beyſpielen koͤnnte beſtaͤttiget werden; wann wir uns der
Kuͤrtze zu befleiſſen/ nicht vorgenommen haͤtten. Derhalben dann einige
anbeyfuͤge/ und den Anfang von dem H. Bernardo mache.

11. Dieſer Gottſeelige und keuſche Juͤngling hat einsmals auß Unacht-
ſambkeit ein wohlgeſtaltes und außgeputztes Weib etwan mit mehrerm Fuͤr-
witz/ als er ſonſten pflegte/ beſehauet; darauff er dann alsbald eine boͤſe Be-
gierd der fleiſchlichen Sinnligkeit empfunden; und weilen er wuſte/ daß er
ſelbſt durch ſolches Anſehen dieſe Ungelegenheit ſich verurſachet habe/ hat
er ſich ſelbſt hieruͤber auch ſtraffen/ und der kuͤnfftigen Gefahr entziehen
wollen; indem er ſich in ein Eyß-kaltes Waſſer geworffen/ und ſo lang da-
ſelbſt verharret/ daß er die natuͤrliche Hitze ſchier verlohren hette/
wann nicht halb todt waͤre herauß gezogen worden. Ob wohl nun
dieſe heroiſche That das Widerſpennige Fleiſch mercklich im Zaum
gehalten; ſo iſt doch der Heil. Juͤngling durch dieſen Schaden vorſichtiger
worden/ und hat der Behutſambkeit der Augen ſich dergeſtalt befliſſen/ daß
ſeines gleichen nicht gefunden worden. Was hat anders den H. Benedi-
etum in die euſſerſte Gefahr die Keuſchheit zu verlieren geſetzt/ als das
ſtattliche Anſehen eines Roͤmiſchen Weibs; ſo ihme dermaſſen zugeſetzt;
das vielleicht waͤre ein Leibeigener der Geylheit worden/ wann er nicht ſel-

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[192/0220] Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection goͤttlichen Zorns/ und erfolgter Straffbedeutet die H. Schrifft mit die- ſen Worten: Die Kinder GOttes ſahen die Toͤchter der Menſchen/ daß ſie ſchoͤn waren/ und nahmen zu Weibern anß ihnen allen/ welche ſie erwaͤhleten. Dieſer iſt der Vrſprung ſo groſſen Ubels/ nemblich deß Anſehen; indem die Kinder GOttes in An- ſchauung der Menſchen Kinder/ dieſes herrlichen Nahmens ſich unwuͤrdig/ und folgends zu Schlaven deß Fleiſches gemacht haben. Dahero ſagte GOtt: Mein Geiſt wird nicht ewiglich im Menſchen bleiben/ dann er iſt Fleiſch. Alſo ſteigt der Todt durch die Fen- ſtern der Augen in die Seel deß armen Menſchen hinein/ den wir ſo leicht- lich abweiſen koͤnnen/ wann wir nur der heylſamen Ermahnung deß weiſen Manns nachzuleben uns gefallen laſſen/ der da ſpricht: Wende dein Angeſicht ab von einem geſchmuckten Weib/ und ſiehe nit umb nach der ſchoͤnen Geſtalt einer frembden: dann umb der Weiber Schoͤnheit willen ſeynd viele Leuth zum Verderben gerathen. Und wann ſchon der Menſch durch ſolchen Anblick nicht allzeit mit dem David/ Salomon/ Samſon und anderen toͤdlich ſuͤndige/ ſo ſtellet er ſich doch in groſſe Gefahr zu ſuͤndigen: welches mit unzahlbaren Beyſpielen koͤnnte beſtaͤttiget werden; wann wir uns der Kuͤrtze zu befleiſſen/ nicht vorgenommen haͤtten. Derhalben dann einige anbeyfuͤge/ und den Anfang von dem H. Bernardo mache. Ibid. v. 2. Eccl. c. 9. v. 8. 11. Dieſer Gottſeelige und keuſche Juͤngling hat einsmals auß Unacht- ſambkeit ein wohlgeſtaltes und außgeputztes Weib etwan mit mehrerm Fuͤr- witz/ als er ſonſten pflegte/ beſehauet; darauff er dann alsbald eine boͤſe Be- gierd der fleiſchlichen Sinnligkeit empfunden; und weilen er wuſte/ daß er ſelbſt durch ſolches Anſehen dieſe Ungelegenheit ſich verurſachet habe/ hat er ſich ſelbſt hieruͤber auch ſtraffen/ und der kuͤnfftigen Gefahr entziehen wollen; indem er ſich in ein Eyß-kaltes Waſſer geworffen/ und ſo lang da- ſelbſt verharret/ daß er die natuͤrliche Hitze ſchier verlohren hette/ wann nicht halb todt waͤre herauß gezogen worden. Ob wohl nun dieſe heroiſche That das Widerſpennige Fleiſch mercklich im Zaum gehalten; ſo iſt doch der Heil. Juͤngling durch dieſen Schaden vorſichtiger worden/ und hat der Behutſambkeit der Augen ſich dergeſtalt befliſſen/ daß ſeines gleichen nicht gefunden worden. Was hat anders den H. Benedi- etum in die euſſerſte Gefahr die Keuſchheit zu verlieren geſetzt/ als das ſtattliche Anſehen eines Roͤmiſchen Weibs; ſo ihme dermaſſen zugeſetzt; das vielleicht waͤre ein Leibeigener der Geylheit worden/ wann er nicht ſel- bige

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/220>, abgerufen am 29.03.2024.