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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Achte Geistliche Lection
sonst. Endlich hat Nicephorus mit seiner Gegenwart das Hertz Sapricii zu
erweichen sich unterstanden/ ist zu dessen Behausung kommen/ vor seinen Füs-
sen niedergefallen/ und Vergebung umb Gottes willen gebetten: dieser aber/
obwohl ein Priester/ dannoch ein Bößwicht/ hat seinen Fußfälligen Bruder
und dessen rechtmässige Bitt zumahlen verworffen. O steinenes Hertz! O
barbarisch- und nicht priesterliches Hertz! wie billig hat dich die gerechte
Hand GOttes nachmahlen gezüchtiget!

4. Dieweilen nun bey also beschaffener Sachen die Verfolgung der Kay-
sern gegen die Christglaubige mehr und mehr zugenommen; ist der offt ge-
meldte Sapricius auch als ein Christ gefangen/ und zum Richter geführet
worden/ allwo er bekennet/ daß er ein Christ seye/ und zugleich ein Priester;
und weilen er die Götter anzubetten sich geweigert/ ist er auff die Folterbanck
geworffen/ und sehr grausamlich gepeiniget worden: diese so grimmige und
bittere Tormenten hat er mit solcher Starckmütigkeit erlitten; daß er auch
mit schmäliger Verspottung dem Richter mit diesen Worten zugesprochen:
du hast zwar Gewalt/ diesen Leib zu zerfleisehen; keine Macht aber hast du
meiner Seelen/ so in der Hand meines gecreutzigsten JESU stehet/ den
geringsten Schaden zuzufügen: da nun der gemeldte Richter dieses Priesters
hertzhafften Widerstand/ und die vergebliche Mühewaltung gesehen/ hat er
das Urtheil der Enthauptung über ihn gesprochen. Was machet immittelst
unser gute Nicephorus? dieser/ so bald er vernommen/ daß die Sententz des
Todts über den standhafftigen Martyr gepfählet; hat sich alsbald auffge-
macht; dem nunmehr zum Gerichts-Platz eylenden Sapricio entgegen gan-
gen/ und ist auff öffentlichem Weeg ihme zu Füssen gefallen/ und gesagt: Jch
bitte dich du Blutzeug Christi/ verzeyhe mir/ wann ich dich auß menschlicher
Schwachheit etwan beleidiget habe: Sapricius hat aber hierauff mit keinem
eintzigen Wörtlein geantwortet; derhalben hat Nicephorus durch eine andere
Gassen seinen Weeg abermahl zu selbigem genommen/ und hat mit viel de-
mütigeren und hertzlicheren Worten/ als vorhin/ und mit so freundlichen und
annehmlichen Gebärden/ die so offt gebettene Nachlassung widerholet/ daß
auch die Henckers-Knecht ihu außgelachet/ daß er von einem alsobald sterben-
den Menschen die Vergebung so eyfferig suchete. Das Hertz Sapticii aber
ist unterdessen viel harter als ein Marmorstein geblieben/ und hat durch alles
Bitten und Begehren/ durch so Christliche Demuth und aufferbäuliches
Anhalten deß frommen Necephori nicht können erweichet werden: da er nun
endlich auff dem Gerichts-Platz gestanden/ hat ihm Nicephorus die grosse
Gnad des Allerhöchsten vor Augen gestellet/ daß er so würdia geachtet werde/

durch

Die Achte Geiſtliche Lection
ſonſt. Endlich hat Nicephorus mit ſeiner Gegenwart das Hertz Sapricii zu
erweichen ſich unterſtanden/ iſt zu deſſen Behauſung kommen/ vor ſeinen Fuͤſ-
ſen niedergefallen/ und Vergebung umb Gottes willen gebetten: dieſer aber/
obwohl ein Prieſter/ dannoch ein Boͤßwicht/ hat ſeinen Fußfaͤlligen Bruder
und deſſen rechtmaͤſſige Bitt zumahlen verworffen. O ſteinenes Hertz! O
barbariſch- und nicht prieſterliches Hertz! wie billig hat dich die gerechte
Hand GOttes nachmahlen gezuͤchtiget!

4. Dieweilen nun bey alſo beſchaffener Sachen die Verfolgung der Kay-
ſern gegen die Chriſtglaubige mehr und mehr zugenommen; iſt der offt ge-
meldte Sapricius auch als ein Chriſt gefangen/ und zum Richter gefuͤhret
worden/ allwo er bekennet/ daß er ein Chriſt ſeye/ und zugleich ein Prieſter;
und weilen er die Goͤtter anzubetten ſich geweigert/ iſt er auff die Folterbanck
geworffen/ und ſehr grauſamlich gepeiniget worden: dieſe ſo grimmige und
bittere Tormenten hat er mit ſolcher Starckmuͤtigkeit erlitten; daß er auch
mit ſchmaͤliger Verſpottung dem Richter mit dieſen Worten zugeſprochen:
du haſt zwar Gewalt/ dieſen Leib zu zerfleiſehen; keine Macht aber haſt du
meiner Seelen/ ſo in der Hand meines gecreutzigſten JESU ſtehet/ den
geringſten Schaden zuzufuͤgen: da nun der gemeldte Richter dieſes Prieſters
hertzhafften Widerſtand/ und die vergebliche Muͤhewaltung geſehen/ hat er
das Urtheil der Enthauptung uͤber ihn geſprochen. Was machet immittelſt
unſer gute Nicephorus? dieſer/ ſo bald er vernommen/ daß die Sententz des
Todts uͤber den ſtandhafftigen Martyr gepfaͤhlet; hat ſich alsbald auffge-
macht; dem nunmehr zum Gerichts-Platz eylenden Sapricio entgegen gan-
gen/ und iſt auff oͤffentlichem Weeg ihme zu Fuͤſſen gefallen/ und geſagt: Jch
bitte dich du Blutzeug Chriſti/ verzeyhe mir/ wann ich dich auß menſchlicher
Schwachheit etwan beleidiget habe: Sapricius hat aber hierauff mit keinem
eintzigen Woͤrtlein geantwortet; derhalben hat Nicephorus durch eine andere
Gaſſen ſeinen Weeg abermahl zu ſelbigem genommen/ und hat mit viel de-
muͤtigeren und hertzlicheren Worten/ als vorhin/ und mit ſo freundlichen und
annehmlichen Gebaͤrden/ die ſo offt gebettene Nachlaſſung widerholet/ daß
auch die Henckers-Knecht ihu außgelachet/ daß er von einem alſobald ſterben-
den Menſchen die Vergebung ſo eyfferig ſuchete. Das Hertz Sapticii aber
iſt unterdeſſen viel harter als ein Marmorſtein geblieben/ und hat durch alles
Bitten und Begehren/ durch ſo Chriſtliche Demuth und aufferbaͤuliches
Anhalten deß frommen Necephori nicht koͤnnen erweichet werden: da er nun
endlich auff dem Gerichts-Platz geſtanden/ hat ihm Nicephorus die groſſe
Gnad des Allerhoͤchſten vor Augen geſtellet/ daß er ſo wuͤrdia geachtet werde/

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[76/0104] Die Achte Geiſtliche Lection ſonſt. Endlich hat Nicephorus mit ſeiner Gegenwart das Hertz Sapricii zu erweichen ſich unterſtanden/ iſt zu deſſen Behauſung kommen/ vor ſeinen Fuͤſ- ſen niedergefallen/ und Vergebung umb Gottes willen gebetten: dieſer aber/ obwohl ein Prieſter/ dannoch ein Boͤßwicht/ hat ſeinen Fußfaͤlligen Bruder und deſſen rechtmaͤſſige Bitt zumahlen verworffen. O ſteinenes Hertz! O barbariſch- und nicht prieſterliches Hertz! wie billig hat dich die gerechte Hand GOttes nachmahlen gezuͤchtiget! 4. Dieweilen nun bey alſo beſchaffener Sachen die Verfolgung der Kay- ſern gegen die Chriſtglaubige mehr und mehr zugenommen; iſt der offt ge- meldte Sapricius auch als ein Chriſt gefangen/ und zum Richter gefuͤhret worden/ allwo er bekennet/ daß er ein Chriſt ſeye/ und zugleich ein Prieſter; und weilen er die Goͤtter anzubetten ſich geweigert/ iſt er auff die Folterbanck geworffen/ und ſehr grauſamlich gepeiniget worden: dieſe ſo grimmige und bittere Tormenten hat er mit ſolcher Starckmuͤtigkeit erlitten; daß er auch mit ſchmaͤliger Verſpottung dem Richter mit dieſen Worten zugeſprochen: du haſt zwar Gewalt/ dieſen Leib zu zerfleiſehen; keine Macht aber haſt du meiner Seelen/ ſo in der Hand meines gecreutzigſten JESU ſtehet/ den geringſten Schaden zuzufuͤgen: da nun der gemeldte Richter dieſes Prieſters hertzhafften Widerſtand/ und die vergebliche Muͤhewaltung geſehen/ hat er das Urtheil der Enthauptung uͤber ihn geſprochen. Was machet immittelſt unſer gute Nicephorus? dieſer/ ſo bald er vernommen/ daß die Sententz des Todts uͤber den ſtandhafftigen Martyr gepfaͤhlet; hat ſich alsbald auffge- macht; dem nunmehr zum Gerichts-Platz eylenden Sapricio entgegen gan- gen/ und iſt auff oͤffentlichem Weeg ihme zu Fuͤſſen gefallen/ und geſagt: Jch bitte dich du Blutzeug Chriſti/ verzeyhe mir/ wann ich dich auß menſchlicher Schwachheit etwan beleidiget habe: Sapricius hat aber hierauff mit keinem eintzigen Woͤrtlein geantwortet; derhalben hat Nicephorus durch eine andere Gaſſen ſeinen Weeg abermahl zu ſelbigem genommen/ und hat mit viel de- muͤtigeren und hertzlicheren Worten/ als vorhin/ und mit ſo freundlichen und annehmlichen Gebaͤrden/ die ſo offt gebettene Nachlaſſung widerholet/ daß auch die Henckers-Knecht ihu außgelachet/ daß er von einem alſobald ſterben- den Menſchen die Vergebung ſo eyfferig ſuchete. Das Hertz Sapticii aber iſt unterdeſſen viel harter als ein Marmorſtein geblieben/ und hat durch alles Bitten und Begehren/ durch ſo Chriſtliche Demuth und aufferbaͤuliches Anhalten deß frommen Necephori nicht koͤnnen erweichet werden: da er nun endlich auff dem Gerichts-Platz geſtanden/ hat ihm Nicephorus die groſſe Gnad des Allerhoͤchſten vor Augen geſtellet/ daß er ſo wuͤrdia geachtet werde/ durch

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/104>, abgerufen am 25.04.2024.