Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite

sitzet zum allertieffesten in der Höll.
und er hatte sieben Stern in seiner rechten Hand/ und aus seinem
Mund gieng ein scharpffes zweyschneidiges Schwerdt heraus/ und
sein Angesicht war/ als wann die Sonn scheinet in ihrer Krafft/ etc.
Praecinctum ad mamillas zona aurea, unter andern hab ich
Johannes auch gesehen/ daß sein Brust mit einer guldenen Gür-
tel verschlossen; durch welches wurde angedeutet/ daß am Jüng-
sten Tag der Göttliche Richter/ sein vorhin so gütiges Hertz/
völlig und auf ewig/ den Verlohrnen/ werde zuschliessen/ und
nicht einmal auf einen Augenblick eröffnen/ und nicht einmal ein
Haar von seinem Sententz auf ewig nachlassen/ nicht einmal
mit der vorgenommenen Straff nur einen Augenblick dispensi-
ren in alle Ewigkeit. O JESU Maria! gar kein Pausa,
gar kein einige Pausa.

Es ist nicht gar lang/ daß sich im Welschland folgende er-
schröckliche Geschicht begeben. Ein Adeliche und reiche Frau führ-
te ein sehr frommen und auferbaulichen Wandel/ war freygebig
gegen den Armen/ und dem Gebet und Andacht sonderbar erge-
ben; nach dem sie mit Todt abgangen/ hat sie keinen anderen
Erben hinterlassen/ als ein einige Tochter/ und zwar ein Kind/
so nicht allein Gestalt halber/ sondern vorderist Tugend halber
wol beschaffen war/ welche neben andern Gottseeligen Wercken/
auch sehr gern für die Todte und Abgestorbene gebetet/ insonderheit
aber für ihre liebste Mutter. Als diese Tochter etliche Wochen
nach dem Todt der Frau Mutter einmal gantz allein in der Stu-
ben war/ da erblickt sie ein erschröckliches Abentheuer bey der Thür/
so fast gleich einer wilden und geschundenen Sau/ voller Gestanck
und Unflath; die Tochter thät sich billich hierüber höchst entrüsten/
und wolte die Flucht so gar vom Fenster hinunter nehmen/ aber das
Gespengst redet sie mit folgenden Worten an: Stehe still/ und wei-
che nicht/ O Tochter! ich bin dein unglückseelige Mutter/ ob ich
schon einen frommen und untadelhafften Wandel geführet auf Er-
den/ so bin ich gleichwol ewig verdammt/ weil ich mit deinem Vat-
ter etliche abscheuliche Sünden begangen/ die aus Schamhaff-

tigkeit
Pars IV. Y y y

ſitzet zum allertieffeſten in der Hoͤll.
und er hatte ſieben Stern in ſeiner rechten Hand/ und aus ſeinem
Mund gieng ein ſcharpffes zweyſchneidiges Schwerdt heraus/ und
ſein Angeſicht war/ als wann die Sonn ſcheinet in ihrer Krafft/ ꝛc.
Præcinctum ad mamillas zona aurea, unter andern hab ich
Johannes auch geſehen/ daß ſein Bruſt mit einer guldenen Guͤr-
tel verſchloſſen; durch welches wurde angedeutet/ daß am Juͤng-
ſten Tag der Goͤttliche Richter/ ſein vorhin ſo guͤtiges Hertz/
voͤllig und auf ewig/ den Verlohrnen/ werde zuſchlieſſen/ und
nicht einmal auf einen Augenblick eroͤffnen/ und nicht einmal ein
Haar von ſeinem Sententz auf ewig nachlaſſen/ nicht einmal
mit der vorgenommenen Straff nur einen Augenblick diſpenſi-
ren in alle Ewigkeit. O JESU Maria! gar kein Pauſa,
gar kein einige Pauſa.

Es iſt nicht gar lang/ daß ſich im Welſchland folgende er-
ſchroͤckliche Geſchicht begeben. Ein Adeliche und reiche Frau fuͤhr-
te ein ſehr frommen und auferbaulichen Wandel/ war freygebig
gegen den Armen/ und dem Gebet und Andacht ſonderbar erge-
ben; nach dem ſie mit Todt abgangen/ hat ſie keinen anderen
Erben hinterlaſſen/ als ein einige Tochter/ und zwar ein Kind/
ſo nicht allein Geſtalt halber/ ſondern vorderiſt Tugend halber
wol beſchaffen war/ welche neben andern Gottſeeligen Wercken/
auch ſehr gern fuͤr die Todte und Abgeſtorbene gebetet/ inſonderheit
aber fuͤr ihre liebſte Mutter. Als dieſe Tochter etliche Wochen
nach dem Todt der Frau Mutter einmal gantz allein in der Stu-
ben war/ da erblickt ſie ein erſchroͤckliches Abentheuer bey der Thuͤr/
ſo faſt gleich einer wilden und geſchundenen Sau/ voller Geſtanck
und Unflath; die Tochter thaͤt ſich billich hieruͤber hoͤchſt entruͤſten/
und wolte die Flucht ſo gar vom Fenſter hinunter nehmen/ aber das
Geſpengſt redet ſie mit folgenden Worten an: Stehe ſtill/ und wei-
che nicht/ O Tochter! ich bin dein ungluͤckſeelige Mutter/ ob ich
ſchon einen frommen und untadelhafften Wandel gefuͤhret auf Er-
den/ ſo bin ich gleichwol ewig verdammt/ weil ich mit deinem Vat-
ter etliche abſcheuliche Suͤnden begangen/ die aus Schamhaff-

tigkeit
Pars IV. Y y y
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0549" n="521[537]"/><fw type="header" place="top">&#x017F;itzet zum allertieffe&#x017F;ten in der Ho&#x0364;ll.</fw><lb/>
und er hatte &#x017F;ieben Stern in &#x017F;einer rechten Hand/ und aus &#x017F;einem<lb/>
Mund gieng ein &#x017F;charpffes zwey&#x017F;chneidiges Schwerdt heraus/ und<lb/>
&#x017F;ein Ange&#x017F;icht war/ als wann die Sonn &#x017F;cheinet in ihrer Krafft/ &#xA75B;c.<lb/><hi rendition="#aq">Præcinctum ad mamillas zona aurea,</hi> unter andern hab ich<lb/>
Johannes auch ge&#x017F;ehen/ daß &#x017F;ein Bru&#x017F;t mit einer guldenen Gu&#x0364;r-<lb/>
tel ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; durch welches wurde angedeutet/ daß am Ju&#x0364;ng-<lb/>
&#x017F;ten Tag der Go&#x0364;ttliche Richter/ &#x017F;ein vorhin &#x017F;o gu&#x0364;tiges Hertz/<lb/>
vo&#x0364;llig und auf ewig/ den Verlohrnen/ werde zu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ und<lb/>
nicht einmal auf einen Augenblick ero&#x0364;ffnen/ und nicht einmal ein<lb/>
Haar von &#x017F;einem Sententz auf ewig nachla&#x017F;&#x017F;en/ nicht einmal<lb/>
mit der vorgenommenen Straff nur einen Augenblick <hi rendition="#aq">di&#x017F;pen&#x017F;i-</hi><lb/>
ren in alle Ewigkeit. O <hi rendition="#g">JESU</hi> Maria! gar kein <hi rendition="#aq">Pau&#x017F;a,</hi><lb/>
gar kein einige <hi rendition="#aq">Pau&#x017F;a.</hi></p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t nicht gar lang/ daß &#x017F;ich im Wel&#x017F;chland folgende er-<lb/>
&#x017F;chro&#x0364;ckliche Ge&#x017F;chicht begeben. Ein Adeliche und reiche Frau fu&#x0364;hr-<lb/>
te ein &#x017F;ehr frommen und auferbaulichen Wandel/ war freygebig<lb/>
gegen den Armen/ und dem Gebet und Andacht &#x017F;onderbar erge-<lb/>
ben; nach dem &#x017F;ie mit Todt abgangen/ hat &#x017F;ie keinen anderen<lb/>
Erben hinterla&#x017F;&#x017F;en/ als ein einige Tochter/ und zwar ein Kind/<lb/>
&#x017F;o nicht allein Ge&#x017F;talt halber/ &#x017F;ondern vorderi&#x017F;t Tugend halber<lb/>
wol be&#x017F;chaffen war/ welche neben andern Gott&#x017F;eeligen Wercken/<lb/>
auch &#x017F;ehr gern fu&#x0364;r die Todte und Abge&#x017F;torbene gebetet/ in&#x017F;onderheit<lb/>
aber fu&#x0364;r ihre lieb&#x017F;te Mutter. Als die&#x017F;e Tochter etliche Wochen<lb/>
nach dem Todt der Frau Mutter einmal gantz allein in der Stu-<lb/>
ben war/ da erblickt &#x017F;ie ein er&#x017F;chro&#x0364;ckliches Abentheuer bey der Thu&#x0364;r/<lb/>
&#x017F;o fa&#x017F;t gleich einer wilden und ge&#x017F;chundenen Sau/ voller Ge&#x017F;tanck<lb/>
und Unflath; die Tochter tha&#x0364;t &#x017F;ich billich hieru&#x0364;ber ho&#x0364;ch&#x017F;t entru&#x0364;&#x017F;ten/<lb/>
und wolte die Flucht &#x017F;o gar vom Fen&#x017F;ter hinunter nehmen/ aber das<lb/>
Ge&#x017F;peng&#x017F;t redet &#x017F;ie mit folgenden Worten an: Stehe &#x017F;till/ und wei-<lb/>
che nicht/ O Tochter! ich bin dein unglu&#x0364;ck&#x017F;eelige Mutter/ ob ich<lb/>
&#x017F;chon einen frommen und untadelhafften Wandel gefu&#x0364;hret auf Er-<lb/>
den/ &#x017F;o bin ich gleichwol ewig verdammt/ weil ich mit deinem Vat-<lb/>
ter etliche ab&#x017F;cheuliche Su&#x0364;nden begangen/ die aus Schamhaff-<lb/>
<fw type="sig" place="bottom"><hi rendition="#aq">Pars IV.</hi> Y y y</fw><fw type="catch" place="bottom">tigkeit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521[537]/0549] ſitzet zum allertieffeſten in der Hoͤll. und er hatte ſieben Stern in ſeiner rechten Hand/ und aus ſeinem Mund gieng ein ſcharpffes zweyſchneidiges Schwerdt heraus/ und ſein Angeſicht war/ als wann die Sonn ſcheinet in ihrer Krafft/ ꝛc. Præcinctum ad mamillas zona aurea, unter andern hab ich Johannes auch geſehen/ daß ſein Bruſt mit einer guldenen Guͤr- tel verſchloſſen; durch welches wurde angedeutet/ daß am Juͤng- ſten Tag der Goͤttliche Richter/ ſein vorhin ſo guͤtiges Hertz/ voͤllig und auf ewig/ den Verlohrnen/ werde zuſchlieſſen/ und nicht einmal auf einen Augenblick eroͤffnen/ und nicht einmal ein Haar von ſeinem Sententz auf ewig nachlaſſen/ nicht einmal mit der vorgenommenen Straff nur einen Augenblick diſpenſi- ren in alle Ewigkeit. O JESU Maria! gar kein Pauſa, gar kein einige Pauſa. Es iſt nicht gar lang/ daß ſich im Welſchland folgende er- ſchroͤckliche Geſchicht begeben. Ein Adeliche und reiche Frau fuͤhr- te ein ſehr frommen und auferbaulichen Wandel/ war freygebig gegen den Armen/ und dem Gebet und Andacht ſonderbar erge- ben; nach dem ſie mit Todt abgangen/ hat ſie keinen anderen Erben hinterlaſſen/ als ein einige Tochter/ und zwar ein Kind/ ſo nicht allein Geſtalt halber/ ſondern vorderiſt Tugend halber wol beſchaffen war/ welche neben andern Gottſeeligen Wercken/ auch ſehr gern fuͤr die Todte und Abgeſtorbene gebetet/ inſonderheit aber fuͤr ihre liebſte Mutter. Als dieſe Tochter etliche Wochen nach dem Todt der Frau Mutter einmal gantz allein in der Stu- ben war/ da erblickt ſie ein erſchroͤckliches Abentheuer bey der Thuͤr/ ſo faſt gleich einer wilden und geſchundenen Sau/ voller Geſtanck und Unflath; die Tochter thaͤt ſich billich hieruͤber hoͤchſt entruͤſten/ und wolte die Flucht ſo gar vom Fenſter hinunter nehmen/ aber das Geſpengſt redet ſie mit folgenden Worten an: Stehe ſtill/ und wei- che nicht/ O Tochter! ich bin dein ungluͤckſeelige Mutter/ ob ich ſchon einen frommen und untadelhafften Wandel gefuͤhret auf Er- den/ ſo bin ich gleichwol ewig verdammt/ weil ich mit deinem Vat- ter etliche abſcheuliche Suͤnden begangen/ die aus Schamhaff- tigkeit Pars IV. Y y y

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/549
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 521[537]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/549>, abgerufen am 26.04.2024.