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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Judas sparrt weder Mühe noch Arbeit/
bilden/ aber woher kommt solches? hat er etwan zu viel gefast
wegen GOtt? oder zu viel in Gebet gewacht wegen GOtt?
oder zu keusch gewest wegen GOtt? und GOtt leidt er solches
nicht/ sondern wegen des Teuffels/ dann er hat sich also erzür-
net/ daß ihme die übermässige Cholera solche unermäßliche Cho-
lica
verursacht:

Das Jahr/ sagt einer hab ich in meiner Wirthschafft er-
schröcklich eingebüst/ ich bin über drey Monat im Arrest geses-
sen/ mehrer Solitium und Einsamkeit ausgestanden als ein
Mönch unter dem Pachomio oder Paphnutio, und solcher Zeit
ist mein Gewerb ins defecit kommen/ daß also in meiner Gram-
matica
lauter Caret zu finden; unterdessen hat mein Weib den
Frey-Herrn Stand angetretten/ und hat sich des Luffts bedient/
die doch zuvor auf Schnecken-Art muste zu Haus bleiben; dem
Stadt Richter hab ich müssen hundert Thaler geben/ das Re-
cipisse
bestund in einem Capitel/ dergleichen auch der Heilige
Paulus nie zu den Cretensern geschrieben hat; den Barbierer
hab ich müssen contentiren/ daß ich wol erfahren/ daß er meh-
rer Zug-Pflaster als Kühl-Pflaster gebraucht/ ja wann ich ein
solchen Wund-Artzten hätte gehabt/ wie der Malchus/ deme
Unser Lieber HERR das abgehaute Ohr hat umbsonst ange-
heilt/ so wär ich freylich besser bestanden/ in Summa etliche
hundert Gulden seynd dasmal darauf gangen/ und hab keinen
guten Bissen darfür genossen/ aber wie da? Jch/ sagt er/ hab
mich erzürnt/ und in solchem unbändigen Zorn meinem Die-
ner ein Hand abgehaut/ und sonst also mit ihm verfahren/ daß
er kümmerlich mit dem Leben darvon kommen: O mein Kerl!
mit aller dieser Ausgab hast du die Höll verdienet/ wann du aber
die Heiffte dessen hättest freywillig den Armen gespendiret/ so
wär dir der Himmel gewiß gewest/ so ist dann warhafftig die
Höll theurer als der Himmel/ und der Weeg zu den Lastern
härter als zu den Tugenden.

Jch hab vor sechs Jahren in meiner Romaner Reis auf dem

Floren-

Judas ſparrt weder Muͤhe noch Arbeit/
bilden/ aber woher kommt ſolches? hat er etwan zu viel gefaſt
wegen GOtt? oder zu viel in Gebet gewacht wegen GOtt?
oder zu keuſch geweſt wegen GOtt? und GOtt leidt er ſolches
nicht/ ſondern wegen des Teuffels/ dann er hat ſich alſo erzuͤr-
net/ daß ihme die uͤbermaͤſſige Cholera ſolche unermaͤßliche Cho-
lica
verurſacht:

Das Jahr/ ſagt einer hab ich in meiner Wirthſchafft er-
ſchroͤcklich eingebuͤſt/ ich bin uͤber drey Monat im Arreſt geſeſ-
ſen/ mehrer Solitium und Einſamkeit ausgeſtanden als ein
Moͤnch unter dem Pachomio oder Paphnutio, und ſolcher Zeit
iſt mein Gewerb ins defecit kommen/ daß alſo in meiner Gram-
matica
lauter Caret zu finden; unterdeſſen hat mein Weib den
Frey-Herꝛn Stand angetretten/ und hat ſich des Luffts bedient/
die doch zuvor auf Schnecken-Art muſte zu Haus bleiben; dem
Stadt Richter hab ich muͤſſen hundert Thaler geben/ das Re-
cipiſſe
beſtund in einem Capitel/ dergleichen auch der Heilige
Paulus nie zu den Cretenſern geſchrieben hat; den Barbierer
hab ich muͤſſen contentiren/ daß ich wol erfahren/ daß er meh-
rer Zug-Pflaſter als Kuͤhl-Pflaſter gebraucht/ ja wann ich ein
ſolchen Wund-Artzten haͤtte gehabt/ wie der Malchus/ deme
Unſer Lieber HERR das abgehaute Ohr hat umbſonſt ange-
heilt/ ſo waͤr ich freylich beſſer beſtanden/ in Summa etliche
hundert Gulden ſeynd dasmal darauf gangen/ und hab keinen
guten Biſſen darfuͤr genoſſen/ aber wie da? Jch/ ſagt er/ hab
mich erzuͤrnt/ und in ſolchem unbaͤndigen Zorn meinem Die-
ner ein Hand abgehaut/ und ſonſt alſo mit ihm verfahren/ daß
er kuͤmmerlich mit dem Leben darvon kommen: O mein Kerl!
mit aller dieſer Ausgab haſt du die Hoͤll verdienet/ wann du aber
die Heiffte deſſen haͤtteſt freywillig den Armen geſpendiret/ ſo
waͤr dir der Himmel gewiß geweſt/ ſo iſt dann warhafftig die
Hoͤll theurer als der Himmel/ und der Weeg zu den Laſtern
haͤrter als zu den Tugenden.

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[498/0510] Judas ſparrt weder Muͤhe noch Arbeit/ bilden/ aber woher kommt ſolches? hat er etwan zu viel gefaſt wegen GOtt? oder zu viel in Gebet gewacht wegen GOtt? oder zu keuſch geweſt wegen GOtt? und GOtt leidt er ſolches nicht/ ſondern wegen des Teuffels/ dann er hat ſich alſo erzuͤr- net/ daß ihme die uͤbermaͤſſige Cholera ſolche unermaͤßliche Cho- lica verurſacht: Das Jahr/ ſagt einer hab ich in meiner Wirthſchafft er- ſchroͤcklich eingebuͤſt/ ich bin uͤber drey Monat im Arreſt geſeſ- ſen/ mehrer Solitium und Einſamkeit ausgeſtanden als ein Moͤnch unter dem Pachomio oder Paphnutio, und ſolcher Zeit iſt mein Gewerb ins defecit kommen/ daß alſo in meiner Gram- matica lauter Caret zu finden; unterdeſſen hat mein Weib den Frey-Herꝛn Stand angetretten/ und hat ſich des Luffts bedient/ die doch zuvor auf Schnecken-Art muſte zu Haus bleiben; dem Stadt Richter hab ich muͤſſen hundert Thaler geben/ das Re- cipiſſe beſtund in einem Capitel/ dergleichen auch der Heilige Paulus nie zu den Cretenſern geſchrieben hat; den Barbierer hab ich muͤſſen contentiren/ daß ich wol erfahren/ daß er meh- rer Zug-Pflaſter als Kuͤhl-Pflaſter gebraucht/ ja wann ich ein ſolchen Wund-Artzten haͤtte gehabt/ wie der Malchus/ deme Unſer Lieber HERR das abgehaute Ohr hat umbſonſt ange- heilt/ ſo waͤr ich freylich beſſer beſtanden/ in Summa etliche hundert Gulden ſeynd dasmal darauf gangen/ und hab keinen guten Biſſen darfuͤr genoſſen/ aber wie da? Jch/ ſagt er/ hab mich erzuͤrnt/ und in ſolchem unbaͤndigen Zorn meinem Die- ner ein Hand abgehaut/ und ſonſt alſo mit ihm verfahren/ daß er kuͤmmerlich mit dem Leben darvon kommen: O mein Kerl! mit aller dieſer Ausgab haſt du die Hoͤll verdienet/ wann du aber die Heiffte deſſen haͤtteſt freywillig den Armen geſpendiret/ ſo waͤr dir der Himmel gewiß geweſt/ ſo iſt dann warhafftig die Hoͤll theurer als der Himmel/ und der Weeg zu den Laſtern haͤrter als zu den Tugenden. Jch hab vor ſechs Jahren in meiner Romaner Reis auf dem Floren-

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/510>, abgerufen am 26.04.2024.