Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite

Die dreyssig Silberling
Nachlaß der Sünden kommen/ wann sie nur hätten wollen/
Invenit tandem mens coeca remedium. Dann unserm lieben
HErrn fast nichts werthers und wolgefälligers ist/ als wann
man sich der Todten annimbt/ und forderist der Abgestorbe-
nen Christglaubigen sich erbarmet/ welche in jener Welt noch
die harte und schwäre Straff deß Fegfeurs haben außzustehen.
Jch glaube zwar wol/ daß dise wenige meine Schrifften auch
den jenigen unter die Augen kommen/ welche das Fegfeur für
ein AEsopisches Gebäu halten; ich waiß mich aber gleichwol zu
entsinnen/ daß ich selbst vor etlich dreyssig Jahren zu Ulm einen
ehrlichen Mann nach langer Ansprach gefragt/ ob sein Vat-
ter noch bey Leben seye? der mir aber fast seufftzender geant-
wort mit Nein/ sondern sein lieber Vatter (tröst ihn GOtt)
also pflegte er zu sagen/ seye bereits vor acht halb Jahren mit
Todt abgangen; nun gedachte ich bey mir zu was diser Wunsch
(tröst ihn GOtt) dienen solle; dann so er in der ewigen Glück-
seeligkeit/ als dann scheint unnöthig ihme solches zu wünschen/
massen er dise allbereit besitzt: ist er aber in der ewigen Ver-
dambnuß/ so ist der Wunsch ebenfalls Fruchtloß und ohne
Nutzen: urtheilet also/ daß solcher löbliche Wunsch einen Ur-
sprung müste haben von uralten Zeiten her/ da man noch an
dem Fegfeur nicht gezweiflet. Zu dessen besseren Liecht setze ich
anbey dise grosse Fackel der Kirchen meinen heiligen Vatter
Augustinum, dessen feuriges Hertz jederzeit ein hertzli-
ches Mitleiden getragen gegen den armen Seelen
im Fegfeur.



Ciet

Die dreyſſig Silberling
Nachlaß der Suͤnden kommen/ wann ſie nur haͤtten wollen/
Invenit tandem mens cœca remedium. Dann unſerm lieben
HErrn faſt nichts werthers und wolgefaͤlligers iſt/ als wann
man ſich der Todten annimbt/ und forderiſt der Abgeſtorbe-
nen Chriſtglaubigen ſich erbarmet/ welche in jener Welt noch
die harte und ſchwaͤre Straff deß Fegfeurs haben außzuſtehen.
Jch glaube zwar wol/ daß diſe wenige meine Schrifften auch
den jenigen unter die Augen kommen/ welche das Fegfeur fuͤr
ein Æſopiſches Gebaͤu halten; ich waiß mich aber gleichwol zu
entſiñen/ daß ich ſelbſt vor etlich dreyſſig Jahren zu Ulm einen
ehrlichen Mann nach langer Anſprach gefragt/ ob ſein Vat-
ter noch bey Leben ſeye? der mir aber faſt ſeufftzender geant-
wort mit Nein/ ſondern ſein lieber Vatter (troͤſt ihn GOtt)
alſo pflegte er zu ſagen/ ſeye bereits vor acht halb Jahren mit
Todt abgangen; nun gedachte ich bey mir zu was diſer Wunſch
(troͤſt ihn GOtt) dienen ſolle; dann ſo er in der ewigen Gluͤck-
ſeeligkeit/ als dann ſcheint unnoͤthig ihme ſolches zu wuͤnſchen/
maſſen er diſe allbereit beſitzt: iſt er aber in der ewigen Ver-
dambnuß/ ſo iſt der Wunſch ebenfalls Fruchtloß und ohne
Nutzen: urtheilet alſo/ daß ſolcher loͤbliche Wunſch einen Ur-
ſprung muͤſte haben von uralten Zeiten her/ da man noch an
dem Fegfeur nicht gezweiflet. Zu deſſen beſſeren Liecht ſetze ich
anbey diſe groſſe Fackel der Kirchen meinen heiligen Vatter
Auguſtinum, deſſen feuriges Hertz jederzeit ein hertzli-
ches Mitleiden getragen gegen den armen Seelen
im Fegfeur.



Ciet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="292"/><fw type="header" place="top">Die drey&#x017F;&#x017F;ig Silberling</fw><lb/>
Nachlaß der <hi rendition="#fr">S</hi>u&#x0364;nden kommen/ wann &#x017F;ie nur ha&#x0364;tten wollen/<lb/><hi rendition="#aq">Invenit tandem mens c&#x0153;ca remedium.</hi> Dann un&#x017F;erm lieben<lb/>
HErrn fa&#x017F;t nichts werthers und wolgefa&#x0364;lligers i&#x017F;t/ als wann<lb/>
man &#x017F;ich der Todten annimbt/ und forderi&#x017F;t der Abge&#x017F;torbe-<lb/>
nen Chri&#x017F;tglaubigen &#x017F;ich erbarmet/ welche in jener Welt noch<lb/>
die harte und &#x017F;chwa&#x0364;re Straff deß Fegfeurs haben außzu&#x017F;tehen.<lb/>
Jch glaube zwar wol/ daß di&#x017F;e wenige meine <hi rendition="#fr">S</hi>chrifften auch<lb/>
den jenigen unter die Augen kommen/ welche das Fegfeur fu&#x0364;r<lb/>
ein <hi rendition="#aq">Æ&#x017F;opi</hi>&#x017F;ches Geba&#x0364;u halten; ich waiß mich aber gleichwol zu<lb/>
ent&#x017F;in&#x0303;en/ daß ich &#x017F;elb&#x017F;t vor etlich drey&#x017F;&#x017F;ig Jahren zu <hi rendition="#fr">U</hi>lm einen<lb/>
ehrlichen Mann nach langer An&#x017F;prach gefragt/ ob &#x017F;ein Vat-<lb/>
ter noch bey Leben &#x017F;eye? der mir aber fa&#x017F;t &#x017F;eufftzender geant-<lb/>
wort mit Nein/ &#x017F;ondern &#x017F;ein lieber Vatter (tro&#x0364;&#x017F;t ihn GOtt)<lb/>
al&#x017F;o pflegte er zu &#x017F;agen/ &#x017F;eye bereits vor acht halb Jahren mit<lb/>
Todt abgangen; nun gedachte ich bey mir zu was di&#x017F;er Wun&#x017F;ch<lb/>
(tro&#x0364;&#x017F;t ihn GOtt) dienen &#x017F;olle; dann &#x017F;o er in der ewigen Glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eeligkeit/ als dann &#x017F;cheint unno&#x0364;thig ihme &#x017F;olches zu wu&#x0364;n&#x017F;chen/<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en er di&#x017F;e allbereit be&#x017F;itzt: i&#x017F;t er aber in der ewigen Ver-<lb/>
dambnuß/ &#x017F;o i&#x017F;t der Wun&#x017F;ch ebenfalls Fruchtloß und ohne<lb/>
Nutzen: urtheilet al&#x017F;o/ daß &#x017F;olcher lo&#x0364;bliche Wun&#x017F;ch einen <hi rendition="#fr">U</hi>r-<lb/>
&#x017F;prung mu&#x0364;&#x017F;te haben von uralten Zeiten her/ da man noch an<lb/>
dem Fegfeur nicht gezweiflet. Zu de&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;&#x017F;eren Liecht &#x017F;etze ich<lb/>
anbey di&#x017F;e gro&#x017F;&#x017F;e Fackel der Kirchen meinen heiligen Vatter<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tinum,</hi> de&#x017F;&#x017F;en feuriges Hertz jederzeit ein hertzli-<lb/>
ches <hi rendition="#fr">M</hi>itleiden getragen gegen den armen Seelen<lb/>
im Fegfeur.</hi></p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw type="catch" place="bottom"> <hi rendition="#aq">Ciet</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0304] Die dreyſſig Silberling Nachlaß der Suͤnden kommen/ wann ſie nur haͤtten wollen/ Invenit tandem mens cœca remedium. Dann unſerm lieben HErrn faſt nichts werthers und wolgefaͤlligers iſt/ als wann man ſich der Todten annimbt/ und forderiſt der Abgeſtorbe- nen Chriſtglaubigen ſich erbarmet/ welche in jener Welt noch die harte und ſchwaͤre Straff deß Fegfeurs haben außzuſtehen. Jch glaube zwar wol/ daß diſe wenige meine Schrifften auch den jenigen unter die Augen kommen/ welche das Fegfeur fuͤr ein Æſopiſches Gebaͤu halten; ich waiß mich aber gleichwol zu entſiñen/ daß ich ſelbſt vor etlich dreyſſig Jahren zu Ulm einen ehrlichen Mann nach langer Anſprach gefragt/ ob ſein Vat- ter noch bey Leben ſeye? der mir aber faſt ſeufftzender geant- wort mit Nein/ ſondern ſein lieber Vatter (troͤſt ihn GOtt) alſo pflegte er zu ſagen/ ſeye bereits vor acht halb Jahren mit Todt abgangen; nun gedachte ich bey mir zu was diſer Wunſch (troͤſt ihn GOtt) dienen ſolle; dann ſo er in der ewigen Gluͤck- ſeeligkeit/ als dann ſcheint unnoͤthig ihme ſolches zu wuͤnſchen/ maſſen er diſe allbereit beſitzt: iſt er aber in der ewigen Ver- dambnuß/ ſo iſt der Wunſch ebenfalls Fruchtloß und ohne Nutzen: urtheilet alſo/ daß ſolcher loͤbliche Wunſch einen Ur- ſprung muͤſte haben von uralten Zeiten her/ da man noch an dem Fegfeur nicht gezweiflet. Zu deſſen beſſeren Liecht ſetze ich anbey diſe groſſe Fackel der Kirchen meinen heiligen Vatter Auguſtinum, deſſen feuriges Hertz jederzeit ein hertzli- ches Mitleiden getragen gegen den armen Seelen im Fegfeur. Ciet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/304
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/304>, abgerufen am 26.04.2024.