Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

sprechend: Freund! worzu bist du kommen?
nit verzeihen/ was er mir gethan. O mein elender Mensch/
so du also beschaffen bist/ seye versichert und vergwist/ daß
dich GOtt nit mag/ du bist von seiner Göttlichen Maje-
stät gäntzlich verworffen um deiner üblen Augen willen/
gleich wie Lia von dem Jacob derenthalben veracht wor-
den/ übel und aber übel seynd deine Augen/ wann du dei-
nen Nechsten/ von dem du etwan einige Unbild empfan-
gen/ nit kanst ansehen/ nit wilst anschauen. Mercke/ was
der Gottseelige und heiligmässige Thomas Kempensis
schreibt von einem/ der auf ein Zeit mit einem Geistlichen
seines Klosters verreist/ unterwegs aber/ wie pflegt zu
geschehen/ allerley Reden geführt/ neben andern sagte der
Weltliche dem Pater, er woll ihm etwas offenbaren/ so
er bishero allzeit in geheim gehalten/ ich/ sprach er/ bin
vor 6. Jahren fast in die 13. Monat nacheinander gleich
andern frommen Catholischen Christen in die Kirchen
gangen/ zu den gewöhnlichen Gottesdiensten/ ein lange
Zeit aber niemalen gesehen das höchste Gut/ die allerhei-
ligste Hostiam, von dem Priester aufwandeln/ wol zwar
hab ich wahrgenommen/ wie der Priester die Händ in die
Höhe gehebt/ aber doch die heiligste Hostien nit darinnen/
welches dann mir erstlich die Meynung gemacht/ als seyeKempens.
in fine suo-
rum ope-
rum.

mein blödes Gesicht daran schuldig/ dessenthalben mich
gantz nahend zu dem Altar begeben/ und zwar auf der
Seiten des Priesters/ aber auch dazumalen den Heyland
JEsum unter der Gestalt des weissen Brods nit können
sehen/ welches mir dann billich allerley Gedancken aufge-
wicklet/ also zwar/ daß ich mein Gewissen etwas genauer/
als sonsten geschehen/ durchsucht/ und endlichen befunden/
daß ich Jahr und Tag gegen einem meinem Nechsten ein
Feindschafft getragen; und mich die rachgierige Sinn-

lich-
Pars III. S s

ſprechend: Freund! worzu biſt du kommen?
nit verzeihen/ was er mir gethan. O mein elender Menſch/
ſo du alſo beſchaffen biſt/ ſeye verſichert und vergwiſt/ daß
dich GOtt nit mag/ du biſt von ſeiner Goͤttlichen Maje-
ſtaͤt gaͤntzlich verworffen um deiner uͤblen Augen willen/
gleich wie Lia von dem Jacob derenthalben veracht wor-
den/ uͤbel und aber uͤbel ſeynd deine Augen/ wann du dei-
nen Nechſten/ von dem du etwan einige Unbild empfan-
gen/ nit kanſt anſehen/ nit wilſt anſchauen. Mercke/ was
der Gottſeelige und heiligmaͤſſige Thomas Kempenſis
ſchreibt von einem/ der auf ein Zeit mit einem Geiſtlichen
ſeines Kloſters verreiſt/ unterwegs aber/ wie pflegt zu
geſchehen/ allerley Reden gefuͤhrt/ neben andern ſagte der
Weltliche dem Pater, er woll ihm etwas offenbaren/ ſo
er bishero allzeit in geheim gehalten/ ich/ ſprach er/ bin
vor 6. Jahren faſt in die 13. Monat nacheinander gleich
andern frommen Catholiſchen Chriſten in die Kirchen
gangen/ zu den gewoͤhnlichen Gottesdienſten/ ein lange
Zeit aber niemalen geſehen das hoͤchſte Gut/ die allerhei-
ligſte Hoſtiam, von dem Prieſter aufwandeln/ wol zwar
hab ich wahrgenommen/ wie der Prieſter die Haͤnd in die
Hoͤhe gehebt/ aber doch die heiligſte Hoſtien nit darinnen/
welches dann mir erſtlich die Meynung gemacht/ als ſeyeKempenſ.
in fine ſuo-
rum ope-
rum.

mein bloͤdes Geſicht daran ſchuldig/ deſſenthalben mich
gantz nahend zu dem Altar begeben/ und zwar auf der
Seiten des Prieſters/ aber auch dazumalen den Heyland
JEſum unter der Geſtalt des weiſſen Brods nit koͤnnen
ſehen/ welches mir dann billich allerley Gedancken aufge-
wicklet/ alſo zwar/ daß ich mein Gewiſſen etwas genauer/
als ſonſten geſchehen/ durchſucht/ und endlichen befunden/
daß ich Jahr und Tag gegen einem meinem Nechſten ein
Feindſchafft getragen; und mich die rachgierige Sinn-

lich-
Pars III. S ſ
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0353" n="321"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">&#x017F;prechend: Freund! worzu bi&#x017F;t du kommen?</hi></fw><lb/>
nit verzeihen/ was er mir gethan. O mein elender Men&#x017F;ch/<lb/>
&#x017F;o du al&#x017F;o be&#x017F;chaffen bi&#x017F;t/ &#x017F;eye ver&#x017F;ichert und vergwi&#x017F;t/ daß<lb/>
dich GOtt nit mag/ du bi&#x017F;t von &#x017F;einer Go&#x0364;ttlichen Maje-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;t ga&#x0364;ntzlich verworffen um deiner u&#x0364;blen Augen willen/<lb/>
gleich wie Lia von dem Jacob derenthalben veracht wor-<lb/>
den/ u&#x0364;bel und aber u&#x0364;bel &#x017F;eynd deine Augen/ wann du dei-<lb/>
nen Nech&#x017F;ten/ von dem du etwan einige Unbild empfan-<lb/>
gen/ nit kan&#x017F;t an&#x017F;ehen/ nit wil&#x017F;t an&#x017F;chauen. Mercke/ was<lb/>
der Gott&#x017F;eelige und heiligma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige <hi rendition="#aq">Thomas Kempen&#x017F;is</hi><lb/>
&#x017F;chreibt von einem/ der auf ein Zeit mit einem Gei&#x017F;tlichen<lb/>
&#x017F;eines Klo&#x017F;ters verrei&#x017F;t/ unterwegs aber/ wie pflegt zu<lb/>
ge&#x017F;chehen/ allerley Reden gefu&#x0364;hrt/ neben andern &#x017F;agte der<lb/>
Weltliche dem <hi rendition="#aq">Pater,</hi> er woll ihm etwas offenbaren/ &#x017F;o<lb/>
er bishero allzeit in geheim gehalten/ ich/ &#x017F;prach er/ bin<lb/>
vor 6. Jahren fa&#x017F;t in die 13. Monat nacheinander gleich<lb/>
andern frommen Catholi&#x017F;chen Chri&#x017F;ten in die Kirchen<lb/>
gangen/ zu den gewo&#x0364;hnlichen Gottesdien&#x017F;ten/ ein lange<lb/>
Zeit aber niemalen ge&#x017F;ehen das ho&#x0364;ch&#x017F;te Gut/ die allerhei-<lb/>
lig&#x017F;te <hi rendition="#aq">Ho&#x017F;tiam,</hi> von dem Prie&#x017F;ter aufwandeln/ wol zwar<lb/>
hab ich wahrgenommen/ wie der Prie&#x017F;ter die Ha&#x0364;nd in die<lb/>
Ho&#x0364;he gehebt/ aber doch die heilig&#x017F;te Ho&#x017F;tien nit darinnen/<lb/>
welches dann mir er&#x017F;tlich die Meynung gemacht/ als &#x017F;eye<note place="right"><hi rendition="#aq">Kempen&#x017F;.<lb/>
in fine &#x017F;uo-<lb/>
rum ope-<lb/>
rum.</hi></note><lb/>
mein blo&#x0364;des Ge&#x017F;icht daran &#x017F;chuldig/ de&#x017F;&#x017F;enthalben mich<lb/>
gantz nahend zu dem Altar begeben/ und zwar auf der<lb/>
Seiten des Prie&#x017F;ters/ aber auch dazumalen den Heyland<lb/>
JE&#x017F;um unter der Ge&#x017F;talt des wei&#x017F;&#x017F;en Brods nit ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;ehen/ welches mir dann billich allerley Gedancken aufge-<lb/>
wicklet/ al&#x017F;o zwar/ daß ich mein Gewi&#x017F;&#x017F;en etwas genauer/<lb/>
als &#x017F;on&#x017F;ten ge&#x017F;chehen/ durch&#x017F;ucht/ und endlichen befunden/<lb/>
daß ich Jahr und Tag gegen einem meinem Nech&#x017F;ten ein<lb/>
Feind&#x017F;chafft getragen; und mich die rachgierige Sinn-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">Pars III.</hi> S &#x017F;</fw><fw place="bottom" type="catch">lich-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0353] ſprechend: Freund! worzu biſt du kommen? nit verzeihen/ was er mir gethan. O mein elender Menſch/ ſo du alſo beſchaffen biſt/ ſeye verſichert und vergwiſt/ daß dich GOtt nit mag/ du biſt von ſeiner Goͤttlichen Maje- ſtaͤt gaͤntzlich verworffen um deiner uͤblen Augen willen/ gleich wie Lia von dem Jacob derenthalben veracht wor- den/ uͤbel und aber uͤbel ſeynd deine Augen/ wann du dei- nen Nechſten/ von dem du etwan einige Unbild empfan- gen/ nit kanſt anſehen/ nit wilſt anſchauen. Mercke/ was der Gottſeelige und heiligmaͤſſige Thomas Kempenſis ſchreibt von einem/ der auf ein Zeit mit einem Geiſtlichen ſeines Kloſters verreiſt/ unterwegs aber/ wie pflegt zu geſchehen/ allerley Reden gefuͤhrt/ neben andern ſagte der Weltliche dem Pater, er woll ihm etwas offenbaren/ ſo er bishero allzeit in geheim gehalten/ ich/ ſprach er/ bin vor 6. Jahren faſt in die 13. Monat nacheinander gleich andern frommen Catholiſchen Chriſten in die Kirchen gangen/ zu den gewoͤhnlichen Gottesdienſten/ ein lange Zeit aber niemalen geſehen das hoͤchſte Gut/ die allerhei- ligſte Hoſtiam, von dem Prieſter aufwandeln/ wol zwar hab ich wahrgenommen/ wie der Prieſter die Haͤnd in die Hoͤhe gehebt/ aber doch die heiligſte Hoſtien nit darinnen/ welches dann mir erſtlich die Meynung gemacht/ als ſeye mein bloͤdes Geſicht daran ſchuldig/ deſſenthalben mich gantz nahend zu dem Altar begeben/ und zwar auf der Seiten des Prieſters/ aber auch dazumalen den Heyland JEſum unter der Geſtalt des weiſſen Brods nit koͤnnen ſehen/ welches mir dann billich allerley Gedancken aufge- wicklet/ alſo zwar/ daß ich mein Gewiſſen etwas genauer/ als ſonſten geſchehen/ durchſucht/ und endlichen befunden/ daß ich Jahr und Tag gegen einem meinem Nechſten ein Feindſchafft getragen; und mich die rachgierige Sinn- lich- Kempenſ. in fine ſuo- rum ope- rum. Pars III. S ſ

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/353
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/353>, abgerufen am 20.05.2024.