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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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[Spaltenumbruch] scheinet uns die Fortun gleichsam zu verlachen/ indem sie die Güter/ so sie uns gegeben/ wieder nimmt/ wordurch wir grossen Schmertzen leyden; welches uns doch nicht begegnen würde/ wann wir die Dinge/ so unter ihrer Gewalt sind/ nicht höher achteten/ als die in unserer Macht stehen: dann der Reichthum ist der Beherrschung deß Glücks unterworffen/ allein die Tugend ist unser/ wir aber ziehen den Reichthum der Tugend vor/ worüber Horatius sich hefftig entrüstend in seinen Satyris also ausruffet:

O cives, cives! quaerenda pecunia
primum,

Virtus post nummos
Ihr Bürger sucht zuvor Gold/ Geld und
Geldes wehrt/

Eh' als das Tugend-Gold zu finden ihr
begehrt.

Gute und böse Fortuna. Die gute und böse Fortun bildeten die Alten zugleich also ab/ obwol die Uberschrifft auf die gute allein deutete. Sie ware zu sehen als eine auf einem Thron sitzende/ und mit einem langen Rock bekleidete Weibsperson/ in einer fast traurigen Gestalt/ dero ein schönes und holdseelig-junges Mägdlein/ so vor ihr stehet/ die Hand zu geben scheinet; hinter der sitzenden Weibsperson aber ist ein Mägdlein/ so sich mit dem Ellenbogen auf einen Schemel steurete. Das betrübte Weib bezeichnet das vergangene/ das Jungfräulein aber/ so ihr die Hand beut/ das gegenwärtige/ und das hinter ihr stehende Mägdlein das zukünfftige Glück.

Ehe ich aber weiter fortschreite/ muß ich allhier etwas von der Nemesi anführen/ dann sie beede einander sehr ähnlich scheinen/ also daß Etliche vermeinet/ Fortuna und Nemesis seyen eine Göttin: Welches auch aus demjenigen abzunehmen/ was wir oben T aus dem Martianus angeführt. Jedoch hat jedwede ihren eigenen Gottesdienst und Statue Nemesis/ oder die Göttin der Rache. gehabt. War also die Nemesis eine Göttin/ von der die Alten glaubten/ daß sie einem jeden/ was recht und billig ist/ mittheile. Ammianus Marcellinus sagt also von ihr: Sie ist eine Göttin und Rächerin aller Wolthaten/ und eine Vergelterin alles Guten/ eine Regiererin aller Dinge/ und eine Königin aller Anfangs-Ursachen; von ihr dichteten die alten Theologi/ sie seye eine Tochter der Gerechtigkeit/ und pflege aus einer verborgenen Ewigkeit auf alles Irdische herab zu sehen. Macrobius im I Buch seiner Saturnaliorum hält darfür/ es werde die Nemesis wider die Hoffart verehrt/ und sey eine Gewalt und Macht der Sonnen; dero Natur und Eigenschafft hierinn bestehet/ daß sie das Gläntzende verdunckle/ und was im Dunckeln ist/ erleuchte: also scheinet auch die Nemesis bald das Vermögen deß menschlichen Gemüts oder Geistes zu unterdrucken[Spaltenumbruch] und zu entkräfften/ bald aber auch die Frommen/ so im Angstkerker stecken/ zu erwecken/ und zu einem guten Leben aufzurichten; dahero ihr eigenthümliches Amt war/ an denjenigen die Rach zu üben/ die bey guten glücklichen Tagen sich zu erheben und zu stoltzieren pflegten.

Rhamnusia Diese Göttin wurde von den Poeten Rhamnusia genennet/ von einem Ort in Attica/ woselbst ihr ein sehr schön Bildnus aufgerichtet Adrastia. ware. Ebenmässig wurde sie auch Adrastia genennet/ dieweil ihr der König Adrastus den ersten Tempel erbauen lassen. Die Alten eigneten dieser Göttin darum Flügel zu/ damit man glauben sollte/ sie könnte bey einem jedweden so geschwind als ein Vogel seyn. Uberdiß gaben sie ihr ein Steuer-Ruder/ und stellten sie auf ein Rad/ um dardurch zu zeigen/ daß indem sie durch alle Elementen lauffet/ sie das gantze Weltrund regiere.

Unterweilen hat man sie gebildet/ daß sie in der einen Hand einen Zaum/ in der andern einen Maßstab gehalten/ dardurch anzudeuten/ daß wir unsern Mund und Zungen ein Gebieß anlegen/ und in allen Dingen Maß halten sollen/ welches uns nachgesetzte zwey Verslein lehren können:

'E Nemesis prolego to pekhei, to te khalino,
Me ametron ti poiein, met' a khalina legein.
Praedico haec Nemesis norma simul,
hisque lupatis,

Non effraena loqui, & nil fieri
absque modo.

Das ist:

Diß sag ich Nemesis bey Straff/ Gebiß
und Buß/

daß man nicht red zu viel/ nichts thu zum
Uberfluß.

Pausanias in Atticis schreibet/ daß diese über andere Götter wider die Hoffärtigen gantz unerbittlich seye/ welches er aus dem erweist/ so den Barbarischen Feinden der Athenienser wiederfahren; dann dieselben verachteten der Athenienser Macht und Gewalt/ also daß sie bereits Phrygischen Marmor beygeschafft/ ein Siegs-Zeichen aufzurichten. Nachdem sie aber mit Schand und Spott unten lagen/ und überwunden worden/ hat Phidias selbigen Marmor genommen/ und zu dieser Göttin Statue gebraucht. Worüber Ausonius ein schön Epigramma aus dem Griechischen überschrieben/ dieses Innhalts:

Me lapidem quondam Persae adve-
xere, trophaeum

Ut fierem bello; nunc ego sum
Nemesis.

[Spaltenumbruch] scheinet uns die Fortun gleichsam zu verlachen/ indem sie die Güter/ so sie uns gegeben/ wieder nimmt/ wordurch wir grossen Schmertzen leyden; welches uns doch nicht begegnen würde/ wann wir die Dinge/ so unter ihrer Gewalt sind/ nicht höher achteten/ als die in unserer Macht stehen: dann der Reichthum ist der Beherrschung deß Glücks unterworffen/ allein die Tugend ist unser/ wir aber ziehen den Reichthum der Tugend vor/ worüber Horatius sich hefftig entrüstend in seinen Satyris also ausruffet:

O cives, cives! quaerenda pecunia
primum,

Virtus post nummos
Ihr Bürger sucht zuvor Gold/ Geld und
Geldes wehrt/

Eh’ als das Tugend-Gold zu finden ihr
begehrt.

Gute und böse Fortuna. Die gute und böse Fortun bildeten die Alten zugleich also ab/ obwol die Uberschrifft auf die gute allein deutete. Sie ware zu sehen als eine auf einem Thron sitzende/ und mit einem langen Rock bekleidete Weibsperson/ in einer fast traurigen Gestalt/ dero ein schönes und holdseelig-junges Mägdlein/ so vor ihr stehet/ die Hand zu geben scheinet; hinter der sitzenden Weibsperson aber ist ein Mägdlein/ so sich mit dem Ellenbogen auf einen Schemel steurete. Das betrübte Weib bezeichnet das vergangene/ das Jungfräulein aber/ so ihr die Hand beut/ das gegenwärtige/ und das hinter ihr stehende Mägdlein das zukünfftige Glück.

Ehe ich aber weiter fortschreite/ muß ich allhier etwas von der Nemesi anführen/ dann sie beede einander sehr ähnlich scheinen/ also daß Etliche vermeinet/ Fortuna und Nemesis seyen eine Göttin: Welches auch aus demjenigen abzunehmen/ was wir oben T aus dem Martianus angeführt. Jedoch hat jedwede ihren eigenen Gottesdienst und Statue Nemesis/ oder die Göttin der Rache. gehabt. War also die Nemesis eine Göttin/ von der die Alten glaubten/ daß sie einem jeden/ was recht und billig ist/ mittheile. Ammianus Marcellinus sagt also von ihr: Sie ist eine Göttin und Rächerin aller Wolthaten/ und eine Vergelterin alles Guten/ eine Regiererin aller Dinge/ und eine Königin aller Anfangs-Ursachen; von ihr dichteten die alten Theologi/ sie seye eine Tochter der Gerechtigkeit/ und pflege aus einer verborgenen Ewigkeit auf alles Irdische herab zu sehen. Macrobius im I Buch seiner Saturnaliorum hält darfür/ es werde die Nemesis wider die Hoffart verehrt/ und sey eine Gewalt und Macht der Sonnen; dero Natur und Eigenschafft hierinn bestehet/ daß sie das Gläntzende verdunckle/ und was im Dunckeln ist/ erleuchte: also scheinet auch die Nemesis bald das Vermögen deß menschlichen Gemüts oder Geistes zu unterdrucken[Spaltenumbruch] und zu entkräfften/ bald aber auch die Frommen/ so im Angstkerker stecken/ zu erwecken/ und zu einem guten Leben aufzurichten; dahero ihr eigenthümliches Amt war/ an denjenigen die Rach zu üben/ die bey guten glücklichen Tagen sich zu erheben und zu stoltzieren pflegten.

Rhamnusia Diese Göttin wurde von den Poeten Rhamnusia genennet/ von einem Ort in Attica/ woselbst ihr ein sehr schön Bildnus aufgerichtet Adrastia. ware. Ebenmässig wurde sie auch Adrastia genennet/ dieweil ihr der König Adrastus den ersten Tempel erbauen lassen. Die Alten eigneten dieser Göttin darum Flügel zu/ damit man glauben sollte/ sie könnte bey einem jedweden so geschwind als ein Vogel seyn. Uberdiß gaben sie ihr ein Steuer-Ruder/ und stellten sie auf ein Rad/ um dardurch zu zeigen/ daß indem sie durch alle Elementen lauffet/ sie das gantze Weltrund regiere.

Unterweilen hat man sie gebildet/ daß sie in der einen Hand einen Zaum/ in der andern einen Maßstab gehalten/ dardurch anzudeuten/ daß wir unsern Mund und Zungen ein Gebieß anlegen/ und in allen Dingen Maß halten sollen/ welches uns nachgesetzte zwey Verslein lehren können:

‘Η Νέμεσις προλέγω τῷ πήχει, τῷ τε χαλίνῳ,
Μὴ ἄμετρόν τι ποιεῖν, μήτ’ α χάλινα λέγειν.
Praedico haec Nemesis norma simul,
hisque lupatis,

Non effraena loqui, & nil fieri
absque modo.

Das ist:

Diß sag ich Nemesis bey Straff/ Gebiß
und Buß/

daß man nicht red zu viel/ nichts thu zum
Uberfluß.

Pausanias in Atticis schreibet/ daß diese über andere Götter wider die Hoffärtigen gantz unerbittlich seye/ welches er aus dem erweist/ so den Barbarischen Feinden der Athenienser wiederfahren; dann dieselben verachteten der Athenienser Macht und Gewalt/ also daß sie bereits Phrygischen Marmor beygeschafft/ ein Siegs-Zeichen aufzurichten. Nachdem sie aber mit Schand und Spott unten lagen/ und überwunden worden/ hat Phidias selbigen Marmor genommen/ und zu dieser Göttin Statue gebraucht. Worüber Ausonius ein schön Epigramma aus dem Griechischen überschrieben/ dieses Innhalts:

Me lapidem quondam Persae adve-
xêre, trophaeum

Ut fierem bello; nunc ego sum
Nemesis.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2014-06-24T13:18:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2014-06-24T13:18:31Z)
Benjamin Fiechter: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2014-06-24T13:18:31Z)

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Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/249>, abgerufen am 30.04.2024.