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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] an/ welchen die zu Delos lange Zeit hernach zu üben pflegen. Dieser hieß der Kranich-Tantz/ und hatte (nach dem Vorbilde des Irrgartens) viel Krümmen/ Umwendungen und dergleichen. Als nun Theseus dem Lande Attica sich näherte; war er/ mit den Seinen/ dermassen froh/ daß er/ und sein Schiffer vergassen/ das weisse Seegel in dem Schiff aufzuspannen/ wordurch sie dem Aegeus/ wann es ihnen wol ergangen wäre/ das Zeichen zu geben versprochen. Welcher/ als er von fernen noch das schwartze Seegel sahe/ und keine Hoffnung mehr hatte/ seinen Sohn wieder zu sehen/ in solchen tieffen Unmuth drüber fiel/ daß er sich/ von der hohen Steinklippen/ darauf er stunde/ hinunter stürtzte/ und also selbsten seines Lebens beraubte. Nachdem nun Theseus sahe/ daß sein Vatter todt/ verließ er seine Herrschafft/ und machte aus Athen einen freyen Staat/ stifftete viel gute Gesetze/ und und ließ auf sein Geld/ zum Gedächtnus des Stiers von Marathon/ oder des Hauptmanns Taurus/ einen Stier pregen. Endlich nahmen seine undanckbare Bürger einen andern König/ und verwurffen den Theseus: deswegen er von dannen abreiste/ und in des Eyland Scyaros kam/ worinnen ihm einige Landschafften zuständig waren: allda er vermeinte Freunde zu finden: verfügte sich dannenhero zu Lycomedes dem Könige des Eylands/ und fragte nach seinen Landschafften/ in Willens/ allda zu wohnen/ oder (wie Einige meinen) wider die Athenienser Hülffe bey ihm zu begehren. Der König empfieng ihn/ mit einem freundlichem Gesichte/ und führte ihn mit sich auf eine hohe Steinklippen/ unter dem Vorwand/ als ob er ihm seine Lande von daraus zeigen wolte/ stieß ihn aber unvermuthet von oben hinunter/ daß er sich zu todte fallen muste/ und also/ verrähterlicher Weise/ um sein Leben kam.

Damit wir aber/ mit weiterer Erzehlung/ keine Zeit mehr verlieren: so sehen wir allhier wiederum/ was hoher Verstand und Lehren in diese Dinge Lehrliche Auslegung der Fabel von Pasiphae/ Minos und dem Stiere und Minotaurus. gewickelt und verborgen ligen. Wie wir nun erzehlet haben/ so war Pasiphae eine Tochter der Sonnen: wordurch wir verstehen sollen des Menschen Göttliche Seele: Des Jupiters Sohn/ Minos/ ist die tugendliche Vernunfft/ zu welcher sich die Seele allezeit halten/ das ist/ der Welt und ihren Lüsten sich nicht ergeben solle/ dann sie sonsten/ durch dieselbe/ unfehlbar vom Wege der Gerechtigkeit abgeleitet wird. Die Venus ist dieser Sonnen Tochter/ oder/ welches eben soviel ist/ unserer Seele/ eine schädliche Feindin/ und Widerpartey/ dieweil sie dieselbe/ durch ihre Anreitzung/ oder die fleischliche Lüste/ manchmal von der gesunden Vernunfft abwendet und entfremdet/ daß sie sich/ thörichter weise/ zu dem Stiere verfüget/ das ist/ zu einem unvernünfftigen und bestialischem Leben begebe/ darein der Mensch verfället/ wann er der vernünfftigen Anleitung den Gehorsam entzeucht. Und nachdem er/ durch diesen schändlichen Bruch des Ehebundes/ befruchtet oder schwanger worden/ gebieret er den Minotaurus/ das ist/ der Mensch wird inwendig verblendet/ daß er seinem fleischlichem Willen/ und allerley groben/ schändlichen/ unehrlichen/ und bestialischen Wercken nachhänget/[Spaltenumbruch] alle Göttlich- und Menschliche Gebotte und Lehren aus den Augen setzet/ verachtet und/ nach dem Auslegung über den Irgarten des Minos. er also gar viehisch worden/ allerdings in den Irrgarten dieser Welt geräht/ darinnen er so verstrickt/ eingeflochten/ verwickelt/ und umfangen/ auch mit so viel krumlauffenden/ verwirrten Gängen und Irrwegen der Sünden umringt wird/ daß er gleich wie der Minotaurus endlich darinnen umkommt/ verdirbet/ und die ihm von Gott zugeschickte Tods Straffe leiden muß/ dafern ihm nicht/ durch sonderbare Göttliche Gnade/ Handreichung und Hülffe/ (wie durch das Daedalische Faden-kneul vorgebildet worden) geschiehet. Welckes gar selten/ ja unter tausenden kaum einem wiederfähret/ daß er auß dem grausamen Irrgarten/ der eingewurtzelten Sünden frey werde/ oder die alte/ verhärtete/ schuppichte Schlangen-Haut ablege/ zur Verneuung eines bessern/ frömmern und gerechtern Lebens/ und richtigern Wandels gelange. Wie es dem Theseus glückte/ daß er/ durch unverdrossene Arbeit/ und beständiges kämpffen/ dieses böse Ungeheuer endlich Auslegung der Fabel von der Ariadne/ wie sie vom Theseus verlassen und vom Bachus geehlicht worden. überwunden/ und/ vermittelst des ihm/ von der Ariadne zugebrachten/ Faden-kneuls/ den Ausgang/ aus diesem verwirrten Irrgarten/ gefunden hat: Eben also muß der Mensch bestreiten und überwinden seine eigene unvernünfftige Lüste/ und dem Kneul/ oder richtigen Faden der Vernunfft folgen; damit er/ aus den Irrwegen dieser Welt/ auf den Weg der Gerechtigkeit/ und zu einem vernünfftigen und ehrlichen Leben dringen und kommen möge: zu welchem zu gelangen für ein sonderbares grosses Glück zu achten ist.

Aber unsers Poeten Erzehlung/ von der Ariadne/ weiter zu verfolgen; so haben wir selbige/ oben in dem Eylande Dia/ von dem Bachus umhälst/ verlassen. Welches geschichtlicher Weise genommen werden kan: daß sie allda/ in dem Weinreichen Eylande/ sich/ mit überflüssigem Weintrincken/ vergriffen habe/ und als sie truncken gewest/ und in einem harten Schlaffe gelegen/ vom Theseus verlassen worden/ Bacchus aber ihrer ansichtig worden/ sie auch/ mit seinem frölichmachendem Saffte/ reichlich versehen/ und endlich gar sich mit ihr vermählet habe. Einige wollen sagen/ daß der/ so sie zu sich genommen/ ein Priester des Bachus gewest sey. Worbey dann zu mercken/ daß eine Weibsperson/ so sich leichtlich vom Trunck fangen und einnehmen lässt/ auch zugleich/ von denen Venerischen Lüsten/ leicht überwunden wird. Darum beschenckte sie Bachus/ mit einer Krone/ die Vulcanus ehemalen der Venus gemacht hatte. Diese Krone eines unehrlichen Lebens scheinet einem Jeden hernach in die Augen/ so klar und offenbar/ als ob sie von lauter himmlischen Sternen wäre: indem nemlich ein solches Weib überall bekandt/ mit Fingern auf sie gedeutet/ und für unehrlich geachtet wird. Belangend/ daß Daedalus der Pasiphaen behülflich war/ in ungebürlicher Vereinigung mit dem Hauptmann Taurus/ und deswegen/ mit seinem Sohne/ gefangen wurde/ so gleichet solches zwar wol einer Geschichte; iedoch soll/ wie es Lucianus/ im Gespräch der Himmel- oder Sternkunst/ erzehlet/ Daedalus ihr zu dem Stier also geholffen haben/ daß/ weil Daedalus

[Spaltenumbruch] an/ welchen die zu Delos lange Zeit hernach zu üben pflegen. Dieser hieß der Kranich-Tantz/ und hatte (nach dem Vorbilde des Irrgartens) viel Krümmen/ Umwendungen und dergleichen. Als nun Theseus dem Lande Attica sich näherte; war er/ mit den Seinen/ dermassen froh/ daß er/ und sein Schiffer vergassen/ das weisse Seegel in dem Schiff aufzuspannen/ wordurch sie dem Aegeus/ wann es ihnen wol ergangen wäre/ das Zeichen zu geben versprochen. Welcher/ als er von fernen noch das schwartze Seegel sahe/ und keine Hoffnung mehr hatte/ seinen Sohn wieder zu sehen/ in solchen tieffen Unmuth drüber fiel/ daß er sich/ von der hohen Steinklippen/ darauf er stunde/ hinunter stürtzte/ und also selbsten seines Lebens beraubte. Nachdem nun Theseus sahe/ daß sein Vatter todt/ verließ er seine Herrschafft/ und machte aus Athen einen freyen Staat/ stifftete viel gute Gesetze/ und und ließ auf sein Geld/ zum Gedächtnus des Stiers von Marathon/ oder des Hauptmanns Taurus/ einen Stier pregen. Endlich nahmen seine undanckbare Bürger einen andern König/ und verwurffen den Theseus: deswegen er von dannen abreiste/ und in des Eyland Scyaros kam/ worinnen ihm einige Landschafften zuständig waren: allda er vermeinte Freunde zu finden: verfügte sich dannenhero zu Lycomedes dem Könige des Eylands/ und fragte nach seinen Landschafften/ in Willens/ allda zu wohnen/ oder (wie Einige meinen) wider die Athenienser Hülffe bey ihm zu begehren. Der König empfieng ihn/ mit einem freundlichem Gesichte/ und führte ihn mit sich auf eine hohe Steinklippen/ unter dem Vorwand/ als ob er ihm seine Lande von daraus zeigen wolte/ stieß ihn aber unvermuthet von oben hinunter/ daß er sich zu todte fallen muste/ und also/ verrähterlicher Weise/ um sein Leben kam.

Damit wir aber/ mit weiterer Erzehlung/ keine Zeit mehr verlieren: so sehen wir allhier wiederum/ was hoher Verstand und Lehren in diese Dinge Lehrliche Auslegung der Fabel von Pasiphae/ Minos und dem Stiere und Minotaurus. gewickelt und verborgen ligen. Wie wir nun erzehlet haben/ so war Pasiphae eine Tochter der Sonnen: wordurch wir verstehen sollen des Menschen Göttliche Seele: Des Jupiters Sohn/ Minos/ ist die tugendliche Vernunfft/ zu welcher sich die Seele allezeit halten/ das ist/ der Welt und ihren Lüsten sich nicht ergeben solle/ dann sie sonsten/ durch dieselbe/ unfehlbar vom Wege der Gerechtigkeit abgeleitet wird. Die Venus ist dieser Sonnen Tochter/ oder/ welches eben soviel ist/ unserer Seele/ eine schädliche Feindin/ und Widerpartey/ dieweil sie dieselbe/ durch ihre Anreitzung/ oder die fleischliche Lüste/ manchmal von der gesunden Vernunfft abwendet und entfremdet/ daß sie sich/ thörichter weise/ zu dem Stiere verfüget/ das ist/ zu einem unvernünfftigen und bestialischem Leben begebe/ darein der Mensch verfället/ wann er der vernünfftigen Anleitung den Gehorsam entzeucht. Und nachdem er/ durch diesen schändlichen Bruch des Ehebundes/ befruchtet oder schwanger worden/ gebieret er den Minotaurus/ das ist/ der Mensch wird inwendig verblendet/ daß er seinem fleischlichem Willen/ und allerley groben/ schändlichen/ unehrlichen/ und bestialischen Wercken nachhänget/[Spaltenumbruch] alle Göttlich- und Menschliche Gebotte und Lehren aus den Augen setzet/ verachtet und/ nach dem Auslegung über den Irgarten des Minos. er also gar viehisch worden/ allerdings in den Irrgarten dieser Welt geräht/ darinnen er so verstrickt/ eingeflochten/ verwickelt/ und umfangen/ auch mit so viel krumlauffenden/ verwirrten Gängen und Irrwegen der Sünden umringt wird/ daß er gleich wie der Minotaurus endlich darinnen umkommt/ verdirbet/ und die ihm von Gott zugeschickte Tods Straffe leiden muß/ dafern ihm nicht/ durch sonderbare Göttliche Gnade/ Handreichung und Hülffe/ (wie durch das Daedalische Faden-kneul vorgebildet worden) geschiehet. Welckes gar selten/ ja unter tausenden kaum einem wiederfähret/ daß er auß dem grausamen Irrgarten/ der eingewurtzelten Sünden frey werde/ oder die alte/ verhärtete/ schuppichte Schlangen-Haut ablege/ zur Verneuung eines bessern/ frömmern und gerechtern Lebens/ und richtigern Wandels gelange. Wie es dem Theseus glückte/ daß er/ durch unverdrossene Arbeit/ und beständiges kämpffen/ dieses böse Ungeheuer endlich Auslegung der Fabel von der Ariadne/ wie sie vom Theseus verlassen und vom Bachus geehlicht worden. überwunden/ und/ vermittelst des ihm/ von der Ariadne zugebrachten/ Faden-kneuls/ den Ausgang/ aus diesem verwirrten Irrgarten/ gefunden hat: Eben also muß der Mensch bestreiten und überwinden seine eigene unvernünfftige Lüste/ und dem Kneul/ oder richtigen Faden der Vernunfft folgen; damit er/ aus den Irrwegen dieser Welt/ auf den Weg der Gerechtigkeit/ und zu einem vernünfftigen und ehrlichen Leben dringen und kommen möge: zu welchem zu gelangen für ein sonderbares grosses Glück zu achten ist.

Aber unsers Poeten Erzehlung/ von der Ariadne/ weiter zu verfolgen; so haben wir selbige/ oben in dem Eylande Dia/ von dem Bachus umhälst/ verlassen. Welches geschichtlicher Weise genommen werden kan: daß sie allda/ in dem Weinreichen Eylande/ sich/ mit überflüssigem Weintrincken/ vergriffen habe/ und als sie truncken gewest/ und in einem harten Schlaffe gelegen/ vom Theseus verlassen worden/ Bacchus aber ihrer ansichtig worden/ sie auch/ mit seinem frölichmachendem Saffte/ reichlich versehen/ und endlich gar sich mit ihr vermählet habe. Einige wollen sagen/ daß der/ so sie zu sich genommen/ ein Priester des Bachus gewest sey. Worbey dann zu mercken/ daß eine Weibsperson/ so sich leichtlich vom Trunck fangen und einnehmen lässt/ auch zugleich/ von denen Venerischen Lüsten/ leicht überwunden wird. Darum beschenckte sie Bachus/ mit einer Krone/ die Vulcanus ehemalen der Venus gemacht hatte. Diese Krone eines unehrlichen Lebens scheinet einem Jeden hernach in die Augen/ so klar und offenbar/ als ob sie von lauter himmlischen Sternen wäre: indem nemlich ein solches Weib überall bekandt/ mit Fingern auf sie gedeutet/ und für unehrlich geachtet wird. Belangend/ daß Daedalus der Pasiphaen behülflich war/ in ungebürlicher Vereinigung mit dem Hauptmann Taurus/ und deswegen/ mit seinem Sohne/ gefangen wurde/ so gleichet solches zwar wol einer Geschichte; iedoch soll/ wie es Lucianus/ im Gespräch der Himmel- oder Sternkunst/ erzehlet/ Daedalus ihr zu dem Stier also geholffen haben/ daß/ weil Daedalus

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            <p>Damit wir aber/ mit weiterer Erzehlung/ keine Zeit mehr verlieren: so sehen wir allhier wiederum/ was hoher Verstand und Lehren in diese Dinge <note place="right">Lehrliche Auslegung der Fabel von <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3475 http://d-nb.info/gnd/132020610 http://viaf.org/viaf/49509088">Pasiphae</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1566 http://d-nb.info/gnd/119146487 http://viaf.org/viaf/50029271">Minos</persName> und dem Stiere und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-784 http://d-nb.info/gnd/4232387-3">Minotaurus</persName>.</note> gewickelt und verborgen ligen. Wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> nun erzehlet haben/ so war <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3475 http://d-nb.info/gnd/132020610 http://viaf.org/viaf/49509088">Pasiphae</persName> eine Tochter der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3218 http://d-nb.info/gnd/124659187 http://viaf.org/viaf/50166625">Sonnen</persName>: wordurch wir verstehen sollen des Menschen Göttliche Seele: Des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jupiters</persName> Sohn/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1566 http://d-nb.info/gnd/119146487 http://viaf.org/viaf/50029271">Minos</persName>/ ist die tugendliche Vernunfft/ zu welcher sich die Seele allezeit halten/ das ist/ der Welt und ihren Lüsten sich nicht ergeben solle/ dann sie sonsten/ durch dieselbe/ unfehlbar vom Wege der Gerechtigkeit abgeleitet wird. Die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-126 http://d-nb.info/gnd/11876800X http://viaf.org/viaf/30332680">Venus</persName> ist dieser <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3218 http://d-nb.info/gnd/124659187 http://viaf.org/viaf/50166625">Sonnen</persName> Tochter/ oder/ welches eben soviel ist/ unserer Seele/ eine schädliche Feindin/ und Widerpartey/ dieweil sie dieselbe/ durch ihre Anreitzung/ oder die fleischliche Lüste/ manchmal von der gesunden Vernunfft abwendet und entfremdet/ daß sie sich/ thörichter weise/ zu dem Stiere verfüget/ das ist/ zu einem unvernünfftigen und bestialischem Leben begebe/ darein der Mensch verfället/ wann er der vernünfftigen Anleitung den Gehorsam entzeucht. Und nachdem er/ durch diesen schändlichen Bruch des Ehebundes/ befruchtet oder schwanger worden/ gebieret er den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-784 http://d-nb.info/gnd/4232387-3">Minotaurus</persName>/ das ist/ der Mensch wird inwendig verblendet/ daß er seinem fleischlichem Willen/ und allerley groben/ schändlichen/ unehrlichen/ und bestialischen Wercken nachhänget/<cb/>
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[[Metamorphosis, S. 100]/0276] an/ welchen die zu Delos lange Zeit hernach zu üben pflegen. Dieser hieß der Kranich-Tantz/ und hatte (nach dem Vorbilde des Irrgartens) viel Krümmen/ Umwendungen und dergleichen. Als nun Theseus dem Lande Attica sich näherte; war er/ mit den Seinen/ dermassen froh/ daß er/ und sein Schiffer vergassen/ das weisse Seegel in dem Schiff aufzuspannen/ wordurch sie dem Aegeus/ wann es ihnen wol ergangen wäre/ das Zeichen zu geben versprochen. Welcher/ als er von fernen noch das schwartze Seegel sahe/ und keine Hoffnung mehr hatte/ seinen Sohn wieder zu sehen/ in solchen tieffen Unmuth drüber fiel/ daß er sich/ von der hohen Steinklippen/ darauf er stunde/ hinunter stürtzte/ und also selbsten seines Lebens beraubte. Nachdem nun Theseus sahe/ daß sein Vatter todt/ verließ er seine Herrschafft/ und machte aus Athen einen freyen Staat/ stifftete viel gute Gesetze/ und und ließ auf sein Geld/ zum Gedächtnus des Stiers von Marathon/ oder des Hauptmanns Taurus/ einen Stier pregen. Endlich nahmen seine undanckbare Bürger einen andern König/ und verwurffen den Theseus: deswegen er von dannen abreiste/ und in des Eyland Scyaros kam/ worinnen ihm einige Landschafften zuständig waren: allda er vermeinte Freunde zu finden: verfügte sich dannenhero zu Lycomedes dem Könige des Eylands/ und fragte nach seinen Landschafften/ in Willens/ allda zu wohnen/ oder (wie Einige meinen) wider die Athenienser Hülffe bey ihm zu begehren. Der König empfieng ihn/ mit einem freundlichem Gesichte/ und führte ihn mit sich auf eine hohe Steinklippen/ unter dem Vorwand/ als ob er ihm seine Lande von daraus zeigen wolte/ stieß ihn aber unvermuthet von oben hinunter/ daß er sich zu todte fallen muste/ und also/ verrähterlicher Weise/ um sein Leben kam. Damit wir aber/ mit weiterer Erzehlung/ keine Zeit mehr verlieren: so sehen wir allhier wiederum/ was hoher Verstand und Lehren in diese Dinge gewickelt und verborgen ligen. Wie wir nun erzehlet haben/ so war Pasiphae eine Tochter der Sonnen: wordurch wir verstehen sollen des Menschen Göttliche Seele: Des Jupiters Sohn/ Minos/ ist die tugendliche Vernunfft/ zu welcher sich die Seele allezeit halten/ das ist/ der Welt und ihren Lüsten sich nicht ergeben solle/ dann sie sonsten/ durch dieselbe/ unfehlbar vom Wege der Gerechtigkeit abgeleitet wird. Die Venus ist dieser Sonnen Tochter/ oder/ welches eben soviel ist/ unserer Seele/ eine schädliche Feindin/ und Widerpartey/ dieweil sie dieselbe/ durch ihre Anreitzung/ oder die fleischliche Lüste/ manchmal von der gesunden Vernunfft abwendet und entfremdet/ daß sie sich/ thörichter weise/ zu dem Stiere verfüget/ das ist/ zu einem unvernünfftigen und bestialischem Leben begebe/ darein der Mensch verfället/ wann er der vernünfftigen Anleitung den Gehorsam entzeucht. Und nachdem er/ durch diesen schändlichen Bruch des Ehebundes/ befruchtet oder schwanger worden/ gebieret er den Minotaurus/ das ist/ der Mensch wird inwendig verblendet/ daß er seinem fleischlichem Willen/ und allerley groben/ schändlichen/ unehrlichen/ und bestialischen Wercken nachhänget/ alle Göttlich- und Menschliche Gebotte und Lehren aus den Augen setzet/ verachtet und/ nach dem er also gar viehisch worden/ allerdings in den Irrgarten dieser Welt geräht/ darinnen er so verstrickt/ eingeflochten/ verwickelt/ und umfangen/ auch mit so viel krumlauffenden/ verwirrten Gängen und Irrwegen der Sünden umringt wird/ daß er gleich wie der Minotaurus endlich darinnen umkommt/ verdirbet/ und die ihm von Gott zugeschickte Tods Straffe leiden muß/ dafern ihm nicht/ durch sonderbare Göttliche Gnade/ Handreichung und Hülffe/ (wie durch das Daedalische Faden-kneul vorgebildet worden) geschiehet. Welckes gar selten/ ja unter tausenden kaum einem wiederfähret/ daß er auß dem grausamen Irrgarten/ der eingewurtzelten Sünden frey werde/ oder die alte/ verhärtete/ schuppichte Schlangen-Haut ablege/ zur Verneuung eines bessern/ frömmern und gerechtern Lebens/ und richtigern Wandels gelange. Wie es dem Theseus glückte/ daß er/ durch unverdrossene Arbeit/ und beständiges kämpffen/ dieses böse Ungeheuer endlich überwunden/ und/ vermittelst des ihm/ von der Ariadne zugebrachten/ Faden-kneuls/ den Ausgang/ aus diesem verwirrten Irrgarten/ gefunden hat: Eben also muß der Mensch bestreiten und überwinden seine eigene unvernünfftige Lüste/ und dem Kneul/ oder richtigen Faden der Vernunfft folgen; damit er/ aus den Irrwegen dieser Welt/ auf den Weg der Gerechtigkeit/ und zu einem vernünfftigen und ehrlichen Leben dringen und kommen möge: zu welchem zu gelangen für ein sonderbares grosses Glück zu achten ist. Lehrliche Auslegung der Fabel von Pasiphae/ Minos und dem Stiere und Minotaurus. Auslegung über den Irgarten des Minos. Auslegung der Fabel von der Ariadne/ wie sie vom Theseus verlassen und vom Bachus geehlicht worden. Aber unsers Poeten Erzehlung/ von der Ariadne/ weiter zu verfolgen; so haben wir selbige/ oben in dem Eylande Dia/ von dem Bachus umhälst/ verlassen. Welches geschichtlicher Weise genommen werden kan: daß sie allda/ in dem Weinreichen Eylande/ sich/ mit überflüssigem Weintrincken/ vergriffen habe/ und als sie truncken gewest/ und in einem harten Schlaffe gelegen/ vom Theseus verlassen worden/ Bacchus aber ihrer ansichtig worden/ sie auch/ mit seinem frölichmachendem Saffte/ reichlich versehen/ und endlich gar sich mit ihr vermählet habe. Einige wollen sagen/ daß der/ so sie zu sich genommen/ ein Priester des Bachus gewest sey. Worbey dann zu mercken/ daß eine Weibsperson/ so sich leichtlich vom Trunck fangen und einnehmen lässt/ auch zugleich/ von denen Venerischen Lüsten/ leicht überwunden wird. Darum beschenckte sie Bachus/ mit einer Krone/ die Vulcanus ehemalen der Venus gemacht hatte. Diese Krone eines unehrlichen Lebens scheinet einem Jeden hernach in die Augen/ so klar und offenbar/ als ob sie von lauter himmlischen Sternen wäre: indem nemlich ein solches Weib überall bekandt/ mit Fingern auf sie gedeutet/ und für unehrlich geachtet wird. Belangend/ daß Daedalus der Pasiphaen behülflich war/ in ungebürlicher Vereinigung mit dem Hauptmann Taurus/ und deswegen/ mit seinem Sohne/ gefangen wurde/ so gleichet solches zwar wol einer Geschichte; iedoch soll/ wie es Lucianus/ im Gespräch der Himmel- oder Sternkunst/ erzehlet/ Daedalus ihr zu dem Stier also geholffen haben/ daß/ weil Daedalus

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 100]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/276>, abgerufen am 25.11.2024.