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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] mehr Böses/ weder aus einiger andren Sünde/ hervor spriesst/ von seinem Gemüt auswurtzeln möge. Nachdem nun Jason dergestalt unterrichtet/ hat er/ mit Göttlicher Hülffe und Raht/ viel abscheuliche Thiere und Gefährlichkeiten überwunden; zu Colchos die grausame/ Feuer-speyende/ Kupfferfüssige und eisernhörnige Stiere gezähmt/ und die gewaffnete Männer/ durch Raht der Minerva/ von sich abgetrieben: den grossen Drachen/ durch die Medea/ eingeschläfft/ und also das güldene Fließ Lehrliche Auslegung/ des güldnen Fliesses. bekommen. Das güldne Fließ ist die aufrechte alles übertreffende Tugend/ welche anderer Gestalt nicht erlanget wird/ dann durch Uberwindung der bösen Neigungen und Begierden des Fleisches/ welche in uns eine feurige/ und gleichsam Feuer-ausspeyende Krafft haben/ durch unsere eigene/ in uns selbsten wohnende/ böse Art und Natur; und haben solche sich unseren Sinnen/ so tieff und fest impatronirt/ als ob sie gleichsam/ auf kupffernen Füssen/ darinne stünden/ daher sie nicht anders zu hemmen/ als wann wir dem göttlichem Rahte folgen/ so durch die Medea vorgebildet worden. Dann das Griechische Wort/Medos, bedeutet einen Raht. Durch diesen muß man unterwiesen seyn/ seine Gedancken/ zu zwingen/ und im Zaume zu halten. Alsdann ist es nöthig/ durch göttliche Weisheit/ von sich abzutreiben/ die anfallende gewaffnete Männer/ so aus den Drachenzähnen gewachsen; das ist/ alle böse Begierden und Sünden/ so aus dem Hochmuht entstehen und wachsen/ als das Großachten/ oder die Liebe sein selbst/ Verachtung des Nächsten/ Ruhmrähtigkeit/ Ehrsucht/ Neid/ Geitz/ Zorn/ Haß und dergleichen Sünden und Laster mehr; um endlich gantz und gar zu überwinden/ oder matt und wanckend zu machen den überaus grossen Drachen/ den Hochmut/ welcher jederzeit wacht und tracht/ die gantze Welt von der Tugend abzuleiten. Dann Hochmut ist die Königin alles Bösen/ als die den Eingang zu einem tugendlichen Leben gewaltiglich verhindert. Uber dis sind auch noch andere Meinungen von dem güldenem Fließ/ so natürlicher Weise ausgelegt werden können. Als daß Guldne Fließ auf die Alchimia ausgelegt. Einige meinen/ es sey alle Arbeit/ die vom Jason/ auf seiner Fließ-Reise/ geschehen/ anders nichts/ ohn das Verändern der materialischen Cörper/ welche man in der Chimia gebraucht/ das güldne Fließ/ oder den Stein der Weisen (Lapidem Philosophorum) zu erlangen. Andere halten darfür/ daß Medea/ oder das güldne Fließ sey ein Pergamenen Buch gewesen/ worinne die rechte Kunst Gold zu machen beschrieben gewest; es waren aber Egypter/ die damals zu Colchos wohnten; und dieser Meinung ist auch Svidas. Ich habe noch einige Meinung übergangen/ die ich billig erzehlen sollen/ nemlich/ von dem elenden alten Phineus/ der/ als bereits gesagt/ von denen Harpyen so gar hart gequählt wurde. Dis halten einige für eine Geschicht/ und melden/ daß er zwo Töchter gehabt/ deren eine Harpye/ die andere Erasia geheissen; welche/ durch ihr unrein und böses Leben/ ihres Vatters Gut mit banquetiren/ und allerley unverantwortlichen Uberfluß/ fast gäntzlich durchgebracht/ und dem Vatter einen stetswärenden Kummer und Quahl verursacht. Diese zwo Töchter [Spaltenumbruch] wurden/ von den zweyen Söhnen des Boreas/ weggeführt: woraus das Gerüchte entsprungen/ daß sie den Phineus/ vom Hunger und der Armut/ so ihn gequählt/ erlöst hätten. Durch den Phineus ist zu verstehen ein Mensch/ der vom Geitz geblendet ist/ gleichwie seine Kinder/ welches seine Gedancken sind/ eben sowol/ durch seine Unvorsichtigkeit/ geblendet werden. Dann ein geitziger Mensch hat keine Gedancken/ ohn solche/ die durch das Verlangen eines überflüssigen Reichthums verblendet sind. Die unreine Harpyen/ so ihme die Speise wegrauben/ und nach Nothdurfft nicht lassen essen/ sind Sorgen/ Aengsten/ Kümmernüsse/ und Furcht für der Armut/ ja/ unmässige Karg- und Sparsamkeit/ die ihm kaum etwas essen und trincken lassen/ es sey dann halb stinckend/ und so verdorben/ daß es ein ander kaum anrühren möchte. Diese quählende Harpyen können anders nicht vertrieben werden/ dann durch die Tugenden einer gesunden Vernunfft/ und der Mässigkeit. Auch sind einige/ welche die Harpyen auf die Kräffte der Winde deuten. Ingleichen pfleget man auch darbey zu verstehen die Diebereyen. Dann die Harpyen wurden genennet Jungfrauen/ die keine Früchte bringen. Gleichwie auch übel-erworbene Güter unfruchtbar bleiben; indem es gemeinlich nach dem Sprichwort geht: Wie gewonnen/ so zerronnen! Durch den alten Aeson/ der/ durch Hülff der Medea/ wiederum jung wurde/ wird verstanden ein Mensch/ der von langen Zeiten her/ in bösen Sitten/ Gewonheiten und Gebrechen veraltet ist/ und endlich/ durch guten Raht/ oder Unterricht/ so durch die Medea zu verstehen ist/ wiederum zur Erkänntnus gebracht wird/ daß er begehrt im Kessel oder Bade der Vernunfft gesotten/ oder gesäubert zu werden/ durch Reu und Verbesserung/ zu einem ehrlich und tugendlichen Leben.

Belangend die Medea/ so sind annoch verschiedene Erklärungen darüber; Und erstlich zwar die Geschicht belangend/ so meinen etliche/ sie sey gewest ein leichtfertig unehrliches Weib/ das Vatter/ Mutter und Vatterland verrahten und verlassen habe/ und/ aus blinder Liebe/ einem unbekandten Fremdlinge/ dem undanckbar- und treulosen Jason/ welchen sie/ durch Zauberey-Mittel/ zu ihrer Liebe gezwungen habe/ nachgeloffen; diese Liebe habe zwar die Heyraht zu wegen gebracht; sey aber bald in einen Haß verändert/ und folgbarlich zu einem bösen Ende ausgeschlagen. Man schreibet auch/ daß sie/ vermittelst ihrer Kunst und Behändigkeit/ auch die Hertzen/ und Liebe der alten Männer nach sich gezogen/ daß sie so frisch und Weibersüchtig worden/ als junge Gesellen immer seyn mögen. Etliche sagen/ sie habe/ von ihrer Mutter/ der Hecate/ das Vergifften/ Bezauberen/ und die Kräffte der Kräuter oder allerley Artzney erlernet. Auch daß sie eine gewisse kräfftige Blume funden/ mit dero sie schwartze Haare/ weiß/ und hingegen weisse Haare/ schwartz/ machen können: ingleichen daß sie ein Bad zu machen gewust/ womit sie viel Kranckheiten geheilt: nicht weniger habe sie einen Tranck wissen zu bereiten/ durch dessen Gebrauch sie die Menschen in kurtzer Zeit/ gesund gemacht/ und zu bessern Kräfften gebracht

[Spaltenumbruch] mehr Böses/ weder aus einiger andren Sünde/ hervor spriesst/ von seinem Gemüt auswurtzeln möge. Nachdem nun Jason dergestalt unterrichtet/ hat er/ mit Göttlicher Hülffe und Raht/ viel abscheuliche Thiere und Gefährlichkeiten überwunden; zu Colchos die grausame/ Feuer-speyende/ Kupfferfüssige und eisernhörnige Stiere gezähmt/ und die gewaffnete Männer/ durch Raht der Minerva/ von sich abgetrieben: den grossen Drachen/ durch die Medea/ eingeschläfft/ und also das güldene Fließ Lehrliche Auslegung/ des güldnen Fliesses. bekommen. Das güldne Fließ ist die aufrechte alles übertreffende Tugend/ welche anderer Gestalt nicht erlanget wird/ dann durch Uberwindung der bösen Neigungen und Begierden des Fleisches/ welche in uns eine feurige/ und gleichsam Feuer-ausspeyende Krafft haben/ durch unsere eigene/ in uns selbsten wohnende/ böse Art und Natur; und haben solche sich unseren Sinnen/ so tieff und fest impatronirt/ als ob sie gleichsam/ auf kupffernen Füssen/ darinne stünden/ daher sie nicht anders zu hemmen/ als wann wir dem göttlichem Rahte folgen/ so durch die Medea vorgebildet worden. Dann das Griechische Wort/Medos, bedeutet einen Raht. Durch diesen muß man unterwiesen seyn/ seine Gedancken/ zu zwingen/ und im Zaume zu halten. Alsdann ist es nöthig/ durch göttliche Weisheit/ von sich abzutreiben/ die anfallende gewaffnete Männer/ so aus den Drachenzähnen gewachsen; das ist/ alle böse Begierden und Sünden/ so aus dem Hochmuht entstehen und wachsen/ als das Großachten/ oder die Liebe sein selbst/ Verachtung des Nächsten/ Ruhmrähtigkeit/ Ehrsucht/ Neid/ Geitz/ Zorn/ Haß und dergleichen Sünden und Laster mehr; um endlich gantz und gar zu überwinden/ oder matt und wanckend zu machen den überaus grossen Drachen/ den Hochmut/ welcher jederzeit wacht und tracht/ die gantze Welt von der Tugend abzuleiten. Dann Hochmut ist die Königin alles Bösen/ als die den Eingang zu einem tugendlichen Leben gewaltiglich verhindert. Uber dis sind auch noch andere Meinungen von dem güldenem Fließ/ so natürlicher Weise ausgelegt werden können. Als daß Guldne Fließ auf die Alchimia ausgelegt. Einige meinen/ es sey alle Arbeit/ die vom Jason/ auf seiner Fließ-Reise/ geschehen/ anders nichts/ ohn das Verändern der materialischen Cörper/ welche man in der Chimia gebraucht/ das güldne Fließ/ oder den Stein der Weisen (Lapidem Philosophorum) zu erlangen. Andere halten darfür/ daß Medea/ oder das güldne Fließ sey ein Pergamenen Buch gewesen/ worinne die rechte Kunst Gold zu machen beschrieben gewest; es waren aber Egypter/ die damals zu Colchos wohnten; und dieser Meinung ist auch Svidas. Ich habe noch einige Meinung übergangen/ die ich billig erzehlen sollen/ nemlich/ von dem elenden alten Phineus/ der/ als bereits gesagt/ von denen Harpyen so gar hart gequählt wurde. Dis halten einige für eine Geschicht/ und melden/ daß er zwo Töchter gehabt/ deren eine Harpye/ die andere Erasia geheissen; welche/ durch ihr unrein und böses Leben/ ihres Vatters Gut mit banquetiren/ und allerley unverantwortlichen Uberfluß/ fast gäntzlich durchgebracht/ und dem Vatter einen stetswärenden Kummer und Quahl verursacht. Diese zwo Töchter [Spaltenumbruch] wurden/ von den zweyen Söhnen des Boreas/ weggeführt: woraus das Gerüchte entsprungen/ daß sie den Phineus/ vom Hunger und der Armut/ so ihn gequählt/ erlöst hätten. Durch den Phineus ist zu verstehen ein Mensch/ der vom Geitz geblendet ist/ gleichwie seine Kinder/ welches seine Gedancken sind/ eben sowol/ durch seine Unvorsichtigkeit/ geblendet werden. Dann ein geitziger Mensch hat keine Gedancken/ ohn solche/ die durch das Verlangen eines überflüssigen Reichthums verblendet sind. Die unreine Harpyen/ so ihme die Speise wegrauben/ und nach Nothdurfft nicht lassen essen/ sind Sorgen/ Aengsten/ Kümmernüsse/ und Furcht für der Armut/ ja/ unmässige Karg- und Sparsamkeit/ die ihm kaum etwas essen und trincken lassen/ es sey dann halb stinckend/ und so verdorben/ daß es ein ander kaum anrühren möchte. Diese quählende Harpyen können anders nicht vertrieben werden/ dann durch die Tugenden einer gesunden Vernunfft/ und der Mässigkeit. Auch sind einige/ welche die Harpyen auf die Kräffte der Winde deuten. Ingleichen pfleget man auch darbey zu verstehen die Diebereyen. Dann die Harpyen wurden genennet Jungfrauen/ die keine Früchte bringen. Gleichwie auch übel-erworbene Güter unfruchtbar bleiben; indem es gemeinlich nach dem Sprichwort geht: Wie gewonnen/ so zerronnen! Durch den alten Aeson/ der/ durch Hülff der Medea/ wiederum jung wurde/ wird verstanden ein Mensch/ der von langen Zeiten her/ in bösen Sitten/ Gewonheiten und Gebrechen veraltet ist/ und endlich/ durch guten Raht/ oder Unterricht/ so durch die Medea zu verstehen ist/ wiederum zur Erkänntnus gebracht wird/ daß er begehrt im Kessel oder Bade der Vernunfft gesotten/ oder gesäubert zu werden/ durch Reu und Verbesserung/ zu einem ehrlich und tugendlichen Leben.

Belangend die Medea/ so sind annoch verschiedene Erklärungen darüber; Und erstlich zwar die Geschicht belangend/ so meinen etliche/ sie sey gewest ein leichtfertig unehrliches Weib/ das Vatter/ Mutter und Vatterland verrahten und verlassen habe/ und/ aus blinder Liebe/ einem unbekandten Fremdlinge/ dem undanckbar- und treulosen Jason/ welchen sie/ durch Zauberey-Mittel/ zu ihrer Liebe gezwungen habe/ nachgeloffen; diese Liebe habe zwar die Heyraht zu wegen gebracht; sey aber bald in einen Haß verändert/ und folgbarlich zu einem bösen Ende ausgeschlagen. Man schreibet auch/ daß sie/ vermittelst ihrer Kunst und Behändigkeit/ auch die Hertzen/ und Liebe der alten Männer nach sich gezogen/ daß sie so frisch und Weibersüchtig worden/ als junge Gesellen immer seyn mögen. Etliche sagen/ sie habe/ von ihrer Mutter/ der Hecate/ das Vergifften/ Bezauberen/ und die Kräffte der Kräuter oder allerley Artzney erlernet. Auch daß sie eine gewisse kräfftige Blume funden/ mit dero sie schwartze Haare/ weiß/ und hingegen weisse Haare/ schwartz/ machen können: ingleichen daß sie ein Bad zu machen gewust/ womit sie viel Kranckheiten geheilt: nicht weniger habe sie einen Tranck wissen zu bereiten/ durch dessen Gebrauch sie die Menschen in kurtzer Zeit/ gesund gemacht/ und zu bessern Kräfften gebracht

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[[Metamorphosis, S. 88]/0264] mehr Böses/ weder aus einiger andren Sünde/ hervor spriesst/ von seinem Gemüt auswurtzeln möge. Nachdem nun Jason dergestalt unterrichtet/ hat er/ mit Göttlicher Hülffe und Raht/ viel abscheuliche Thiere und Gefährlichkeiten überwunden; zu Colchos die grausame/ Feuer-speyende/ Kupfferfüssige und eisernhörnige Stiere gezähmt/ und die gewaffnete Männer/ durch Raht der Minerva/ von sich abgetrieben: den grossen Drachen/ durch die Medea/ eingeschläfft/ und also das güldene Fließ bekommen. Das güldne Fließ ist die aufrechte alles übertreffende Tugend/ welche anderer Gestalt nicht erlanget wird/ dann durch Uberwindung der bösen Neigungen und Begierden des Fleisches/ welche in uns eine feurige/ und gleichsam Feuer-ausspeyende Krafft haben/ durch unsere eigene/ in uns selbsten wohnende/ böse Art und Natur; und haben solche sich unseren Sinnen/ so tieff und fest impatronirt/ als ob sie gleichsam/ auf kupffernen Füssen/ darinne stünden/ daher sie nicht anders zu hemmen/ als wann wir dem göttlichem Rahte folgen/ so durch die Medea vorgebildet worden. Dann das Griechische Wort/Medos, bedeutet einen Raht. Durch diesen muß man unterwiesen seyn/ seine Gedancken/ zu zwingen/ und im Zaume zu halten. Alsdann ist es nöthig/ durch göttliche Weisheit/ von sich abzutreiben/ die anfallende gewaffnete Männer/ so aus den Drachenzähnen gewachsen; das ist/ alle böse Begierden und Sünden/ so aus dem Hochmuht entstehen und wachsen/ als das Großachten/ oder die Liebe sein selbst/ Verachtung des Nächsten/ Ruhmrähtigkeit/ Ehrsucht/ Neid/ Geitz/ Zorn/ Haß und dergleichen Sünden und Laster mehr; um endlich gantz und gar zu überwinden/ oder matt und wanckend zu machen den überaus grossen Drachen/ den Hochmut/ welcher jederzeit wacht und tracht/ die gantze Welt von der Tugend abzuleiten. Dann Hochmut ist die Königin alles Bösen/ als die den Eingang zu einem tugendlichen Leben gewaltiglich verhindert. Uber dis sind auch noch andere Meinungen von dem güldenem Fließ/ so natürlicher Weise ausgelegt werden können. Als daß Einige meinen/ es sey alle Arbeit/ die vom Jason/ auf seiner Fließ-Reise/ geschehen/ anders nichts/ ohn das Verändern der materialischen Cörper/ welche man in der Chimia gebraucht/ das güldne Fließ/ oder den Stein der Weisen (Lapidem Philosophorum) zu erlangen. Andere halten darfür/ daß Medea/ oder das güldne Fließ sey ein Pergamenen Buch gewesen/ worinne die rechte Kunst Gold zu machen beschrieben gewest; es waren aber Egypter/ die damals zu Colchos wohnten; und dieser Meinung ist auch Svidas. Ich habe noch einige Meinung übergangen/ die ich billig erzehlen sollen/ nemlich/ von dem elenden alten Phineus/ der/ als bereits gesagt/ von denen Harpyen so gar hart gequählt wurde. Dis halten einige für eine Geschicht/ und melden/ daß er zwo Töchter gehabt/ deren eine Harpye/ die andere Erasia geheissen; welche/ durch ihr unrein und böses Leben/ ihres Vatters Gut mit banquetiren/ und allerley unverantwortlichen Uberfluß/ fast gäntzlich durchgebracht/ und dem Vatter einen stetswärenden Kummer und Quahl verursacht. Diese zwo Töchter wurden/ von den zweyen Söhnen des Boreas/ weggeführt: woraus das Gerüchte entsprungen/ daß sie den Phineus/ vom Hunger und der Armut/ so ihn gequählt/ erlöst hätten. Durch den Phineus ist zu verstehen ein Mensch/ der vom Geitz geblendet ist/ gleichwie seine Kinder/ welches seine Gedancken sind/ eben sowol/ durch seine Unvorsichtigkeit/ geblendet werden. Dann ein geitziger Mensch hat keine Gedancken/ ohn solche/ die durch das Verlangen eines überflüssigen Reichthums verblendet sind. Die unreine Harpyen/ so ihme die Speise wegrauben/ und nach Nothdurfft nicht lassen essen/ sind Sorgen/ Aengsten/ Kümmernüsse/ und Furcht für der Armut/ ja/ unmässige Karg- und Sparsamkeit/ die ihm kaum etwas essen und trincken lassen/ es sey dann halb stinckend/ und so verdorben/ daß es ein ander kaum anrühren möchte. Diese quählende Harpyen können anders nicht vertrieben werden/ dann durch die Tugenden einer gesunden Vernunfft/ und der Mässigkeit. Auch sind einige/ welche die Harpyen auf die Kräffte der Winde deuten. Ingleichen pfleget man auch darbey zu verstehen die Diebereyen. Dann die Harpyen wurden genennet Jungfrauen/ die keine Früchte bringen. Gleichwie auch übel-erworbene Güter unfruchtbar bleiben; indem es gemeinlich nach dem Sprichwort geht: Wie gewonnen/ so zerronnen! Durch den alten Aeson/ der/ durch Hülff der Medea/ wiederum jung wurde/ wird verstanden ein Mensch/ der von langen Zeiten her/ in bösen Sitten/ Gewonheiten und Gebrechen veraltet ist/ und endlich/ durch guten Raht/ oder Unterricht/ so durch die Medea zu verstehen ist/ wiederum zur Erkänntnus gebracht wird/ daß er begehrt im Kessel oder Bade der Vernunfft gesotten/ oder gesäubert zu werden/ durch Reu und Verbesserung/ zu einem ehrlich und tugendlichen Leben. Lehrliche Auslegung/ des güldnen Fliesses. Guldne Fließ auf die Alchimia ausgelegt. Belangend die Medea/ so sind annoch verschiedene Erklärungen darüber; Und erstlich zwar die Geschicht belangend/ so meinen etliche/ sie sey gewest ein leichtfertig unehrliches Weib/ das Vatter/ Mutter und Vatterland verrahten und verlassen habe/ und/ aus blinder Liebe/ einem unbekandten Fremdlinge/ dem undanckbar- und treulosen Jason/ welchen sie/ durch Zauberey-Mittel/ zu ihrer Liebe gezwungen habe/ nachgeloffen; diese Liebe habe zwar die Heyraht zu wegen gebracht; sey aber bald in einen Haß verändert/ und folgbarlich zu einem bösen Ende ausgeschlagen. Man schreibet auch/ daß sie/ vermittelst ihrer Kunst und Behändigkeit/ auch die Hertzen/ und Liebe der alten Männer nach sich gezogen/ daß sie so frisch und Weibersüchtig worden/ als junge Gesellen immer seyn mögen. Etliche sagen/ sie habe/ von ihrer Mutter/ der Hecate/ das Vergifften/ Bezauberen/ und die Kräffte der Kräuter oder allerley Artzney erlernet. Auch daß sie eine gewisse kräfftige Blume funden/ mit dero sie schwartze Haare/ weiß/ und hingegen weisse Haare/ schwartz/ machen können: ingleichen daß sie ein Bad zu machen gewust/ womit sie viel Kranckheiten geheilt: nicht weniger habe sie einen Tranck wissen zu bereiten/ durch dessen Gebrauch sie die Menschen in kurtzer Zeit/ gesund gemacht/ und zu bessern Kräfften gebracht

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Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 88]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/264>, abgerufen am 22.11.2024.