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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,1. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] für eine Dicke des Gemäuers/ die Höhe und Tieffe seines Grunds und Fundaments ertrage? Wie die Höhe der Seulen abzutheilen? ob die Fenster und Portale in gleicher und ziemlicher Grösse/ und ob sie ordentlich ausgezieret? Ingleichen ob die Nothwendigkeit iedes Gemaches ausführlich vorhanden? Ob Keller/ Kuchen/ Speiß- und andere Kammern/ auch der sonst nöthige Abtritt recht ausgetheilet? Ob die Gemächer/ Porten und Thüren wol aufeinander correspondiren und einstimmen? Wann nun dis alles nicht geschehen/ würden fast grosse Fehler zu finden seyn. Es würde sehr ungeformt und übel stehen/ zu einem herrlichen Spatzier- und Lust-Saale eine nidere/ änge und finstere Porte zu machen/ und eben so viel seyn/ als wann man einem sonst herrlichen und wol-proportionirten Leib/ einen wilden und häßlichen Kopf aufsetzte. Dahero mus allerdings eine vernünfftige Ordnung/ in der designation und Austheilung gehalten werden. Damit nun alles besser zuergreiffen sey/ wollen wir hier ein Modell, Formular und Richtschnur beyfügen/ und soll alles auf das genaueste beobachtet werden.

Vorbild eines vollkommenen Baues. Anfangs soll die äusserliche Facciata, Frontispicium, oder Portal, in etwas von der Erden erhoben seyn/ daß eine oder zwey Staffeln/ beym Antritt zufinden. Die Gewölber/ Keller und Kuchen sollen/ so viel müglich/ mit einer annehmlichen Lüstigkeit auch Liechte und Helle/ begabet seyn/ um den Gefahren der Erdbeben und Ungewitter Der sol einen wol proportionirten Menschen gleichen desto leichter zu entgehen. Zum andern/ so soll ein rechtschaffener Bau/ einen wolgestalten Menschen in völligem Corpo und allen Gliedmassen/ ohne Mangel praesentiren.

Das Auswendige. Der äussere Bau/ so in der Vorbeygehenden Angesicht fället/ soll prächtig/ majestätisch und herrlich seyn/ auch dem gantzen Gebäue/ wie das Angesicht dem menschlichen Cörper/ eine Zierde Die Pforte oder Thor. geben. Die Porten/ oder das Thor mus just in der Mitten/ wie der Mund in Mitten des Hauptes Fenster. stehen. Die Fenster sollen die menschliche Augen abbilden; welche zur Rechten und Lincken müssen in gleicher Ebenmasse eingetheilt werden: Und dieses ist auch von den Seulen/ Schwibbögen und andern Zieraden/ Dachstuhl. Zieraden zu verstehen. Der Dachstuhl/ auf dem das gantze Dach ruhet/ mus groß/ oder klein/ nach des äusserlichen Baues proportion, gestaltet werden: auch oben sich so weit vor sich neigen/ damit das Gebäu nicht vom Regen und Ungewitter benätzet und abgewaschen werde.

Das Inwendige: Der Vorhof. Wann ich hierauf in das Haus eintrette/ soll ich finden den Vorhof/ oder Eingang/ nach Möglichkeit weit/ ansehnlich und Pompos: Damit die Durchgehende nicht etwan wegen Enge von den aufwartenden Pferden gebissen/ oder geschlagen/ Und Hof. oder sonst beleidiget werden. Der Hof soll wie der menschliche Leib formiret seyn/ nemlich in quadro, oder viereckicht. Die Ubereinstimmung der Gemächer/ Thüren und Fenster soll dem gantzen Hause eine Herrlichkeit/ Schein und Zierde [Spaltenumbruch] Die Stiege oder Treppen. erwerben. Die Stiegen/ oder Treppen zum aufsteigen sollen weit/ liecht/ und nicht mühlich hoch/ auch/ als viel des Orts Gelegenheit zulässt/ mit einfallenden Fenstern versehen seyn. Diese bilden die Füsse und Hände an dem Bau/ müssen demnach/ wie an dem menschlichen Leibe/ zur Seite stehen. Die Höhe ieder Stiegen soll nicht über fünff Staffeln halten/ und iede Staffel zwey Drittel breit seyn.

Correspondenz der Gemächer. Die Zimmer sollen auch/ der Höhe nach/ recht übereinander geordnet seyn/ und Kleines mit dem Kleinen/ Grosses mit dem Grossen correspondiren. Dann gleichwie es eine Unform wäre/ wann der Mensch einen groß- und kleinen Arm/ einen kurtz- und langen Fuß/ ein weis und schwartzes Gesicht hätte/ lahm/ krum/ oder höckericht wäre: also würde auch/ wann die Gleichheit und gebührende Maß in einem Bau nicht observiret/ eine scheusliche Misgeburt von dieser so sinnreichen und hochgeprießnen Mutter der Architectur, oder Baukunst auf die Welt gebracht werden.

Von Diminution der Mauren und deren Abtheilung. Von den Mauren ist hierbey noch zuerinnern/ daß/ ie höher dieselben von den Boden aufwarts/ geführet werden/ ie mehr sie auch zugleich nach und nach abnehmen/ und deswegen auf der Erden um den halben Theil schmäler/ als das Fundament selbst/ seyn sollen. Wie dann auch/ auf solche Weise/ die Mauren des zweyten Stocks um den achten Theil nach und nach/ bis zu oberst des Baues/ nach discretion abnehmen müssen. Und damit das obere Theil nicht allzudünn werde/ so soll das mitlere Theil der Mauer von oben her/ nach der Bleywage/ gerad auf das mittlere Theil von unten her/ eintreffen/ als von dannen die Mauer die Pyramidal-Form anzunehmen hat. Wann aber unten eine superficies und Erhöhung verlanget wird/ die in der geraden Linie stehen soll/ so mus solches in der innern Seite geschehen: Damit die Qvär-balcken und Geläger/ wie auch die Böden/ oder Gewölber/ und andere Dinge des Gebäues mehr/ die Mauer zum fallen oder bewegen nicht veranlassen mögen. Den nachgehenden Theil aber/ weil er auswendig zu stehen kommt/ decket man mit einem Procinctu, oder Cornice, welcher den gantzen Bau umfasset. Solches nun machet eine auserlesene Zierde/ und wird gleichsam ein Band des gantzen Baues.

Wie die Angulen oder Ecken einzurichten. Die Angulen/ oder Ecken betreffend/ weil sie der beyden Seiten gleichfalls theilhafft sind/ und noch über das deren Dienst ist/ solche gerad zusammen zuschliessen/ und zuerhalten/ als sollen sie in unbeweglicher Beständigkeit/ mit lang- und weitreichenden starcken Steinen/ gleich als mit den armen anhalten. Wie dann auch deswegen die Oefnungen/ oder Fenster/ hiervon also weit abzusondern/ als immermehr möglich ist: Und soll man zum wenigsten so viel Platz bey den Angulen frey lassen/ als die Fenster im Liechte halten.

[Spaltenumbruch] für eine Dicke des Gemäuers/ die Höhe und Tieffe seines Grunds und Fundaments ertrage? Wie die Höhe der Seulen abzutheilen? ob die Fenster und Portale in gleicher und ziemlicher Grösse/ und ob sie ordentlich ausgezieret? Ingleichen ob die Nothwendigkeit iedes Gemaches ausführlich vorhanden? Ob Keller/ Kuchen/ Speiß- und andere Kammern/ auch der sonst nöthige Abtritt recht ausgetheilet? Ob die Gemächer/ Porten und Thüren wol aufeinander correspondiren und einstimmen? Wann nun dis alles nicht geschehen/ würden fast grosse Fehler zu finden seyn. Es würde sehr ungeformt und übel stehen/ zu einem herrlichen Spatzier- und Lust-Saale eine nidere/ änge und finstere Porte zu machen/ und eben so viel seyn/ als wann man einem sonst herrlichen und wol-proportionirten Leib/ einen wilden und häßlichen Kopf aufsetzte. Dahero mus allerdings eine vernünfftige Ordnung/ in der designation und Austheilung gehalten werden. Damit nun alles besser zuergreiffen sey/ wollen wir hier ein Modell, Formular und Richtschnur beyfügen/ und soll alles auf das genaueste beobachtet werden.

Vorbild eines vollkommenen Baues. Anfangs soll die äusserliche Facciata, Frontispicium, oder Portal, in etwas von der Erden erhoben seyn/ daß eine oder zwey Staffeln/ beym Antritt zufinden. Die Gewölber/ Keller und Kuchen sollen/ so viel müglich/ mit einer annehmlichen Lüstigkeit auch Liechte und Helle/ begabet seyn/ um den Gefahren der Erdbeben und Ungewitter Der sol einen wol proportionirten Menschen gleichen desto leichter zu entgehen. Zum andern/ so soll ein rechtschaffener Bau/ einen wolgestalten Menschen in völligem Corpo und allen Gliedmassen/ ohne Mangel praesentiren.

Das Auswendige. Der äussere Bau/ so in der Vorbeygehenden Angesicht fället/ soll prächtig/ majestätisch und herrlich seyn/ auch dem gantzen Gebäue/ wie das Angesicht dem menschlichen Cörper/ eine Zierde Die Pforte oder Thor. geben. Die Porten/ oder das Thor mus just in der Mitten/ wie der Mund in Mitten des Hauptes Fenster. stehen. Die Fenster sollen die menschliche Augen abbilden; welche zur Rechten und Lincken müssen in gleicher Ebenmasse eingetheilt werden: Und dieses ist auch von den Seulen/ Schwibbögen und andern Zieraden/ Dachstuhl. Zieraden zu verstehen. Der Dachstuhl/ auf dem das gantze Dach ruhet/ mus groß/ oder klein/ nach des äusserlichen Baues proportion, gestaltet werden: auch oben sich so weit vor sich neigen/ damit das Gebäu nicht vom Regen und Ungewitter benätzet und abgewaschen werde.

Das Inwendige: Der Vorhof. Wann ich hierauf in das Haus eintrette/ soll ich finden den Vorhof/ oder Eingang/ nach Möglichkeit weit/ ansehnlich und Pompos: Damit die Durchgehende nicht etwan wegen Enge von den aufwartenden Pferden gebissen/ oder geschlagen/ Und Hof. oder sonst beleidiget werden. Der Hof soll wie der menschliche Leib formiret seyn/ nemlich in quadro, oder viereckicht. Die Ubereinstimmung der Gemächer/ Thüren und Fenster soll dem gantzen Hause eine Herrlichkeit/ Schein und Zierde [Spaltenumbruch] Die Stiege oder Treppen. erwerben. Die Stiegen/ oder Treppen zum aufsteigen sollen weit/ liecht/ und nicht mühlich hoch/ auch/ als viel des Orts Gelegenheit zulässt/ mit einfallenden Fenstern versehen seyn. Diese bilden die Füsse und Hände an dem Bau/ müssen demnach/ wie an dem menschlichen Leibe/ zur Seite stehen. Die Höhe ieder Stiegen soll nicht über fünff Staffeln halten/ und iede Staffel zwey Drittel breit seyn.

Correspondenz der Gemächer. Die Zimmer sollen auch/ der Höhe nach/ recht übereinander geordnet seyn/ und Kleines mit dem Kleinen/ Grosses mit dem Grossen correspondiren. Dann gleichwie es eine Unform wäre/ wann der Mensch einen groß- und kleinen Arm/ einen kurtz- und langen Fuß/ ein weis und schwartzes Gesicht hätte/ lahm/ krum/ oder höckericht wäre: also würde auch/ wann die Gleichheit und gebührende Maß in einem Bau nicht observiret/ eine scheusliche Misgeburt von dieser so sinnreichen und hochgeprießnen Mutter der Architectur, oder Baukunst auf die Welt gebracht werden.

Von Diminution der Mauren und deren Abtheilung. Von den Mauren ist hierbey noch zuerinnern/ daß/ ie höher dieselben von den Boden aufwarts/ geführet werden/ ie mehr sie auch zugleich nach und nach abnehmen/ und deswegen auf der Erden um den halben Theil schmäler/ als das Fundament selbst/ seyn sollen. Wie dann auch/ auf solche Weise/ die Mauren des zweyten Stocks um den achten Theil nach und nach/ bis zu oberst des Baues/ nach discretion abnehmen müssen. Und damit das obere Theil nicht allzudünn werde/ so soll das mitlere Theil der Mauer von oben her/ nach der Bleywage/ gerad auf das mittlere Theil von unten her/ eintreffen/ als von dannen die Mauer die Pyramidal-Form anzunehmen hat. Wann aber unten eine superficies und Erhöhung verlanget wird/ die in der geraden Linie stehen soll/ so mus solches in der innern Seite geschehen: Damit die Qvär-balcken und Geläger/ wie auch die Böden/ oder Gewölber/ und andere Dinge des Gebäues mehr/ die Mauer zum fallen oder bewegen nicht veranlassen mögen. Den nachgehenden Theil aber/ weil er auswendig zu stehen kommt/ decket man mit einem Procinctu, oder Cornice, welcher den gantzen Bau umfasset. Solches nun machet eine auserlesene Zierde/ und wird gleichsam ein Band des gantzen Baues.

Wie die Angulen oder Ecken einzurichten. Die Angulen/ oder Ecken betreffend/ weil sie der beyden Seiten gleichfalls theilhafft sind/ und noch über das deren Dienst ist/ solche gerad zusammen zuschliessen/ und zuerhalten/ als sollen sie in unbeweglicher Beständigkeit/ mit lang- und weitreichenden starcken Steinen/ gleich als mit den armen anhalten. Wie dann auch deswegen die Oefnungen/ oder Fenster/ hiervon also weit abzusondern/ als immermehr möglich ist: Und soll man zum wenigsten so viel Platz bey den Angulen frey lassen/ als die Fenster im Liechte halten.

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[[I (Architektur), S. 13]/0210] für eine Dicke des Gemäuers/ die Höhe und Tieffe seines Grunds und Fundaments ertrage? Wie die Höhe der Seulen abzutheilen? ob die Fenster und Portale in gleicher und ziemlicher Grösse/ und ob sie ordentlich ausgezieret? Ingleichen ob die Nothwendigkeit iedes Gemaches ausführlich vorhanden? Ob Keller/ Kuchen/ Speiß- und andere Kammern/ auch der sonst nöthige Abtritt recht ausgetheilet? Ob die Gemächer/ Porten und Thüren wol aufeinander correspondiren und einstimmen? Wann nun dis alles nicht geschehen/ würden fast grosse Fehler zu finden seyn. Es würde sehr ungeformt und übel stehen/ zu einem herrlichen Spatzier- und Lust-Saale eine nidere/ änge und finstere Porte zu machen/ und eben so viel seyn/ als wann man einem sonst herrlichen und wol-proportionirten Leib/ einen wilden und häßlichen Kopf aufsetzte. Dahero mus allerdings eine vernünfftige Ordnung/ in der designation und Austheilung gehalten werden. Damit nun alles besser zuergreiffen sey/ wollen wir hier ein Modell, Formular und Richtschnur beyfügen/ und soll alles auf das genaueste beobachtet werden. Anfangs soll die äusserliche Facciata, Frontispicium, oder Portal, in etwas von der Erden erhoben seyn/ daß eine oder zwey Staffeln/ beym Antritt zufinden. Die Gewölber/ Keller und Kuchen sollen/ so viel müglich/ mit einer annehmlichen Lüstigkeit auch Liechte und Helle/ begabet seyn/ um den Gefahren der Erdbeben und Ungewitter desto leichter zu entgehen. Zum andern/ so soll ein rechtschaffener Bau/ einen wolgestalten Menschen in völligem Corpo und allen Gliedmassen/ ohne Mangel praesentiren. Vorbild eines vollkommenen Baues. Der sol einen wol proportionirten Menschen gleichen Der äussere Bau/ so in der Vorbeygehenden Angesicht fället/ soll prächtig/ majestätisch und herrlich seyn/ auch dem gantzen Gebäue/ wie das Angesicht dem menschlichen Cörper/ eine Zierde geben. Die Porten/ oder das Thor mus just in der Mitten/ wie der Mund in Mitten des Hauptes stehen. Die Fenster sollen die menschliche Augen abbilden; welche zur Rechten und Lincken müssen in gleicher Ebenmasse eingetheilt werden: Und dieses ist auch von den Seulen/ Schwibbögen und andern Zieraden zu verstehen. Der Dachstuhl/ auf dem das gantze Dach ruhet/ mus groß/ oder klein/ nach des äusserlichen Baues proportion, gestaltet werden: auch oben sich so weit vor sich neigen/ damit das Gebäu nicht vom Regen und Ungewitter benätzet und abgewaschen werde. Das Auswendige. Die Pforte oder Thor. Fenster. Zieraden/ Dachstuhl. Wann ich hierauf in das Haus eintrette/ soll ich finden den Vorhof/ oder Eingang/ nach Möglichkeit weit/ ansehnlich und Pompos: Damit die Durchgehende nicht etwan wegen Enge von den aufwartenden Pferden gebissen/ oder geschlagen/ oder sonst beleidiget werden. Der Hof soll wie der menschliche Leib formiret seyn/ nemlich in quadro, oder viereckicht. Die Ubereinstimmung der Gemächer/ Thüren und Fenster soll dem gantzen Hause eine Herrlichkeit/ Schein und Zierde erwerben. Die Stiegen/ oder Treppen zum aufsteigen sollen weit/ liecht/ und nicht mühlich hoch/ auch/ als viel des Orts Gelegenheit zulässt/ mit einfallenden Fenstern versehen seyn. Diese bilden die Füsse und Hände an dem Bau/ müssen demnach/ wie an dem menschlichen Leibe/ zur Seite stehen. Die Höhe ieder Stiegen soll nicht über fünff Staffeln halten/ und iede Staffel zwey Drittel breit seyn. Das Inwendige: Der Vorhof. Und Hof. Die Stiege oder Treppen. Die Zimmer sollen auch/ der Höhe nach/ recht übereinander geordnet seyn/ und Kleines mit dem Kleinen/ Grosses mit dem Grossen correspondiren. Dann gleichwie es eine Unform wäre/ wann der Mensch einen groß- und kleinen Arm/ einen kurtz- und langen Fuß/ ein weis und schwartzes Gesicht hätte/ lahm/ krum/ oder höckericht wäre: also würde auch/ wann die Gleichheit und gebührende Maß in einem Bau nicht observiret/ eine scheusliche Misgeburt von dieser so sinnreichen und hochgeprießnen Mutter der Architectur, oder Baukunst auf die Welt gebracht werden. Correspondenz der Gemächer. Von den Mauren ist hierbey noch zuerinnern/ daß/ ie höher dieselben von den Boden aufwarts/ geführet werden/ ie mehr sie auch zugleich nach und nach abnehmen/ und deswegen auf der Erden um den halben Theil schmäler/ als das Fundament selbst/ seyn sollen. Wie dann auch/ auf solche Weise/ die Mauren des zweyten Stocks um den achten Theil nach und nach/ bis zu oberst des Baues/ nach discretion abnehmen müssen. Und damit das obere Theil nicht allzudünn werde/ so soll das mitlere Theil der Mauer von oben her/ nach der Bleywage/ gerad auf das mittlere Theil von unten her/ eintreffen/ als von dannen die Mauer die Pyramidal-Form anzunehmen hat. Wann aber unten eine superficies und Erhöhung verlanget wird/ die in der geraden Linie stehen soll/ so mus solches in der innern Seite geschehen: Damit die Qvär-balcken und Geläger/ wie auch die Böden/ oder Gewölber/ und andere Dinge des Gebäues mehr/ die Mauer zum fallen oder bewegen nicht veranlassen mögen. Den nachgehenden Theil aber/ weil er auswendig zu stehen kommt/ decket man mit einem Procinctu, oder Cornice, welcher den gantzen Bau umfasset. Solches nun machet eine auserlesene Zierde/ und wird gleichsam ein Band des gantzen Baues. Von Diminution der Mauren und deren Abtheilung. Die Angulen/ oder Ecken betreffend/ weil sie der beyden Seiten gleichfalls theilhafft sind/ und noch über das deren Dienst ist/ solche gerad zusammen zuschliessen/ und zuerhalten/ als sollen sie in unbeweglicher Beständigkeit/ mit lang- und weitreichenden starcken Steinen/ gleich als mit den armen anhalten. Wie dann auch deswegen die Oefnungen/ oder Fenster/ hiervon also weit abzusondern/ als immermehr möglich ist: Und soll man zum wenigsten so viel Platz bey den Angulen frey lassen/ als die Fenster im Liechte halten. Wie die Angulen oder Ecken einzurichten.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,1. Nürnberg, 1679, S. [I (Architektur), S. 13]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0201_1679/210>, abgerufen am 22.11.2024.