Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675.[Spaltenumbruch] selbsten aufopfern und sterben wollen. Da dann zu den Füssen zween Engel stunden/ welche schmerzhaft weineten/ die Cherub aber flogen hin und her/ und brachten mit ihren vielfältigen schönen Flügeln den herrlichen Leib unsers Seeligmachers treflich herfür. In zwey kleinern Tüchern aber ist die Menschwerdung Christi/ wie er unser Fleisch an sich genommen/ gemahlt gewesen/ wobey dann nicht genugsam die Schönheit der heiligen Jungfrauen Mariae und der Engel/ auch alle Zugehör selbigen Orts nicht zu beschreiben ist. Und dieses seye von seinen Werken so weit genug gesagt/ damit wir auch etwas von seinem Fleiß und Ubung reden mögen/ so viel wir nämlichen aus seinen Scholaren erfahren können.Diesem Paulo, wie im Anfang schon gemeldet worden/ war von Natur gleichsam diese Kunst in der Jugend eingeflösset/ und er also selbst darzu ganz geneiget/ Erstens Studirt nach den Kupferstichen Albrecht Dürers/ und Parmesans./ als er angefangen/ copirte er die Werke seines Meisters Badile, und die Kupfer oder Abriß Düreri, die er so behalten/ daß er sie in Färtigung der Kleider/ wo er selbige falten wollen/ allezeit in Obacht genommen; Da er aber weiters erwachsen/ gefielen ihme die Zeichnungen Parmesans, deren er sehr viel abcopiret/ sehr wol/ welchen er dann auch eine schöne Erhebung/ gleich als alle fürtrefliche Kunst-Mahler zu thun pflegen/ gegeben. Er beobachtete auch sonderlich wol alle Nerven/ Mußkulen/ Aderen und Schatten/ welche das Licht der Laternen und Facklen von sich gibet/ welches sonst viel nicht nach den natürlichsten/ sondern nur selbst eignem Gutdünken so fortmachen: daß also/ wegen seiner vielfältigen geringsten observationen/ die er in seinen Bildern gebraucht/ von vielen darfür gehalten worden/ daß er zu Hauß einen großen Hauffen der Modellen und Abriß haben müsse/ welche er nachmalen in seinen Gemählden/ wie viel Mahlere gepflogen/ zusammen getragen. Er aber/ der eine köstliche Gedächtnus hatte/ und was er gesehen/ wol behalten konte/ formierte alles von sich selber/ nach seinem selbst eignen Verstand/ und gabe solchem eine sonderbare Annehmlichkeit und Wolstand. Sein einiges Absehen ziehlete da hinaus/ der Natur ihre Fußtapfen zu erreichen. Derohalben er sich vieler berühmten Mahler Gemählde vor Augen gestelt (aber unglückselig ist der jenige/ der das gute vom bösen nicht zu unterscheiden weiß) weiln er auch sonsten eines sehr sinnreichen Verstands gewesen/ zoge er nur allezeit das bäste und vollkommenste heraus/ zu welchem ihme sonderbar gedienet/ daß er die Venetianische Manier in den Gang und die Ubung gebracht/ so allen Mahlern ein Liecht in ihren Künsten angezündet. Dann/ nachdem er in Venedig Gelanget zu der Kunst durch den Wettstreit mit Titian und Tintoret. angelangt/ und daß Titians und Tintorets Gemählde sehr hoch gelobet und gepriesen wurden/ angehört/ aldieweilen sie der Natur sehr nahe kommen/ auch ihme daselbst viel Ding angegeben worden/ welche er in die Wett mit Tintoret machen mussen/ hatte er genug Gelegenheit darzu/ seinen Verstand zu exerciren/ da dann sich beyde beflissen/ daß einer den andern in seiner Kunst übertreffen möchte/ also/ daß sie vielmalen die Kunst-Verständige zweiffelhaft gelassen/ weme der Vorzug oder [Spaltenumbruch] die Oberhand zuzueignen seye/ also daß/ wann Tintoret, durch seine unverdrossene Müh/ einen mehreren Zwang und Natürlichkeit der Kunst zu erkennen gegeben/ weiln er seine Bilder mit vernünftiger Gestalt/ ganz liebhaft und mit guter Manier/ auch treflichem colorit, und ganz sinnreichen und Vergleichung Tintorets und Pauli. unvergleichlichen Gedanken gemacht/ Verones hingegen wegen herrlicher invention, und zierlicher Ausbildung der Gestalten/ Annemlichkeit der Gesichter/ Unterschied der Bilder und anderer sinnreicher Verzierungen/ wie auch wegen so wolständiger proportion und Maß/gratia und Annehmlichkeit (als welche das Leben aller Gemählde ist) ihme die Gegenstang gehalten/ daß sich billich alle Beschauer darüber in Zweiffel begeben müssen/ und nicht anderst dann Castor und Pollux in dem Horizont oder Himmels-Zirkel der fürtreflichen Mahl-Kunst genennet worden/ als die nicht minder/ als neue Atlanten/ das schwere Gewicht dieses hohen Kunst-Baus unterstützet. Dieweiln aber nicht ein jeglicher zu Cron und Scepter gebohren/ wollen wir auch andere Tugenden/ welche in Veronese gewohnet/beyfügen/ durch welche er sich bey GOtt und den Menschen beliebt gemacht. Er hatte nichts dann herrliche Gedanken/ welche er dann in seinen Wercken an Tag gegeben/ sintemalen alle ursprüngliche Dinge ihre gleichförmige Würckung herfürbringen/ und nicht leicht ein herzhafter Adler eine forchtsame Taube erzeugen Die Tugenden Pauli. wird. Er war auch in seinen Handlungen ganz erbar/ und dienete niemand wegen absonderlichen großen Gewinns/ er hielte sich in Kleidung stattlich/ und trug allezeit sammete Schuch/ welche seine Erben noch dato bewahren/ alles/ was er versprach/ hielte er gewiß/ und suchte in allen seinen Werken ein rechtschafnes Lob/ seine Bediente/ oder sein famiglia regierte er mit hoher Vernunft/ und hielte seine Kinder von fremder unartigen Gesellschaft ab/ unterwiese auch diesebe in aller Gottesfurcht und sittlichen Tugenden; Er lebte lang/ und hielte sich klug/ dahero er viel Herrschaften und Güter überkommen/ auch einen solchen Haußraht und Reichtum gesammelt/ so für einen jeglichen Cavallier genug gewesen wäre/ und hinterließe also seinen Kindern Gelt und Güter nach Genüge/ daß selbige ohne Mühwaltung/ die Zeit ihres Lebens/ als Herren leben und bleiben können; Er erhielte auch die Gunst/ favor und Gnade der großen Herren/ wie nicht weniger die Liebe seiner Lehrmeister/ und Dienste aller der jenigen/ welche ihn kennet. Titian ehret ihn. Es erzehlte mir Aliense der Mahler/ daß/ als Titian einest auf S. Marcus Platz ihme begegnet/ und demselben Paulus die schuldige Ehrerbietigkeit erwiesen/ habe Titian ihn freudig umarmet/ und gesprochen: Ich bin sehr froh/ daß ich den jenigen Mann sehe/ in welchem die Fürtreflichkeit und Zierde Wird in Spanien beruffen/ reiset aber nicht dahin. der Mahl-Kunst beysammen ist. Es wurde auch Veronese von Philippo dem andern/ König in Spanien/ um etliche seiner Zimmer zu mahlen/ beschrieben/ so er aber abgeschlagen/ dieweil er eben in dem Herzoglichen Palast beschäftiget gewesen/ so/ daß an seine Stell Frederico Zucchero da S. Agnolo in Vado dahin abgereist: Dieser/ wie er zu Venedig sich aufgehalten/ besuchte unterweilen [Spaltenumbruch] selbsten aufopfern und sterben wollen. Da dann zu den Füssen zween Engel stunden/ welche schmerzhaft weineten/ die Cherub aber flogen hin und her/ und brachten mit ihren vielfältigen schönen Flügeln den herrlichen Leib unsers Seeligmachers treflich herfür. In zwey kleinern Tüchern aber ist die Menschwerdung Christi/ wie er unser Fleisch an sich genommen/ gemahlt gewesen/ wobey dann nicht genugsam die Schönheit der heiligen Jungfrauen Mariae und der Engel/ auch alle Zugehör selbigen Orts nicht zu beschreiben ist. Und dieses seye von seinen Werken so weit genug gesagt/ damit wir auch etwas von seinem Fleiß und Ubung reden mögen/ so viel wir nämlichen aus seinen Scholaren erfahren können.Diesem Paulo, wie im Anfang schon gemeldet worden/ war von Natur gleichsam diese Kunst in der Jugend eingeflösset/ und er also selbst darzu ganz geneiget/ Erstens Studirt nach den Kupferstichen Albrecht Dürers/ und Parmesans./ als er angefangen/ copirte er die Werke seines Meisters Badile, und die Kupfer oder Abriß Düreri, die er so behalten/ daß er sie in Färtigung der Kleider/ wo er selbige falten wollen/ allezeit in Obacht genommen; Da er aber weiters erwachsen/ gefielen ihme die Zeichnungen Parmesans, deren er sehr viel abcopiret/ sehr wol/ welchen er dann auch eine schöne Erhebung/ gleich als alle fürtrefliche Kunst-Mahler zu thun pflegen/ gegeben. Er beobachtete auch sonderlich wol alle Nerven/ Mußkulen/ Aderen und Schatten/ welche das Licht der Laternen und Facklen von sich gibet/ welches sonst viel nicht nach den natürlichsten/ sondern nur selbst eignem Gutdünken so fortmachen: daß also/ wegen seiner vielfältigen geringsten observationen/ die er in seinen Bildern gebraucht/ von vielen darfür gehalten worden/ daß er zu Hauß einen großen Hauffen der Modellen und Abriß haben müsse/ welche er nachmalen in seinen Gemählden/ wie viel Mahlere gepflogen/ zusammen getragen. Er aber/ der eine köstliche Gedächtnus hatte/ und was er gesehen/ wol behalten konte/ formierte alles von sich selber/ nach seinem selbst eignen Verstand/ und gabe solchem eine sonderbare Annehmlichkeit und Wolstand. Sein einiges Absehen ziehlete da hinaus/ der Natur ihre Fußtapfen zu erreichen. Derohalben er sich vieler berühmten Mahler Gemählde vor Augen gestelt (aber unglückselig ist der jenige/ der das gute vom bösen nicht zu unterscheiden weiß) weiln er auch sonsten eines sehr sinnreichen Verstands gewesen/ zoge er nur allezeit das bäste und vollkommenste heraus/ zu welchem ihme sonderbar gedienet/ daß er die Venetianische Manier in den Gang und die Ubung gebracht/ so allen Mahlern ein Liecht in ihren Künsten angezündet. Dann/ nachdem er in Venedig Gelanget zu der Kunst durch den Wettstreit mit Titian und Tintoret. angelangt/ und daß Titians und Tintorets Gemählde sehr hoch gelobet und gepriesen wurden/ angehört/ aldieweilen sie der Natur sehr nahe kommen/ auch ihme daselbst viel Ding angegeben worden/ welche er in die Wett mit Tintoret machen mussen/ hatte er genug Gelegenheit darzu/ seinen Verstand zu exerciren/ da dann sich beyde beflissen/ daß einer den andern in seiner Kunst übërtreffen möchte/ also/ daß sie vielmalen die Kunst-Verständige zweiffelhaft gelassen/ weme der Vorzug oder [Spaltenumbruch] die Oberhand zuzueignen seye/ also daß/ wann Tintoret, durch seine unverdrossene Müh/ einen mehreren Zwang und Natürlichkeit der Kunst zu erkennen gegeben/ weiln er seine Bilder mit vernünftiger Gestalt/ ganz liebhaft und mit guter Manier/ auch treflichem colorit, und ganz sinnreichen und Vergleichung Tintorets und Pauli. unvergleichlichen Gedanken gemacht/ Verones hingegen wegen herrlicher invention, und zierlicher Ausbildung der Gestalten/ Annemlichkeit der Gesichter/ Unterschied der Bilder und anderer sinnreicher Verzierungen/ wie auch wegen so wolständiger proportion und Maß/gratia und Annehmlichkeit (als welche das Leben aller Gemählde ist) ihme die Gegenstang gehalten/ daß sich billich alle Beschauer darüber in Zweiffel begeben müssen/ und nicht anderst dann Castor und Pollux in dem Horizont oder Himmels-Zirkel der fürtreflichen Mahl-Kunst genennet worden/ als die nicht minder/ als neue Atlanten/ das schwere Gewicht dieses hohen Kunst-Baus unterstützet. Dieweiln aber nicht ein jeglicher zu Cron und Scepter gebohren/ wollen wir auch andere Tugenden/ welche in Veronese gewohnet/beyfügen/ durch welche er sich bey GOtt und den Menschen beliebt gemacht. Er hatte nichts dann herrliche Gedanken/ welche er dann in seinen Wercken an Tag gegeben/ sintemalen alle ursprüngliche Dinge ihre gleichförmige Würckung herfürbringen/ und nicht leicht ein herzhafter Adler eine forchtsame Taube erzeugen Die Tugenden Pauli. wird. Er war auch in seinen Handlungen ganz erbar/ und dienete niemand wegen absonderlichen großen Gewinns/ er hielte sich in Kleidung stattlich/ und trug allezeit sammete Schuch/ welche seine Erben noch dato bewahren/ alles/ was er versprach/ hielte er gewiß/ und suchte in allen seinen Werken ein rechtschafnes Lob/ seine Bediente/ oder sein famiglia regierte er mit hoher Vernunft/ und hielte seine Kinder von fremder unartigen Gesellschaft ab/ unterwiese auch diesebe in aller Gottesfurcht und sittlichen Tugenden; Er lebte lang/ und hielte sich klug/ dahero er viel Herrschaften und Güter überkommen/ auch einen solchen Haußraht und Reichtum gesammelt/ so für einen jeglichen Cavallier genug gewesen wäre/ und hinterließe also seinen Kindern Gelt und Güter nach Genüge/ daß selbige ohne Mühwaltung/ die Zeit ihres Lebens/ als Herren leben und bleiben können; Er erhielte auch die Gunst/ favor und Gnade der großen Herren/ wie nicht weniger die Liebe seiner Lehrmeister/ und Dienste aller der jenigen/ welche ihn kennet. Titian ehret ihn. Es erzehlte mir Aliense der Mahler/ daß/ als Titian einest auf S. Marcus Platz ihme begegnet/ und demselben Paulus die schuldige Ehrerbietigkeit erwiesen/ habe Titian ihn freudig umarmet/ und gesprochen: Ich bin sehr froh/ daß ich den jenigen Mann sehe/ in welchem die Fürtreflichkeit und Zierde Wird in Spanien beruffen/ reiset aber nicht dahin. der Mahl-Kunst beysammen ist. Es wurde auch Veronese von Philippo dem andern/ König in Spanien/ um etliche seiner Zimmer zu mahlen/ beschrieben/ so er aber abgeschlagen/ dieweil er eben in dem Herzoglichen Palast beschäftiget gewesen/ so/ daß an seine Stell Frederico Zucchero da S. Agnolo in Vado dahin abgereist: Dieser/ wie er zu Venedig sich aufgehalten/ besuchte unterweilen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="d379.1"> <p><pb facs="#f0208" xml:id="pb-387" n="[II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 174]"/><cb/> selbsten aufopfern und sterben wollen. 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Er beobachtete auch sonderlich wol alle Nerven/ Mußkulen/ Aderen und Schatten/ welche das Licht der Laternen und Facklen von sich gibet/ welches sonst viel nicht nach den natürlichsten/ sondern nur selbst eignem Gutdünken so fortmachen: daß also/ wegen seiner vielfältigen geringsten <hi rendition="#aq">observation</hi>en/ die er in seinen Bildern gebraucht/ von vielen darfür gehalten worden/ daß er zu Hauß einen großen Hauffen der Modellen und Abriß haben müsse/ welche er nachmalen in seinen Gemählden/ wie viel Mahlere gepflogen/ zusammen getragen. Er aber/ der eine köstliche Gedächtnus hatte/ und was er gesehen/ wol behalten konte/ formierte alles von sich selber/ nach seinem selbst eignen Verstand/ und gabe solchem eine sonderbare Annehmlichkeit und Wolstand.</p> <p>Sein einiges Absehen ziehlete da hinaus/ der Natur ihre Fußtapfen zu erreichen. Derohalben er sich vieler berühmten Mahler Gemählde vor Augen gestelt (aber unglückselig ist der jenige/ der das gute vom bösen nicht zu unterscheiden weiß) weiln er auch sonsten eines sehr sinnreichen Verstands gewesen/ zoge er nur allezeit das bäste und vollkommenste heraus/ zu welchem ihme sonderbar gedienet/ daß er die Venetianische Manier in den Gang und die Ubung gebracht/ so allen Mahlern ein Liecht in ihren Künsten angezündet. 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Marcus</hi> Platz</placeName> ihme begegnet/ und demselben <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1020 http://d-nb.info/gnd/118626647 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&role=&nation=&subjectid=500021218 http://viaf.org/viaf/95162605">Paulus</persName></hi> die schuldige Ehrerbietigkeit erwiesen/ habe <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-19 http://d-nb.info/gnd/118622994 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&role=&nation=&subjectid=500031075 http://viaf.org/viaf/61533439">Titian</persName></hi> ihn freudig umarmet/ und gesprochen: Ich bin sehr froh/ daß ich den jenigen Mann sehe/ in welchem die Fürtreflichkeit und Zierde <note place="right">Wird in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-353 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=1000095">Spanien</placeName> beruffen/ reiset aber nicht dahin.</note> der Mahl-Kunst beysammen ist. 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Agnolo in Vado</placeName></hi> dahin abgereist: Dieser/ wie er zu <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1 http://www.geonames.org/3164603/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7018159">Venedig</placeName> sich aufgehalten/ besuchte unterweilen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 174]/0208]
selbsten aufopfern und sterben wollen. Da dann zu den Füssen zween Engel stunden/ welche schmerzhaft weineten/ die Cherub aber flogen hin und her/ und brachten mit ihren vielfältigen schönen Flügeln den herrlichen Leib unsers Seeligmachers treflich herfür. In zwey kleinern Tüchern aber ist die Menschwerdung Christi/ wie er unser Fleisch an sich genommen/ gemahlt gewesen/ wobey dann nicht genugsam die Schönheit der heiligen Jungfrauen Mariae und der Engel/ auch alle Zugehör selbigen Orts nicht zu beschreiben ist.
Und dieses seye von seinen Werken so weit genug gesagt/ damit wir auch etwas von seinem Fleiß und Ubung reden mögen/ so viel wir nämlichen aus seinen Scholaren erfahren können.Diesem Paulo, wie im Anfang schon gemeldet worden/ war von Natur gleichsam diese Kunst in der Jugend eingeflösset/ und er also selbst darzu ganz geneiget/ Erstens / als er angefangen/ copirte er die Werke seines Meisters Badile, und die Kupfer oder Abriß Düreri, die er so behalten/ daß er sie in Färtigung der Kleider/ wo er selbige falten wollen/ allezeit in Obacht genommen; Da er aber weiters erwachsen/ gefielen ihme die Zeichnungen Parmesans, deren er sehr viel abcopiret/ sehr wol/ welchen er dann auch eine schöne Erhebung/ gleich als alle fürtrefliche Kunst-Mahler zu thun pflegen/ gegeben. Er beobachtete auch sonderlich wol alle Nerven/ Mußkulen/ Aderen und Schatten/ welche das Licht der Laternen und Facklen von sich gibet/ welches sonst viel nicht nach den natürlichsten/ sondern nur selbst eignem Gutdünken so fortmachen: daß also/ wegen seiner vielfältigen geringsten observationen/ die er in seinen Bildern gebraucht/ von vielen darfür gehalten worden/ daß er zu Hauß einen großen Hauffen der Modellen und Abriß haben müsse/ welche er nachmalen in seinen Gemählden/ wie viel Mahlere gepflogen/ zusammen getragen. Er aber/ der eine köstliche Gedächtnus hatte/ und was er gesehen/ wol behalten konte/ formierte alles von sich selber/ nach seinem selbst eignen Verstand/ und gabe solchem eine sonderbare Annehmlichkeit und Wolstand.
Studirt nach den Kupferstichen Albrecht Dürers/ und Parmesans. Sein einiges Absehen ziehlete da hinaus/ der Natur ihre Fußtapfen zu erreichen. Derohalben er sich vieler berühmten Mahler Gemählde vor Augen gestelt (aber unglückselig ist der jenige/ der das gute vom bösen nicht zu unterscheiden weiß) weiln er auch sonsten eines sehr sinnreichen Verstands gewesen/ zoge er nur allezeit das bäste und vollkommenste heraus/ zu welchem ihme sonderbar gedienet/ daß er die Venetianische Manier in den Gang und die Ubung gebracht/ so allen Mahlern ein Liecht in ihren Künsten angezündet. Dann/ nachdem er in Venedig angelangt/ und daß Titians und Tintorets Gemählde sehr hoch gelobet und gepriesen wurden/ angehört/ aldieweilen sie der Natur sehr nahe kommen/ auch ihme daselbst viel Ding angegeben worden/ welche er in die Wett mit Tintoret machen mussen/ hatte er genug Gelegenheit darzu/ seinen Verstand zu exerciren/ da dann sich beyde beflissen/ daß einer den andern in seiner Kunst übërtreffen möchte/ also/ daß sie vielmalen die Kunst-Verständige zweiffelhaft gelassen/ weme der Vorzug oder
die Oberhand zuzueignen seye/ also daß/ wann Tintoret, durch seine unverdrossene Müh/ einen mehreren Zwang und Natürlichkeit der Kunst zu erkennen gegeben/ weiln er seine Bilder mit vernünftiger Gestalt/ ganz liebhaft und mit guter Manier/ auch treflichem colorit, und ganz sinnreichen und unvergleichlichen Gedanken gemacht/ Verones hingegen wegen herrlicher invention, und zierlicher Ausbildung der Gestalten/ Annemlichkeit der Gesichter/ Unterschied der Bilder und anderer sinnreicher Verzierungen/ wie auch wegen so wolständiger proportion und Maß/gratia und Annehmlichkeit (als welche das Leben aller Gemählde ist) ihme die Gegenstang gehalten/ daß sich billich alle Beschauer darüber in Zweiffel begeben müssen/ und nicht anderst dann Castor und Pollux in dem Horizont oder Himmels-Zirkel der fürtreflichen Mahl-Kunst genennet worden/ als die nicht minder/ als neue Atlanten/ das schwere Gewicht dieses hohen Kunst-Baus unterstützet.
Gelanget zu der Kunst durch den Wettstreit mit Titian und Tintoret.
Vergleichung Tintorets und Pauli. Dieweiln aber nicht ein jeglicher zu Cron und Scepter gebohren/ wollen wir auch andere Tugenden/ welche in Veronese gewohnet/beyfügen/ durch welche er sich bey GOtt und den Menschen beliebt gemacht. Er hatte nichts dann herrliche Gedanken/ welche er dann in seinen Wercken an Tag gegeben/ sintemalen alle ursprüngliche Dinge ihre gleichförmige Würckung herfürbringen/ und nicht leicht ein herzhafter Adler eine forchtsame Taube erzeugen wird. Er war auch in seinen Handlungen ganz erbar/ und dienete niemand wegen absonderlichen großen Gewinns/ er hielte sich in Kleidung stattlich/ und trug allezeit sammete Schuch/ welche seine Erben noch dato bewahren/ alles/ was er versprach/ hielte er gewiß/ und suchte in allen seinen Werken ein rechtschafnes Lob/ seine Bediente/ oder sein famiglia regierte er mit hoher Vernunft/ und hielte seine Kinder von fremder unartigen Gesellschaft ab/ unterwiese auch diesebe in aller Gottesfurcht und sittlichen Tugenden; Er lebte lang/ und hielte sich klug/ dahero er viel Herrschaften und Güter überkommen/ auch einen solchen Haußraht und Reichtum gesammelt/ so für einen jeglichen Cavallier genug gewesen wäre/ und hinterließe also seinen Kindern Gelt und Güter nach Genüge/ daß selbige ohne Mühwaltung/ die Zeit ihres Lebens/ als Herren leben und bleiben können; Er erhielte auch die Gunst/ favor und Gnade der großen Herren/ wie nicht weniger die Liebe seiner Lehrmeister/ und Dienste aller der jenigen/ welche ihn kennet.
Die Tugenden Pauli. Es erzehlte mir Aliense der Mahler/ daß/ als Titian einest auf S. Marcus Platz ihme begegnet/ und demselben Paulus die schuldige Ehrerbietigkeit erwiesen/ habe Titian ihn freudig umarmet/ und gesprochen: Ich bin sehr froh/ daß ich den jenigen Mann sehe/ in welchem die Fürtreflichkeit und Zierde der Mahl-Kunst beysammen ist. Es wurde auch Veronese von Philippo dem andern/ König in Spanien/ um etliche seiner Zimmer zu mahlen/ beschrieben/ so er aber abgeschlagen/ dieweil er eben in dem Herzoglichen Palast beschäftiget gewesen/ so/ daß an seine Stell Frederico Zucchero da S. Agnolo in Vado dahin abgereist: Dieser/ wie er zu Venedig sich aufgehalten/ besuchte unterweilen
Titian ehret ihn.
Wird in Spanien beruffen/ reiset aber nicht dahin.
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675, S. [II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 174]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0102_1675/208>, abgerufen am 16.07.2024. |