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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.

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[Spaltenumbruch] und daß er in seiner Vernunft nicht erfinden oder vorbilden könne/ wie er ein Ding recht machen soll/ er sehe dann die Fehler vor Augen. Solche/ die mit Forcht und verzagt den Pensel führen/ kommen mir vor/ als die Blinden/ welche die Bahn mit dem Stab bestechen/ damit ihnen nichts im Weg lige/ darwider sie gehen und sich stossen oder verletzen möchten. Darum soll der Mahler sich dahin gewöhnen/ jedesmal alle Dinge im Sinn und Verstand eigentlich zu überschlagen/ bevor er Hand anlege/ und seine Arbeit auf eine gute Speculation und Wissenschaft gründen.

Mahlerey auf Stein:Es ist den Kunst-Meistern das Herz allezeit mehr und mehr gewachsen/ daß sie sich unterfangen/ nicht allein auf Mauren/ Tafeln und Leinwat/ sondern auch auf Stein/ zu mahlen: worzu sehr tauglich ist der jenige/ so bey Genoua anzutreffen/ und als Lastri, auf welsch Lastri benamet wird. Noch tauglicher aber ist/ bey uns Teutschen/ der am Rheinstrom und und Schieferstein. anderer Orten befindliche Schieferstein: weil solcher die Farben sehr gern annimmet und behaltet:[Spaltenumbruch] wie dann auf diesem unzahlbar-viel Gemälde gemacht worden/ und noch täglich gemacht werden. Vielfärbige Steine taugen nicht hierzu.Man hat es zwar auch auf dem Porfido, Schlangenstein/ und Mischio, und andern Teutschen Steinen/ probirt: sie sind aber/ weil sie vielfärbig und gemängt/ nicht also tauglich befunden worden. Doch ist/ das weiße Marmor/ auch stark im Gebrauch. Je rauher und truckner aber die Steine sind/ (doch daß sie nicht sandig seyen) je lieber und leichter nehmen sie die Farben an. Solche Steine können sehr schön poliret werden/ daß sie zum Auf Stein läßt es sich/ ohne Grund/ mahlen. Mahlen völlig taugen. Es ist auch unnötig/ die Steine vorher mit Leimwasser/ oder anderm/ zu bestreichen: weil sie schon trucken sind/ und die erste Hand des Künstlers ganz liebreich und demütig annehmen. Will man aber einen Grund machen/ so mus er von Oelfarben seyn: weil der Leimgrund die Farben abspringen machet. Es werden aber hierzu die Farben anderst nicht zugerichtet/ als wie sonst mit Oelfarb/ auf Tafel und Leinwat/ verstandner maßen/ gebräuchlich ist.

Das V Capitel.
Von Des Menschlichen Leibes Maß
und Proportion.

Innhalt.

Der Menschliche Leib/ vergleichet sich einem Tempel-Bau. Die Wissenschaft von dessen Maß und Proportion, ist eines von der Mahlerey nötigsten Studien. Unterschiedliche Abmessungen: des Angesichts/ der Hand/ des Armes und Kopfes/ der Stirn und Nase/ des Fußes/ der Brust. Der Nabel ist Mittelpunct/ in des Leibes Zirkel-Runde. Länge des menschlichen Leibes. Der antichen Cubitus oder Elnbogen. Viel messen/ stehet mehr dem Bildhauer zu/ als dem Mahler. Wie der Leib/ nach acht Häupter Länge/ zu messen ? Breite des Männ- und Weiblichen Leibes. Proportion der Kinder. Kürzere und längere Bilder: die längere/ sind weniger verwerflich. Hiervon mus man in Büchern und Bildern studiren. Im Abmessen/ ist Maß zu halten/ und in gebogenen Gliedern nachzugeben; Figur hiervon. Der Mahler mus auch die Anatomie, wegen der Musculen und Gebeine/ verstehen: davon hierbey ein antich-Bild/ der geschundene Marsyas.

[Spaltenumbruch]

Des Menschen Leib/ vergleichet sich einem Tempel-Bau.DIe Proportion eines wolgestalten Menschen/ wird verglichen einem schönen wol-gebauten Tempel: in welchem/ alle Theile des Baues/ in guter rechter Ordnung und Maß/ wolständig auf einander sich schliessen. Also hat der große himmlische Werkmeister/ in Erschaffung des Menschen/ die allergröste Vollkommenheit bewisen/ und dessen Leib mit verwunderlich-schöner Gestaltung an Gliedern/ Maß und Form/ unvergleichlich-zierlich Die Wissenschaft von dessen Maß und Proportion, ist eines von der Mahlerey nötigste Studien. und vollkommen ausgebildet. Diese/ des Menschen Gestalt und Proportion recht zu verstehen/ ist eines der vornehmsten und nötigsten Studien von unserer Academie: welches ich/ jedoch nur in den vollkommensten Stucken/ und an[Spaltenumbruch] welchen das meiste gelegen/ (dann die unformliche anhero nicht gehörig/) dißorts vorzustellen mir vorgenommen.

Unterschiedliche Abmessungen: des Angesichts/Erstlich messet man/ von dem Orte des Haupts oder der Stirn/ allwo das Haar zu wachsen anfähet/ bis unter das Kien hinab/ so wir das Angesicht nennen: dieses ist ein zehender Theil von des ganzen Menschen Länge. So ist auch die Hand/ von der Hand/ dem Ort an zu rechnen/ wo sie an dem Arm sich bieget/ bis zum Ende des längsten Fingers/ die Länge des Armes/ des Angesichts. Der Vörder-Arm/Cubitus genannt/ vom Elnbogen bis zu Ende des Mittelfingers gerechnet/ gibt ein viertes Theil vom Menschen. und Kopfes/ Wann man von des Haupts Wirbel an/ bis unter das Kien/ rechnet/ so wird sich befinden ein acht-theil des Menschlichen Leibes: also auch/ wann

[Spaltenumbruch] und daß er in seiner Vernunft nicht erfinden oder vorbilden könne/ wie er ein Ding recht machen soll/ er sehe dann die Fehler vor Augen. Solche/ die mit Forcht und verzagt den Pensel führen/ kommen mir vor/ als die Blinden/ welche die Bahn mit dem Stab bestechen/ damit ihnen nichts im Weg lige/ darwider sie gehen und sich stossen oder verletzen möchten. Darum soll der Mahler sich dahin gewöhnen/ jedesmal alle Dinge im Sinn und Verstand eigentlich zu überschlagen/ bevor er Hand anlege/ und seine Arbeit auf eine gute Speculation und Wissenschaft gründen.

Mahlerey auf Stein:Es ist den Kunst-Meistern das Herz allezeit mehr und mehr gewachsen/ daß sie sich unterfangen/ nicht allein auf Mauren/ Tafeln und Leinwat/ sondern auch auf Stein/ zu mahlen: worzu sehr tauglich ist der jenige/ so bey Genoua anzutreffen/ und als Lastri, auf welsch Lastri benamet wird. Noch tauglicher aber ist/ bey uns Teutschen/ der am Rheinstrom und und Schieferstein. anderer Orten befindliche Schieferstein: weil solcher die Farben sehr gern annimmet und behaltet:[Spaltenumbruch] wie dann auf diesem unzahlbar-viel Gemälde gemacht worden/ und noch täglich gemacht werden. Vielfärbige Steine taugen nicht hierzu.Man hat es zwar auch auf dem Porfido, Schlangenstein/ und Mischio, und andern Teutschen Steinen/ probirt: sie sind aber/ weil sie vielfärbig und gemängt/ nicht also tauglich befunden worden. Doch ist/ das weiße Marmor/ auch stark im Gebrauch. Je rauher und truckner aber die Steine sind/ (doch daß sie nicht sandig seyen) je lieber und leichter nehmen sie die Farben an. Solche Steine können sehr schön poliret werden/ daß sie zum Auf Stein läßt es sich/ ohne Grund/ mahlen. Mahlen völlig taugen. Es ist auch unnötig/ die Steine vorher mit Leimwasser/ oder anderm/ zu bestreichen: weil sie schon trucken sind/ und die erste Hand des Künstlers ganz liebreich und demütig annehmen. Will man aber einen Grund machen/ so mus er von Oelfarben seyn: weil der Leimgrund die Farben abspringen machet. Es werden aber hierzu die Farben anderst nicht zugerichtet/ als wie sonst mit Oelfarb/ auf Tafel und Leinwat/ verstandner maßen/ gebräuchlich ist.

Das V Capitel.
Von Des Menschlichen Leibes Maß
und Proportion.

Innhalt.

Der Menschliche Leib/ vergleichet sich einem Tempel-Bau. Die Wissenschaft von dessen Maß und Proportion, ist eines von der Mahlerey nötigsten Studien. Unterschiedliche Abmessungen: des Angesichts/ der Hand/ des Armes und Kopfes/ der Stirn und Nase/ des Fußes/ der Brust. Der Nabel ist Mittelpunct/ in des Leibes Zirkel-Runde. Länge des menschlichen Leibes. Der antichen Cubitus oder Elnbogen. Viel messen/ stehet mehr dem Bildhauer zu/ als dem Mahler. Wie der Leib/ nach acht Häupter Länge/ zu messen ? Breite des Männ- und Weiblichen Leibes. Proportion der Kinder. Kürzere und längere Bilder: die längere/ sind weniger verwerflich. Hiervon mus man in Büchern und Bildern studiren. Im Abmessen/ ist Maß zu halten/ und in gebogenen Gliedern nachzugeben; Figur hiervon. Der Mahler mus auch die Anatomie, wegen der Musculen und Gebeine/ verstehen: davon hierbey ein antich-Bild/ der geschundene Marsyas.

[Spaltenumbruch]

Des Menschen Leib/ vergleichet sich einem Tempel-Bau.DIe Proportion eines wolgestalten Menschen/ wird verglichen einem schönen wol-gebauten Tempel: in welchem/ alle Theile des Baues/ in guter rechter Ordnung und Maß/ wolständig auf einander sich schliessen. Also hat der große himmlische Werkmeister/ in Erschaffung des Menschen/ die allergröste Vollkommenheit bewisen/ und dessen Leib mit verwunderlich-schöner Gestaltung an Gliedern/ Maß und Form/ unvergleichlich-zierlich Die Wissenschaft von dessen Maß und Proportion, ist eines von der Mahlerey nötigste Studien. und vollkommen ausgebildet. Diese/ des Menschen Gestalt und Proportion recht zu verstehen/ ist eines der vornehmsten und nötigsten Studien von unserer Academie: welches ich/ jedoch nur in den vollkommensten Stucken/ und an[Spaltenumbruch] welchen das meiste gelegen/ (dann die unformliche anhero nicht gehörig/) dißorts vorzustellen mir vorgenommen.

Unterschiedliche Abmessungen: des Angesichts/Erstlich messet man/ von dem Orte des Haupts oder der Stirn/ allwo das Haar zu wachsen anfähet/ bis unter das Kien hinab/ so wir das Angesicht nennen: dieses ist ein zehender Theil von des ganzen Menschen Länge. So ist auch die Hand/ von der Hand/ dem Ort an zu rechnen/ wo sie an dem Arm sich bieget/ bis zum Ende des längsten Fingers/ die Länge des Armes/ des Angesichts. Der Vörder-Arm/Cubitus genannt/ vom Elnbogen bis zu Ende des Mittelfingers gerechnet/ gibt ein viertes Theil vom Menschen. und Kopfes/ Wann man von des Haupts Wirbel an/ bis unter das Kien/ rechnet/ so wird sich befinden ein acht-theil des Menschlichen Leibes: also auch/ wann

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[[I, Buch 3 (Malerei), S. 67]/0246] und daß er in seiner Vernunft nicht erfinden oder vorbilden könne/ wie er ein Ding recht machen soll/ er sehe dann die Fehler vor Augen. Solche/ die mit Forcht und verzagt den Pensel führen/ kommen mir vor/ als die Blinden/ welche die Bahn mit dem Stab bestechen/ damit ihnen nichts im Weg lige/ darwider sie gehen und sich stossen oder verletzen möchten. Darum soll der Mahler sich dahin gewöhnen/ jedesmal alle Dinge im Sinn und Verstand eigentlich zu überschlagen/ bevor er Hand anlege/ und seine Arbeit auf eine gute Speculation und Wissenschaft gründen. Es ist den Kunst-Meistern das Herz allezeit mehr und mehr gewachsen/ daß sie sich unterfangen/ nicht allein auf Mauren/ Tafeln und Leinwat/ sondern auch auf Stein/ zu mahlen: worzu sehr tauglich ist der jenige/ so bey Genoua anzutreffen/ und auf welsch Lastri benamet wird. Noch tauglicher aber ist/ bey uns Teutschen/ der am Rheinstrom und anderer Orten befindliche Schieferstein: weil solcher die Farben sehr gern annimmet und behaltet: wie dann auf diesem unzahlbar-viel Gemälde gemacht worden/ und noch täglich gemacht werden. Man hat es zwar auch auf dem Porfido, Schlangenstein/ und Mischio, und andern Teutschen Steinen/ probirt: sie sind aber/ weil sie vielfärbig und gemängt/ nicht also tauglich befunden worden. Doch ist/ das weiße Marmor/ auch stark im Gebrauch. Je rauher und truckner aber die Steine sind/ (doch daß sie nicht sandig seyen) je lieber und leichter nehmen sie die Farben an. Solche Steine können sehr schön poliret werden/ daß sie zum Mahlen völlig taugen. Es ist auch unnötig/ die Steine vorher mit Leimwasser/ oder anderm/ zu bestreichen: weil sie schon trucken sind/ und die erste Hand des Künstlers ganz liebreich und demütig annehmen. Will man aber einen Grund machen/ so mus er von Oelfarben seyn: weil der Leimgrund die Farben abspringen machet. Es werden aber hierzu die Farben anderst nicht zugerichtet/ als wie sonst mit Oelfarb/ auf Tafel und Leinwat/ verstandner maßen/ gebräuchlich ist. Mahlerey auf Stein: als Lastri, und Schieferstein. Vielfärbige Steine taugen nicht hierzu. Auf Stein läßt es sich/ ohne Grund/ mahlen.Das V Capitel. Von Des Menschlichen Leibes Maß und Proportion. Innhalt. Der Menschliche Leib/ vergleichet sich einem Tempel-Bau. Die Wissenschaft von dessen Maß und Proportion, ist eines von der Mahlerey nötigsten Studien. Unterschiedliche Abmessungen: des Angesichts/ der Hand/ des Armes und Kopfes/ der Stirn und Nase/ des Fußes/ der Brust. Der Nabel ist Mittelpunct/ in des Leibes Zirkel-Runde. Länge des menschlichen Leibes. Der antichen Cubitus oder Elnbogen. Viel messen/ stehet mehr dem Bildhauer zu/ als dem Mahler. Wie der Leib/ nach acht Häupter Länge/ zu messen ? Breite des Männ- und Weiblichen Leibes. Proportion der Kinder. Kürzere und längere Bilder: die längere/ sind weniger verwerflich. Hiervon mus man in Büchern und Bildern studiren. Im Abmessen/ ist Maß zu halten/ und in gebogenen Gliedern nachzugeben; Figur hiervon. Der Mahler mus auch die Anatomie, wegen der Musculen und Gebeine/ verstehen: davon hierbey ein antich-Bild/ der geschundene Marsyas. DIe Proportion eines wolgestalten Menschen/ wird verglichen einem schönen wol-gebauten Tempel: in welchem/ alle Theile des Baues/ in guter rechter Ordnung und Maß/ wolständig auf einander sich schliessen. Also hat der große himmlische Werkmeister/ in Erschaffung des Menschen/ die allergröste Vollkommenheit bewisen/ und dessen Leib mit verwunderlich-schöner Gestaltung an Gliedern/ Maß und Form/ unvergleichlich-zierlich und vollkommen ausgebildet. Diese/ des Menschen Gestalt und Proportion recht zu verstehen/ ist eines der vornehmsten und nötigsten Studien von unserer Academie: welches ich/ jedoch nur in den vollkommensten Stucken/ und an welchen das meiste gelegen/ (dann die unformliche anhero nicht gehörig/) dißorts vorzustellen mir vorgenommen. Des Menschen Leib/ vergleichet sich einem Tempel-Bau. Die Wissenschaft von dessen Maß und Proportion, ist eines von der Mahlerey nötigste Studien.Erstlich messet man/ von dem Orte des Haupts oder der Stirn/ allwo das Haar zu wachsen anfähet/ bis unter das Kien hinab/ so wir das Angesicht nennen: dieses ist ein zehender Theil von des ganzen Menschen Länge. So ist auch die Hand/ von dem Ort an zu rechnen/ wo sie an dem Arm sich bieget/ bis zum Ende des längsten Fingers/ die Länge des Angesichts. Der Vörder-Arm/Cubitus genannt/ vom Elnbogen bis zu Ende des Mittelfingers gerechnet/ gibt ein viertes Theil vom Menschen. Wann man von des Haupts Wirbel an/ bis unter das Kien/ rechnet/ so wird sich befinden ein acht-theil des Menschlichen Leibes: also auch/ wann Unterschiedliche Abmessungen: des Angesichts/ der Hand/ des Armes/ und Kopfes/

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 67]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/246>, abgerufen am 23.11.2024.