Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

keit und des Mangels an dem zum erfolgreichen Stu-
dium so unumgänglich nothwendigen ernsten und aus-
dauerndem Fleiße, von welchem sie doch wohl einen,
wenn auch höchst winzigen und noch sehr eingehüllten
und versteckten Keim bei mir mussten entdeckt haben,
mich meinem Vater wiederholt als zum Studium ge-
eignet und berufen, bezeichnet hatten.

Die Sache kam für mich zum ersten Mal zur
Sprache, als meine beiden mehr genannten Lehrer von
der Schule abgingen und ich gleichzeitig auf eine andere
Lehranstalt geschickt werden sollte. Als ich bei dieser
Gelegenheit meinen Wunsch aussprach, Kaufmann zu
werden, sagte mir mein Vater in seiner gewohnten
liebevollen Weise und auch mir vollkommen einleuchtend:

"Bei einem zwölfjährigen Knaben ist es natürlich
noch nicht an der Zeit, über seinen Lebenberuf zu ent-
scheiden. Es ist mein Wunsch, dass du studierst, und
ich werde dich desshalb nach Neustrelitz aufs Gymna-
sium geben, wo du, wie ich höre, nach Tertia kommen
wirst. Sei dort recht fleißig und, wenn du dann nach
Sekunda gekommen und in dieser Klasse ein Jahr ge-
wesen sein wirst, ist es immer noch Zeit genug, eine
Berufswahl für dich zu treffen."

So kam ich denn auf das Neustrelitzer Gymna-
sium nach Tertia. Vor meinen neuen Mitschülern hatte

keit und des Mangels an dem zum erfolgreichen Stu-
dium ſo unumgänglich nothwendigen ernſten und aus-
dauerndem Fleiße, von welchem ſie doch wohl einen,
wenn auch höchſt winzigen und noch ſehr eingehüllten
und verſteckten Keim bei mir muſsten entdeckt haben,
mich meinem Vater wiederholt als zum Studium ge-
eignet und berufen, bezeichnet hatten.

Die Sache kam für mich zum erſten Mal zur
Sprache, als meine beiden mehr genannten Lehrer von
der Schule abgingen und ich gleichzeitig auf eine andere
Lehranſtalt geſchickt werden ſollte. Als ich bei dieſer
Gelegenheit meinen Wunſch ausſprach, Kaufmann zu
werden, ſagte mir mein Vater in ſeiner gewohnten
liebevollen Weiſe und auch mir vollkommen einleuchtend:

„Bei einem zwölfjährigen Knaben iſt es natürlich
noch nicht an der Zeit, über ſeinen Lebenberuf zu ent-
ſcheiden. Es iſt mein Wunſch, daſs du ſtudierſt, und
ich werde dich deſshalb nach Neuſtrelitz aufs Gymna-
ſium geben, wo du, wie ich höre, nach Tertia kommen
wirſt. Sei dort recht fleißig und, wenn du dann nach
Sekunda gekommen und in dieſer Klaſſe ein Jahr ge-
weſen ſein wirſt, iſt es immer noch Zeit genug, eine
Berufswahl für dich zu treffen.“

So kam ich denn auf das Neuſtrelitzer Gymna-
ſium nach Tertia. Vor meinen neuen Mitſchülern hatte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="8"/>
keit und des Mangels an dem zum erfolgreichen Stu-<lb/>
dium &#x017F;o unumgänglich nothwendigen ern&#x017F;ten und aus-<lb/>
dauerndem Fleiße, von welchem &#x017F;ie doch wohl einen,<lb/>
wenn auch höch&#x017F;t winzigen und noch &#x017F;ehr eingehüllten<lb/>
und ver&#x017F;teckten Keim bei mir mu&#x017F;sten entdeckt haben,<lb/>
mich meinem Vater wiederholt als zum Studium ge-<lb/>
eignet und berufen, bezeichnet hatten.</p><lb/>
        <p>Die Sache kam für mich zum er&#x017F;ten Mal zur<lb/>
Sprache, als meine beiden mehr genannten Lehrer von<lb/>
der Schule abgingen und ich gleichzeitig auf eine andere<lb/>
Lehran&#x017F;talt ge&#x017F;chickt werden &#x017F;ollte. Als ich bei die&#x017F;er<lb/>
Gelegenheit meinen Wun&#x017F;ch aus&#x017F;prach, Kaufmann zu<lb/>
werden, &#x017F;agte mir mein Vater in &#x017F;einer gewohnten<lb/>
liebevollen Wei&#x017F;e und auch mir vollkommen einleuchtend:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bei einem zwölfjährigen Knaben i&#x017F;t es natürlich<lb/>
noch nicht an der Zeit, über &#x017F;einen Lebenberuf zu ent-<lb/>
&#x017F;cheiden. Es i&#x017F;t mein Wun&#x017F;ch, da&#x017F;s du &#x017F;tudier&#x017F;t, und<lb/>
ich werde dich de&#x017F;shalb nach Neu&#x017F;trelitz aufs Gymna-<lb/>
&#x017F;ium geben, wo du, wie ich höre, nach Tertia kommen<lb/>
wir&#x017F;t. Sei dort recht fleißig und, wenn du dann nach<lb/>
Sekunda gekommen und in die&#x017F;er Kla&#x017F;&#x017F;e ein Jahr ge-<lb/>
we&#x017F;en &#x017F;ein wir&#x017F;t, i&#x017F;t es immer noch Zeit genug, eine<lb/>
Berufswahl für dich zu treffen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>So kam ich denn auf das Neu&#x017F;trelitzer Gymna-<lb/>
&#x017F;ium nach Tertia. Vor meinen neuen Mit&#x017F;chülern hatte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0036] keit und des Mangels an dem zum erfolgreichen Stu- dium ſo unumgänglich nothwendigen ernſten und aus- dauerndem Fleiße, von welchem ſie doch wohl einen, wenn auch höchſt winzigen und noch ſehr eingehüllten und verſteckten Keim bei mir muſsten entdeckt haben, mich meinem Vater wiederholt als zum Studium ge- eignet und berufen, bezeichnet hatten. Die Sache kam für mich zum erſten Mal zur Sprache, als meine beiden mehr genannten Lehrer von der Schule abgingen und ich gleichzeitig auf eine andere Lehranſtalt geſchickt werden ſollte. Als ich bei dieſer Gelegenheit meinen Wunſch ausſprach, Kaufmann zu werden, ſagte mir mein Vater in ſeiner gewohnten liebevollen Weiſe und auch mir vollkommen einleuchtend: „Bei einem zwölfjährigen Knaben iſt es natürlich noch nicht an der Zeit, über ſeinen Lebenberuf zu ent- ſcheiden. Es iſt mein Wunſch, daſs du ſtudierſt, und ich werde dich deſshalb nach Neuſtrelitz aufs Gymna- ſium geben, wo du, wie ich höre, nach Tertia kommen wirſt. Sei dort recht fleißig und, wenn du dann nach Sekunda gekommen und in dieſer Klaſſe ein Jahr ge- weſen ſein wirſt, iſt es immer noch Zeit genug, eine Berufswahl für dich zu treffen.“ So kam ich denn auf das Neuſtrelitzer Gymna- ſium nach Tertia. Vor meinen neuen Mitſchülern hatte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/36
Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/36>, abgerufen am 24.11.2024.