Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

rühmen dürfe, vielleicht die beiden letzten Versgebinde
aus Schiller's "Idealen" wählen dürfen:

"Von all dem rauschenden Geleite
Wer harrte liebend bei mir aus?
Wer steht mir tröstend noch zur Seite
Und folgt mir bis zum finstern Haus?
Du, die du alle Wunden heilest,
Der Freundschaft leise, zarte Hand,
Des Lebens Bürde liebend theileft,
Du, die ich frühe sucht' und fand,
Und du, die gern mit ihr sich gattet,
Wie sie, der Seele Sturm beschwört,
Beschäftigung, die nie ermattet,
Die langsam schafft, doch nie zerstört,
Die zu dem Bau der Ewigkeiten
Zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht,
Doch von der großen Schuld der Zeiten
Minuten, Tage, Jahre streicht."

Doch alle diese sich mir aufdrängenden und doch
schon aus Rücksicht auf den Raum unausführbaren
Erwägungen waren unnöthig, da vor fast 24 Jahren,
in demselben Augenblicke, wo ich das letzte Wort meines
großen "Wörterbuches der deutschen Sprache" nieder-
geschrieben, ich im Rückblick auf die abgeschlossene

rühmen dürfe, vielleicht die beiden letzten Versgebinde
aus Schiller’s „Idealen“ wählen dürfen:

„Von all dem rauſchenden Geleite
Wer harrte liebend bei mir aus?
Wer ſteht mir tröſtend noch zur Seite
Und folgt mir bis zum finſtern Haus?
Du, die du alle Wunden heileſt,
Der Freundſchaft leiſe, zarte Hand,
Des Lebens Bürde liebend theileft,
Du, die ich frühe ſucht’ und fand,
Und du, die gern mit ihr ſich gattet,
Wie ſie, der Seele Sturm beſchwört,
Beſchäftigung, die nie ermattet,
Die langſam ſchafft, doch nie zerſtört,
Die zu dem Bau der Ewigkeiten
Zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht,
Doch von der großen Schuld der Zeiten
Minuten, Tage, Jahre ſtreicht.“

Doch alle dieſe ſich mir aufdrängenden und doch
ſchon aus Rückſicht auf den Raum unausführbaren
Erwägungen waren unnöthig, da vor faſt 24 Jahren,
in demſelben Augenblicke, wo ich das letzte Wort meines
großen „Wörterbuches der deutſchen Sprache“ nieder-
geſchrieben, ich im Rückblick auf die abgeſchloſſene

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="XVI"/>
rühmen dürfe, vielleicht die beiden letzten Versgebinde<lb/>
aus Schiller&#x2019;s &#x201E;Idealen&#x201C; wählen dürfen:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>&#x201E;Von all dem rau&#x017F;chenden Geleite</l><lb/>
            <l>Wer harrte liebend bei mir aus?</l><lb/>
            <l>Wer &#x017F;teht mir trö&#x017F;tend noch zur Seite</l><lb/>
            <l>Und folgt mir bis zum fin&#x017F;tern Haus?</l><lb/>
            <l>Du, die du alle Wunden heile&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Der Freund&#x017F;chaft lei&#x017F;e, zarte Hand,</l><lb/>
            <l>Des Lebens Bürde liebend theileft,</l><lb/>
            <l>Du, die ich frühe &#x017F;ucht&#x2019; und fand,</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Und du, die gern mit ihr &#x017F;ich gattet,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ie, der Seele Sturm be&#x017F;chwört,</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;chäftigung, die nie ermattet,</l><lb/>
            <l>Die lang&#x017F;am &#x017F;chafft, doch nie zer&#x017F;tört,</l><lb/>
            <l>Die zu dem Bau der Ewigkeiten</l><lb/>
            <l>Zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht,</l><lb/>
            <l>Doch von der großen Schuld der Zeiten</l><lb/>
            <l>Minuten, Tage, Jahre &#x017F;treicht.&#x201C;</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <p>Doch alle die&#x017F;e &#x017F;ich mir aufdrängenden und doch<lb/>
&#x017F;chon aus Rück&#x017F;icht auf den Raum unausführbaren<lb/>
Erwägungen waren unnöthig, da vor fa&#x017F;t 24 Jahren,<lb/>
in dem&#x017F;elben Augenblicke, wo ich das letzte Wort meines<lb/>
großen &#x201E;Wörterbuches der deut&#x017F;chen Sprache&#x201C; nieder-<lb/>
ge&#x017F;chrieben, ich im Rückblick auf die abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XVI/0024] rühmen dürfe, vielleicht die beiden letzten Versgebinde aus Schiller’s „Idealen“ wählen dürfen: „Von all dem rauſchenden Geleite Wer harrte liebend bei mir aus? Wer ſteht mir tröſtend noch zur Seite Und folgt mir bis zum finſtern Haus? Du, die du alle Wunden heileſt, Der Freundſchaft leiſe, zarte Hand, Des Lebens Bürde liebend theileft, Du, die ich frühe ſucht’ und fand, Und du, die gern mit ihr ſich gattet, Wie ſie, der Seele Sturm beſchwört, Beſchäftigung, die nie ermattet, Die langſam ſchafft, doch nie zerſtört, Die zu dem Bau der Ewigkeiten Zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht, Doch von der großen Schuld der Zeiten Minuten, Tage, Jahre ſtreicht.“ Doch alle dieſe ſich mir aufdrängenden und doch ſchon aus Rückſicht auf den Raum unausführbaren Erwägungen waren unnöthig, da vor faſt 24 Jahren, in demſelben Augenblicke, wo ich das letzte Wort meines großen „Wörterbuches der deutſchen Sprache“ nieder- geſchrieben, ich im Rückblick auf die abgeſchloſſene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/24
Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/24>, abgerufen am 27.11.2024.