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Sanders, Daniel: Brief an Friedrich Hofmann. Altstrelitz, 9. Juni 1845.

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Verehrtester Herr,


Bei meinem Interesse für das Studium der Dialekte konnte mir kaum etwas
Erwünscheteres kommen als die Aufforderung, mich bei einer fortlaufenden Sammlung
von Dialektgedichten zur betheiligen. Denn gerade einer solchen bedarfes, nach
meiner festesten Ueberzeugung, wenn wirklich Ersprießliches geleistet werden
soll. Firmenichs Werk z.B. - so wenig ich auch im Sinne habe, den Eifer und des Ver-
dienst des gedachten Herrn zu verkleinern, erfüllt lange das nicht, was es
versprochen. Oder könnte etwa wirklich in kurzen, fast nie über bogenlangen
Proben alles Eigenthümliche, Bezeichnende eines Dialekts zusammen gepreßt und
festgehalten sein? Gewiß so wenig, wie man aus 1 Bogen Hochdeutsch die ganze
hochdeutsche Sprache kennen lernen kann. Hier wie da bedarfes einer fortlau-
fenden Literatur die sich für die Dialekte, wie die Sachen einmal stehen, wohl
nur in einer Zeitschrift wenn auch (oder vielmehr nicht quoique sondern parceque)
in freien Heften erreichen ließe. Diese Einrichtung werden Sie hoffentlich
auch wohl Ihrer Sammlung geben, über deren Titel Sie in Ihrem Briefe noch-
nichts bemerkt. In diesem Sinne habe ich mich auch bereits bemüht, Ihnen im
Kreise meiner Bekannten Mitarbeiter zu schaßen; doch, wie Sie selbst bemer-
ken, - Leute, die nicht wie unser Einer [unleserliches Material] Profession machen, sind
gar zur schwer zur Mittheilung und noch dazu zur öffentlichen zu bewegen. So habe
ich denn vorläufig nichts gewonnen, als daß ich Ihnen meinen ersten Beitrag
später als ich eigentlich beabsichtigt einsende; doch hoffe ich, wenn nur erst ein Heft
gedruckt vorliegt und die Leute erst sehen, worauf es dem eigentlich ankommt,
daß sie Muth gewinnen werden, mit einzelnen Beiträgen hervorzutreten,
Was nun aber meiner Beitrag betrifft, so habe ich darüber Folgendes zu
bemerken. Ich habe mich für dies mal auf 1 (compreßten) Druckbogen beschränkt

weil

Verehrtester Herr,


Bei meinem Interesse für das Studium der Dialekte koñte mir kaum etwas
Erwünscheteres kom̃en als die Aufforderung, mich bei einer fortlaufenden Sam̃lung
von Dialektgedichten zur betheiligen. Denn gerade einer solchen bedarfes, nach
meiner festesten Ueberzeugung, wenn wirklich Ersprießliches geleistet werden
soll. Firmenichs Werk z.B. – so wenig ich auch im Siñe habe, den Eifer und des Ver-
dienst des gedachten Herrn zu verkleinern, erfüllt lange das nicht, was es
versprochen. Oder köñte etwa wirklich in kurzen, fast nie über bogenlangen
Proben alles Eigenthümliche, Bezeichnende eines Dialekts zusam̃en gepreßt und
festgehalten sein? Gewiß so wenig, wie man aus 1 Bogen Hochdeutsch die ganze
hochdeutsche Sprache kennen lernen kann. Hier wie da bedarfes einer fortlau-
fenden Literatur die sich für die Dialekte, wie die Sachen einmal stehen, wohl
nur in einer Zeitschrift weñ auch (oder vielmehr nicht quoique sondern parceque)
in freien Heften erreichen ließe. Diese Einrichtung werden Sie hoffentlich
auch wohl Ihrer Sam̃lung geben, über deren Titel Sie in Ihrem Briefe noch-
nichts bemerkt. In diesem Siñe habe ich mich auch bereits bemüht, Ihnen im
Kreise meiner Bekañten Mitarbeiter zu schaßen; doch, wie Sie selbst bemer-
ken, – Leute, die nicht wie unser Einer [unleserliches Material] Profession machen, sind
gar zur schwer zur Mittheilung und noch dazu zur öffentlichen zu bewegen. So habe
ich deñ vorläufig nichts gewonnen, als daß ich Ihnen meinen ersten Beitrag
später als ich eigentlich beabsichtigt einsende; doch hoffe ich, wenn nur erst ein Heft
gedruckt vorliegt und die Leute erst sehen, worauf es dem eigentlich ankom̃t,
daß sie Muth gewinnen werden, mit einzelnen Beiträgen hervorzutreten,
Was nun aber meiner Beitrag betrifft, so habe ich darüber Folgendes zu
bemerken. Ich habe mich für dies mal auf 1 (compreßten) Druckbogen beschränkt

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Sebastian Göttel: Herausgeber. (2020-04-10T15:05:00Z)
Sebastian Göttel: Transkription und TEI-Textannotation. (2020-04-10T15:05:00Z)

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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Friedrich Hofmann. Altstrelitz, 9. Juni 1845, S. [1r]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_hofmann2_1845/1>, abgerufen am 28.03.2024.