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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Frömmigkeit des Erlös. Unsre Gleichgült.
ausgehen, mit Ehrerbietung und Gehorsam anzunehmen.
Der Stolz derer, die nichts glauben, was sie nicht mit
ihrem kurzsichtigen Verstand abmessen, und mit ihren
Empfindungen zusammenreimen können, die Gott gleich-
fam zur Rechenschaft fodern, warum er die Religion so
und nicht anders eingerichtet habe, ist nicht selten in un-
sern Tagen. Wem thut es nicht wehe, daß man das
sagen muß! aber, großer Gott! sollen wir dann die Wun-
den der Kirche, ohne tief hineinzustoßen, verdecken?
Verderben dann nicht viele Menschen in ihrer Unwissen-
heit, wie stillstehendes Wasser? Verlassen nicht viele die
Versammlung der Christen, wo der Wille des Herrn
gepredigt wird? Sind sie nicht reich an Vorwürfen, die
sie den Lehrern machen? Und wäre die Unvollkommenheit
der Lehrer schuld daran, würden sie nicht desto fleißiger
in ihren Häusern Erbauung suchen? Aber es ist Kalt-
sinnigkeit und Geringschätzung der Religion. Man kennt
ihre Vorschriften, ihre Süßigkeiten, ihre Tröstungen
nicht, weil man sie nicht studieren will.

Wer so wenig Fleiß anwendet, mit den Lehren der
Religion bekannt zu werden, der ist freylich auch nicht
elfrig und gewissenhaft in der Ausübung ihrer Vor-
schriften.
Seht euch nur um, geht nur durch die
Stände der Menschen vom Ersten bis zum Untersten, be-
obachtet das Verhalten der Meisten in ihren öffentlichen
und besondern Angelegenheiten, bemerket, wie sie mit
Gleichen, mit Freunden, mit Untergebenen umgehen,
vergleichet die Sitten der Großen und Vornehmen, ver-
gleichet das Betragen der Niedrigen, vergleichet sie in
guten und bösen Tagen mit dem Leben Jesu Christi, oder

nur
E 2

Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.
ausgehen, mit Ehrerbietung und Gehorſam anzunehmen.
Der Stolz derer, die nichts glauben, was ſie nicht mit
ihrem kurzſichtigen Verſtand abmeſſen, und mit ihren
Empfindungen zuſammenreimen können, die Gott gleich-
fam zur Rechenſchaft fodern, warum er die Religion ſo
und nicht anders eingerichtet habe, iſt nicht ſelten in un-
ſern Tagen. Wem thut es nicht wehe, daß man das
ſagen muß! aber, großer Gott! ſollen wir dann die Wun-
den der Kirche, ohne tief hineinzuſtoßen, verdecken?
Verderben dann nicht viele Menſchen in ihrer Unwiſſen-
heit, wie ſtillſtehendes Waſſer? Verlaſſen nicht viele die
Verſammlung der Chriſten, wo der Wille des Herrn
gepredigt wird? Sind ſie nicht reich an Vorwürfen, die
ſie den Lehrern machen? Und wäre die Unvollkommenheit
der Lehrer ſchuld daran, würden ſie nicht deſto fleißiger
in ihren Häuſern Erbauung ſuchen? Aber es iſt Kalt-
ſinnigkeit und Geringſchätzung der Religion. Man kennt
ihre Vorſchriften, ihre Süßigkeiten, ihre Tröſtungen
nicht, weil man ſie nicht ſtudieren will.

Wer ſo wenig Fleiß anwendet, mit den Lehren der
Religion bekannt zu werden, der iſt freylich auch nicht
elfrig und gewiſſenhaft in der Ausübung ihrer Vor-
ſchriften.
Seht euch nur um, geht nur durch die
Stände der Menſchen vom Erſten bis zum Unterſten, be-
obachtet das Verhalten der Meiſten in ihren öffentlichen
und beſondern Angelegenheiten, bemerket, wie ſie mit
Gleichen, mit Freunden, mit Untergebenen umgehen,
vergleichet die Sitten der Großen und Vornehmen, ver-
gleichet das Betragen der Niedrigen, vergleichet ſie in
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[67/0073] Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült. ausgehen, mit Ehrerbietung und Gehorſam anzunehmen. Der Stolz derer, die nichts glauben, was ſie nicht mit ihrem kurzſichtigen Verſtand abmeſſen, und mit ihren Empfindungen zuſammenreimen können, die Gott gleich- fam zur Rechenſchaft fodern, warum er die Religion ſo und nicht anders eingerichtet habe, iſt nicht ſelten in un- ſern Tagen. Wem thut es nicht wehe, daß man das ſagen muß! aber, großer Gott! ſollen wir dann die Wun- den der Kirche, ohne tief hineinzuſtoßen, verdecken? Verderben dann nicht viele Menſchen in ihrer Unwiſſen- heit, wie ſtillſtehendes Waſſer? Verlaſſen nicht viele die Verſammlung der Chriſten, wo der Wille des Herrn gepredigt wird? Sind ſie nicht reich an Vorwürfen, die ſie den Lehrern machen? Und wäre die Unvollkommenheit der Lehrer ſchuld daran, würden ſie nicht deſto fleißiger in ihren Häuſern Erbauung ſuchen? Aber es iſt Kalt- ſinnigkeit und Geringſchätzung der Religion. Man kennt ihre Vorſchriften, ihre Süßigkeiten, ihre Tröſtungen nicht, weil man ſie nicht ſtudieren will. Wer ſo wenig Fleiß anwendet, mit den Lehren der Religion bekannt zu werden, der iſt freylich auch nicht elfrig und gewiſſenhaft in der Ausübung ihrer Vor- ſchriften. Seht euch nur um, geht nur durch die Stände der Menſchen vom Erſten bis zum Unterſten, be- obachtet das Verhalten der Meiſten in ihren öffentlichen und beſondern Angelegenheiten, bemerket, wie ſie mit Gleichen, mit Freunden, mit Untergebenen umgehen, vergleichet die Sitten der Großen und Vornehmen, ver- gleichet das Betragen der Niedrigen, vergleichet ſie in guten und böſen Tagen mit dem Leben Jeſu Chriſti, oder nur E 2

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/73>, abgerufen am 24.11.2024.