wird es den gleichgestimmten guten Seelen, sich einan- der mitzutheilen, aufzusuchen, zu genießen, und zusam- menzufließen im süßen Taumel der reineren Liebe und der edleren Freude! Und ihr -- o ihr einschneidende Tren- nungen von so vielen Genossen meines Laufs! o ihr schmerzliche Losreissungen von so vielen Rathgebern, Wohlthätern und rechtschaffnen Menschen! wie sollte ich euch vergessen, wenn ich an das alles denke, wofür mich die Ewigkeit schadlos halten wird!
Wir weinen, wenn unsre irrdische Glückseligkeit wankt, wenn gute Freunde in unsern Armen sterben, wenn Gewissenhaftigkeit und Fleiß weniger belohnt wird, als falsche Kunst und blendende Vorzüge, wenn Men- schen über Menschen, wie über Thiere, herrschen, und Freyheit und Menschenwürde vom Vorurtheil und Stolz gedemüthigt wird. Das ist der Zoll, den wir der Menschheit entrichten. Das ist das Loos des Erdenlebens. Aber dein Staat, o Gott! ist von unermeßlichem Um- fang, die weitesten, die herrlichsten Gegenden sind noch verdeckt der Tod wird uns hinter den Vorhang führen, der zwischen Ewigkeit und Zeit aufgehängt ist, wir er- warten einen neuen Himmel, und eine neue Erde, in welcher nur Tugend wohnen wird. Dann werden die Vorurtheile, die wir hier nicht wegwerfen wollten, ihren Werth verlieren; dann werden die Rangordnungen ver- schwinden, die Thronen, auf welchen die Unwissenheit oft gesessen hat, werden einstürzen, Richterstühle, denen das Gold oft Gesetze giebt, Tempel des Aberglaubens, Woh- nungen des Ehrgeizes, geheime Paläste, der Unzucht geweiht, werden verschüttet werden; jede Tugend im Staube wird sich alsdann aufrichten, jedes verkannte und
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Unterredungen mit Gott.
wird es den gleichgeſtimmten guten Seelen, ſich einan- der mitzutheilen, aufzuſuchen, zu genießen, und zuſam- menzufließen im ſüßen Taumel der reineren Liebe und der edleren Freude! Und ihr — o ihr einſchneidende Tren- nungen von ſo vielen Genoſſen meines Laufs! o ihr ſchmerzliche Losreiſſungen von ſo vielen Rathgebern, Wohlthätern und rechtſchaffnen Menſchen! wie ſollte ich euch vergeſſen, wenn ich an das alles denke, wofür mich die Ewigkeit ſchadlos halten wird!
Wir weinen, wenn unſre irrdiſche Glückſeligkeit wankt, wenn gute Freunde in unſern Armen ſterben, wenn Gewiſſenhaftigkeit und Fleiß weniger belohnt wird, als falſche Kunſt und blendende Vorzüge, wenn Men- ſchen über Menſchen, wie über Thiere, herrſchen, und Freyheit und Menſchenwürde vom Vorurtheil und Stolz gedemüthigt wird. Das iſt der Zoll, den wir der Menſchheit entrichten. Das iſt das Loos des Erdenlebens. Aber dein Staat, o Gott! iſt von unermeßlichem Um- fang, die weiteſten, die herrlichſten Gegenden ſind noch verdeckt der Tod wird uns hinter den Vorhang führen, der zwiſchen Ewigkeit und Zeit aufgehängt iſt, wir er- warten einen neuen Himmel, und eine neue Erde, in welcher nur Tugend wohnen wird. Dann werden die Vorurtheile, die wir hier nicht wegwerfen wollten, ihren Werth verlieren; dann werden die Rangordnungen ver- ſchwinden, die Thronen, auf welchen die Unwiſſenheit oft geſeſſen hat, werden einſtürzen, Richterſtühle, denen das Gold oft Geſetze giebt, Tempel des Aberglaubens, Woh- nungen des Ehrgeizes, geheime Paläſte, der Unzucht geweiht, werden verſchüttet werden; jede Tugend im Staube wird ſich alsdann aufrichten, jedes verkannte und
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Unterredungen mit Gott.
wird es den gleichgeſtimmten guten Seelen, ſich einan-
der mitzutheilen, aufzuſuchen, zu genießen, und zuſam-
menzufließen im ſüßen Taumel der reineren Liebe und der
edleren Freude! Und ihr — o ihr einſchneidende Tren-
nungen von ſo vielen Genoſſen meines Laufs! o ihr
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Wohlthätern und rechtſchaffnen Menſchen! wie ſollte
ich euch vergeſſen, wenn ich an das alles denke, wofür
mich die Ewigkeit ſchadlos halten wird!
Wir weinen, wenn unſre irrdiſche Glückſeligkeit
wankt, wenn gute Freunde in unſern Armen ſterben,
wenn Gewiſſenhaftigkeit und Fleiß weniger belohnt wird,
als falſche Kunſt und blendende Vorzüge, wenn Men-
ſchen über Menſchen, wie über Thiere, herrſchen, und
Freyheit und Menſchenwürde vom Vorurtheil und Stolz
gedemüthigt wird. Das iſt der Zoll, den wir der
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Aber dein Staat, o Gott! iſt von unermeßlichem Um-
fang, die weiteſten, die herrlichſten Gegenden ſind noch
verdeckt der Tod wird uns hinter den Vorhang führen,
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welcher nur Tugend wohnen wird. Dann werden die
Vorurtheile, die wir hier nicht wegwerfen wollten, ihren
Werth verlieren; dann werden die Rangordnungen ver-
ſchwinden, die Thronen, auf welchen die Unwiſſenheit oft
geſeſſen hat, werden einſtürzen, Richterſtühle, denen das
Gold oft Geſetze giebt, Tempel des Aberglaubens, Woh-
nungen des Ehrgeizes, geheime Paläſte, der Unzucht
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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/39>, abgerufen am 25.07.2024.
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