Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Gleichmüthigkeit des Erlösers. können? Können wir hoffen, daß so viele fromme Wün-sche, die von denen, die sie angehen, immer noch in eine andre Welt verwiesen werden, um unsrer Empfindlich- keit willen in unserm Zeitalter erhört, und alle gute Vor- schläge, die die Wiederherstellung so vieler verlohrnen Rechte und Freyheiten der Menschen zur Absicht haben, daß diese alle von uns werden angenommen werden? Die Weisheit des Höchsten wird die Zeit schon näher bringen, wo die schimpflichen Kerten zerbrochen, die er- niedrigenden Demüthigungen und Kränkungen so vieler Menschen abgeschafft, und alle Mißbräuche sollen ver- tilgt werden. Uns ist es nicht vergönnt zu beurtheilen, warum die Verfassungen der Erde diese und keine andre Gestalt haben. Wir wissen auch nicht, wie lange sie währen, und ihre Gewalt ausüben dürfen. Aber sollten wir uns deswegen selber alle Ruhe und Zufriedenheit versagen? Sollten wir deswegen, weil oft etwas an- ders, als Vernunft und Geschicklichkeit, bey den Gros- sen der Erde empfiehlt, weil oft auch ein Unbekannter den Gliedern des Vaterlandes das entreißt, was sie mit größerem Rechte fordern könnten, weil die Beyspiele nicht selten sind, daß dieser die Arbeit, und jener die Beloh- nung hat, weil oft ein ehrlicher Mann unter dem schwe- ren Arm eines Mächtigen leiden muß, und von ihm ver- schlungen wird, sollten wir deswegen beständig mißvergnügt, finster, voll weitläuftiger und schwerer Entwürfe in der Welt herumschleichen? Hat dann Gott seine Menschen den Men- schen, die Weisheit der Thorheit, die Rechtschaffenheit der Heucheley, die Tugend dem Laster, das Verdienst dem Undank, die Bescheidenheit der Dreistigkeit preis gegeben? Ach, wie unglücklich ist ein Mensch, der nicht weiß,
Gleichmüthigkeit des Erlöſers. können? Können wir hoffen, daß ſo viele fromme Wün-ſche, die von denen, die ſie angehen, immer noch in eine andre Welt verwieſen werden, um unſrer Empfindlich- keit willen in unſerm Zeitalter erhört, und alle gute Vor- ſchläge, die die Wiederherſtellung ſo vieler verlohrnen Rechte und Freyheiten der Menſchen zur Abſicht haben, daß dieſe alle von uns werden angenommen werden? Die Weisheit des Höchſten wird die Zeit ſchon näher bringen, wo die ſchimpflichen Kerten zerbrochen, die er- niedrigenden Demüthigungen und Kränkungen ſo vieler Menſchen abgeſchafft, und alle Mißbräuche ſollen ver- tilgt werden. Uns iſt es nicht vergönnt zu beurtheilen, warum die Verfaſſungen der Erde dieſe und keine andre Geſtalt haben. Wir wiſſen auch nicht, wie lange ſie währen, und ihre Gewalt ausüben dürfen. Aber ſollten wir uns deswegen ſelber alle Ruhe und Zufriedenheit verſagen? Sollten wir deswegen, weil oft etwas an- ders, als Vernunft und Geſchicklichkeit, bey den Groſ- ſen der Erde empfiehlt, weil oft auch ein Unbekannter den Gliedern des Vaterlandes das entreißt, was ſie mit größerem Rechte fordern könnten, weil die Beyſpiele nicht ſelten ſind, daß dieſer die Arbeit, und jener die Beloh- nung hat, weil oft ein ehrlicher Mann unter dem ſchwe- ren Arm eines Mächtigen leiden muß, und von ihm ver- ſchlungen wird, ſollten wir deswegen beſtändig mißvergnügt, finſter, voll weitläuftiger und ſchwerer Entwürfe in der Welt herumſchleichen? Hat dann Gott ſeine Menſchen den Men- ſchen, die Weisheit der Thorheit, die Rechtſchaffenheit der Heucheley, die Tugend dem Laſter, das Verdienſt dem Undank, die Beſcheidenheit der Dreiſtigkeit preis gegeben? Ach, wie unglücklich iſt ein Menſch, der nicht weiß,
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Gleichmüthigkeit des Erlöſers.
können? Können wir hoffen, daß ſo viele fromme Wün-
ſche, die von denen, die ſie angehen, immer noch in eine
andre Welt verwieſen werden, um unſrer Empfindlich-
keit willen in unſerm Zeitalter erhört, und alle gute Vor-
ſchläge, die die Wiederherſtellung ſo vieler verlohrnen
Rechte und Freyheiten der Menſchen zur Abſicht haben,
daß dieſe alle von uns werden angenommen werden?
Die Weisheit des Höchſten wird die Zeit ſchon näher
bringen, wo die ſchimpflichen Kerten zerbrochen, die er-
niedrigenden Demüthigungen und Kränkungen ſo vieler
Menſchen abgeſchafft, und alle Mißbräuche ſollen ver-
tilgt werden. Uns iſt es nicht vergönnt zu beurtheilen,
warum die Verfaſſungen der Erde dieſe und keine andre
Geſtalt haben. Wir wiſſen auch nicht, wie lange ſie
währen, und ihre Gewalt ausüben dürfen. Aber ſollten
wir uns deswegen ſelber alle Ruhe und Zufriedenheit
verſagen? Sollten wir deswegen, weil oft etwas an-
ders, als Vernunft und Geſchicklichkeit, bey den Groſ-
ſen der Erde empfiehlt, weil oft auch ein Unbekannter
den Gliedern des Vaterlandes das entreißt, was ſie mit
größerem Rechte fordern könnten, weil die Beyſpiele nicht
ſelten ſind, daß dieſer die Arbeit, und jener die Beloh-
nung hat, weil oft ein ehrlicher Mann unter dem ſchwe-
ren Arm eines Mächtigen leiden muß, und von ihm ver-
ſchlungen wird, ſollten wir deswegen beſtändig mißvergnügt,
finſter, voll weitläuftiger und ſchwerer Entwürfe in der Welt
herumſchleichen? Hat dann Gott ſeine Menſchen den Men-
ſchen, die Weisheit der Thorheit, die Rechtſchaffenheit
der Heucheley, die Tugend dem Laſter, das Verdienſt
dem Undank, die Beſcheidenheit der Dreiſtigkeit preis
gegeben? Ach, wie unglücklich iſt ein Menſch, der nicht
weiß,
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