Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Gleichmüthigkeit des Erlösers. Halten wir nicht oft den Gottessürchtigen für einen Heuch-ler? Sprechen wir nicht oft, gerade wie die Pharisäer, einem rechtschaffenen Mann blos deswegen alle Tugend ab, weil er nicht in allen Stücken denkt und handelt, wie wir? Und gesetzt, der Gottlose grünt wie ein Lorbeer- baum, ist er deswegen glücklich? Ist er im Besitz äus- serlicher Güter ruhig und zufrieden? Siehet er nicht seine Verachtung, seine Schande auf dem Gesicht aller Recht- schaffenen? Gräbt nicht sein Gewissen jede schlechte un- edle Handlung mit unauslöschlichen Zügen ein? Giebt Gott die Güter der Erde auch denen, die ihn nicht lie- ben, so können wir ja daran lernen, daß sie noch lange nicht den Grund unsrer wahren Glückseligkeit enthalten. Laßt ihnen die Schalen der Erde, sie werden ihr Gutes empfangen in diesem Leben, und alles verlieren, wenn wir als Erben Gottes und Miterben Jesu Christi in un- ser wahres Vaterland eingeführt werden. nützlich. Wie groß ist der Nutzen, den die Be- sich
Gleichmüthigkeit des Erlöſers. Halten wir nicht oft den Gottesſürchtigen für einen Heuch-ler? Sprechen wir nicht oft, gerade wie die Phariſäer, einem rechtſchaffenen Mann blos deswegen alle Tugend ab, weil er nicht in allen Stücken denkt und handelt, wie wir? Und geſetzt, der Gottloſe grünt wie ein Lorbeer- baum, iſt er deswegen glücklich? Iſt er im Beſitz äuſ- ſerlicher Güter ruhig und zufrieden? Siehet er nicht ſeine Verachtung, ſeine Schande auf dem Geſicht aller Recht- ſchaffenen? Gräbt nicht ſein Gewiſſen jede ſchlechte un- edle Handlung mit unauslöſchlichen Zügen ein? Giebt Gott die Güter der Erde auch denen, die ihn nicht lie- ben, ſo können wir ja daran lernen, daß ſie noch lange nicht den Grund unſrer wahren Glückſeligkeit enthalten. Laßt ihnen die Schalen der Erde, ſie werden ihr Gutes empfangen in dieſem Leben, und alles verlieren, wenn wir als Erben Gottes und Miterben Jeſu Chriſti in un- ſer wahres Vaterland eingeführt werden. nützlich. Wie groß iſt der Nutzen, den die Be- ſich
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Gleichmüthigkeit des Erlöſers.
Halten wir nicht oft den Gottesſürchtigen für einen Heuch-
ler? Sprechen wir nicht oft, gerade wie die Phariſäer,
einem rechtſchaffenen Mann blos deswegen alle Tugend
ab, weil er nicht in allen Stücken denkt und handelt, wie
wir? Und geſetzt, der Gottloſe grünt wie ein Lorbeer-
baum, iſt er deswegen glücklich? Iſt er im Beſitz äuſ-
ſerlicher Güter ruhig und zufrieden? Siehet er nicht ſeine
Verachtung, ſeine Schande auf dem Geſicht aller Recht-
ſchaffenen? Gräbt nicht ſein Gewiſſen jede ſchlechte un-
edle Handlung mit unauslöſchlichen Zügen ein? Giebt
Gott die Güter der Erde auch denen, die ihn nicht lie-
ben, ſo können wir ja daran lernen, daß ſie noch lange
nicht den Grund unſrer wahren Glückſeligkeit enthalten.
Laßt ihnen die Schalen der Erde, ſie werden ihr Gutes
empfangen in dieſem Leben, und alles verlieren, wenn
wir als Erben Gottes und Miterben Jeſu Chriſti in un-
ſer wahres Vaterland eingeführt werden.
Wie groß iſt der Nutzen, den die Be-
ruhigung bey dem Willen Gottes, die ge-
laſſene kindliche Ergebung in alle Führungen Gottes uns
verſchaffen kann! Pflanzen wir dieſe Geſinnung in uns
— ſie wird uns vor allen beunruhigenden Sor-
gen und Anſchlägen bewahren. Die meiſten Be-
ſtrebungen der Menſchen entſtehen aus der unglücklichen
Begierde, ſich zu erheben, und ſchneller als andre em-
por zu ſteigen. Iſt nicht die unruhige Ehrſucht die
Mutter von ſo vielen Uneinigkeiten, Trennungen und
Verwirrungen unter den Menſchen? Wollen nicht viele
beſtändig aus dem Kreis, der ihnen angewieſen iſt, her-
ausgehen, blos, weil ſie ein allzugroßes Zutrauen in
ſich
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