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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Unterwerfung unter Gott ist unsre Pflicht.
Seufzen nicht manche mit Recht über die Partheylich-
keit, über die Ungerechtigkeit derer, die an der Spitze ste-
hen*)? Verbergen nicht viele unter dem Rang, un-

ter
*) Man sieht überall in der Welt, daß oft zu den wichtigsten
Geschäften der Vornehme nur den Namen hergiebt; ein
Subaltern, ein Geringerer, ein guter ehrlicher unadeli-
cher
Mann, der ist es eigentlich, der die Last aus der
Stelle heben muß. Deswegen aber zieht jener vornehme
Müßiggänger und Spieler doch nicht nur die Ehre an sich,
er nimmt auch von den Belohnungen das Meiste weg und
der Arbeiter muß zufrieden seyn, wenn er nicht mit Frau
und Kinder vor Hunger sterben darf. Wie werden nicht
oft Personen, die für die Vergnügungen eines großen
Herren sorgen, bezahlt, verglichen mit denen, die für ihn
Land und Leute regieren, auf alle Bedürfnisse Acht geben,
ihm seine junge Bürger erziehen müssen! Ost thun gerade
die am wenigsten, die die größte Besoldung haben, und
doch sind sie immer die ersten, die um Zulagen, um Ver-
größerung des Gehalts bitten. Mit Projecten, mit den
unnützesten und abentheuerlichsten Sachen, wenn sie nur
als etwas Neues und Großes vorgespiegelt werden, ma-
chen viele Leute ihr Glück. Mancher Minister hat ein-
mal gewisse Familien in Schutz genommen, und allen, die
dazu gehören, ist alles erlaubt, und alles gelingt ihnen.
Was leidet oft ein rechtschaffener Geistlicher in einer üp-
pigen Stadt? Was muß mancher, der am Institut, oder
im Collegium einen schlechten Mann, einen Geizhals, oder
einen Aufgeblasenen neben sich hat, ausstehen? Von Ju-
gend auf tragen viele Menschen geheime Schmerzen am
Leib herum, und müssen oft im Zug der Geschäfte, ohne
klagen zu dürfen, der Natur Gewalt anthun. Andre
haben nie etwas anders, als die Folgen ihrer Ausschwei-
fungen, erfahren. Dort stirbt ein Vater von armen
Kindern
R 4

Unterwerfung unter Gott iſt unſre Pflicht.
Seufzen nicht manche mit Recht über die Partheylich-
keit, über die Ungerechtigkeit derer, die an der Spitze ſte-
hen*)? Verbergen nicht viele unter dem Rang, un-

ter
*) Man ſieht überall in der Welt, daß oft zu den wichtigſten
Geſchäften der Vornehme nur den Namen hergiebt; ein
Subaltern, ein Geringerer, ein guter ehrlicher unadeli-
cher
Mann, der iſt es eigentlich, der die Laſt aus der
Stelle heben muß. Deswegen aber zieht jener vornehme
Müßiggänger und Spieler doch nicht nur die Ehre an ſich,
er nimmt auch von den Belohnungen das Meiſte weg und
der Arbeiter muß zufrieden ſeyn, wenn er nicht mit Frau
und Kinder vor Hunger ſterben darf. Wie werden nicht
oft Perſonen, die für die Vergnügungen eines großen
Herren ſorgen, bezahlt, verglichen mit denen, die für ihn
Land und Leute regieren, auf alle Bedürfniſſe Acht geben,
ihm ſeine junge Bürger erziehen müſſen! Oſt thun gerade
die am wenigſten, die die größte Beſoldung haben, und
doch ſind ſie immer die erſten, die um Zulagen, um Ver-
größerung des Gehalts bitten. Mit Projecten, mit den
unnützeſten und abentheuerlichſten Sachen, wenn ſie nur
als etwas Neues und Großes vorgeſpiegelt werden, ma-
chen viele Leute ihr Glück. Mancher Miniſter hat ein-
mal gewiſſe Familien in Schutz genommen, und allen, die
dazu gehören, iſt alles erlaubt, und alles gelingt ihnen.
Was leidet oft ein rechtſchaffener Geiſtlicher in einer üp-
pigen Stadt? Was muß mancher, der am Inſtitut, oder
im Collegium einen ſchlechten Mann, einen Geizhals, oder
einen Aufgeblaſenen neben ſich hat, ausſtehen? Von Ju-
gend auf tragen viele Menſchen geheime Schmerzen am
Leib herum, und müſſen oft im Zug der Geſchäfte, ohne
klagen zu dürfen, der Natur Gewalt anthun. Andre
haben nie etwas anders, als die Folgen ihrer Ausſchwei-
fungen, erfahren. Dort ſtirbt ein Vater von armen
Kindern
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[263/0269] Unterwerfung unter Gott iſt unſre Pflicht. Seufzen nicht manche mit Recht über die Partheylich- keit, über die Ungerechtigkeit derer, die an der Spitze ſte- hen *)? Verbergen nicht viele unter dem Rang, un- ter *) Man ſieht überall in der Welt, daß oft zu den wichtigſten Geſchäften der Vornehme nur den Namen hergiebt; ein Subaltern, ein Geringerer, ein guter ehrlicher unadeli- cher Mann, der iſt es eigentlich, der die Laſt aus der Stelle heben muß. Deswegen aber zieht jener vornehme Müßiggänger und Spieler doch nicht nur die Ehre an ſich, er nimmt auch von den Belohnungen das Meiſte weg und der Arbeiter muß zufrieden ſeyn, wenn er nicht mit Frau und Kinder vor Hunger ſterben darf. Wie werden nicht oft Perſonen, die für die Vergnügungen eines großen Herren ſorgen, bezahlt, verglichen mit denen, die für ihn Land und Leute regieren, auf alle Bedürfniſſe Acht geben, ihm ſeine junge Bürger erziehen müſſen! Oſt thun gerade die am wenigſten, die die größte Beſoldung haben, und doch ſind ſie immer die erſten, die um Zulagen, um Ver- größerung des Gehalts bitten. Mit Projecten, mit den unnützeſten und abentheuerlichſten Sachen, wenn ſie nur als etwas Neues und Großes vorgeſpiegelt werden, ma- chen viele Leute ihr Glück. Mancher Miniſter hat ein- mal gewiſſe Familien in Schutz genommen, und allen, die dazu gehören, iſt alles erlaubt, und alles gelingt ihnen. Was leidet oft ein rechtſchaffener Geiſtlicher in einer üp- pigen Stadt? Was muß mancher, der am Inſtitut, oder im Collegium einen ſchlechten Mann, einen Geizhals, oder einen Aufgeblaſenen neben ſich hat, ausſtehen? Von Ju- gend auf tragen viele Menſchen geheime Schmerzen am Leib herum, und müſſen oft im Zug der Geſchäfte, ohne klagen zu dürfen, der Natur Gewalt anthun. Andre haben nie etwas anders, als die Folgen ihrer Ausſchwei- fungen, erfahren. Dort ſtirbt ein Vater von armen Kindern R 4

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/269>, abgerufen am 24.11.2024.