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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Gleichmüthigkeit des Erlösers.
einer beständigen Zerstreuung zu erhalten, damit sie
nie zu sich selber kommen, und die Augen öffnen; die
kleine Fertigkeit, alles nach der Oberfläche anzusehen,
und über alle Dinge sehr seicht und unbedeutend, aber
mit der einsichtsvollen Mine des Kenners zu urtheilen,
diese Art von Wissenschaft, die schon damals, wie jezt,
manchem den Namen des großen Mannes erworben hat,
war bey ihm keine Empfehlung. Er schämte sich ja sei-
ner Aeltern nicht, weil er nichts, als Tugend und Recht-
schaffenheit schätzte. Die gütigsten Erbietungen gab
ihm der häßlichste Undank, der zaumloseste Muthwillen,
die größte Ausgelassenheit zurück, aber Er war und blieb
muthig, standhaft, wachte, betete, fühlte und weinte
für alle; gegen die schändliche Brut der Pharisäer han-
delte er mit einer ruhmwürdigen Kühnheit, und blieb bey
allen ihren Netzen, Drohungen, Verstellungen bey ih-
ren öffentlich ausgesetzten Preisen, und bey ihren ver-
deckten Bemühungen doch immer der gerade, offene,
zuverläßige Mann, der die verachtungswürdige Kunst,
Tücke an Tücke zu knüpfen, zu laufen, zu schmeicheln,
zu lügen, zu pralen, andre herabzusetzen, sich anzubie-
ten, auszuforschen, sich zuzudringen, damit man nur
überall das Ganze leiten, und mehrere Köpfe nach sei-
nem Entwurf führen kann, nicht kannte, und nicht ler-
nen mochte. Da stand er aber auch mit eherner Brust,
als Pfaffenwut, Pöbelsunsinn, Religionsgrimm, und
Feigheit der Obrigkeit gegen ihn aufstand, da stand er
auch da, wie ein Fels am Meer, über dem das Licht der
Sonne aufgeht, wenn unten, wie der Dichter singt, ein
ewiges Ungewitter rast, da stand er, wie eine Eiche am
Berg, die ein Waldstrom an den Wurzeln entblößt,

aber

Gleichmüthigkeit des Erlöſers.
einer beſtändigen Zerſtreuung zu erhalten, damit ſie
nie zu ſich ſelber kommen, und die Augen öffnen; die
kleine Fertigkeit, alles nach der Oberfläche anzuſehen,
und über alle Dinge ſehr ſeicht und unbedeutend, aber
mit der einſichtsvollen Mine des Kenners zu urtheilen,
dieſe Art von Wiſſenſchaft, die ſchon damals, wie jezt,
manchem den Namen des großen Mannes erworben hat,
war bey ihm keine Empfehlung. Er ſchämte ſich ja ſei-
ner Aeltern nicht, weil er nichts, als Tugend und Recht-
ſchaffenheit ſchätzte. Die gütigſten Erbietungen gab
ihm der häßlichſte Undank, der zaumloſeſte Muthwillen,
die größte Ausgelaſſenheit zurück, aber Er war und blieb
muthig, ſtandhaft, wachte, betete, fühlte und weinte
für alle; gegen die ſchändliche Brut der Phariſäer han-
delte er mit einer ruhmwürdigen Kühnheit, und blieb bey
allen ihren Netzen, Drohungen, Verſtellungen bey ih-
ren öffentlich ausgeſetzten Preiſen, und bey ihren ver-
deckten Bemühungen doch immer der gerade, offene,
zuverläßige Mann, der die verachtungswürdige Kunſt,
Tücke an Tücke zu knüpfen, zu laufen, zu ſchmeicheln,
zu lügen, zu pralen, andre herabzuſetzen, ſich anzubie-
ten, auszuforſchen, ſich zuzudringen, damit man nur
überall das Ganze leiten, und mehrere Köpfe nach ſei-
nem Entwurf führen kann, nicht kannte, und nicht ler-
nen mochte. Da ſtand er aber auch mit eherner Bruſt,
als Pfaffenwut, Pöbelsunſinn, Religionsgrimm, und
Feigheit der Obrigkeit gegen ihn aufſtand, da ſtand er
auch da, wie ein Fels am Meer, über dem das Licht der
Sonne aufgeht, wenn unten, wie der Dichter ſingt, ein
ewiges Ungewitter raſt, da ſtand er, wie eine Eiche am
Berg, die ein Waldſtrom an den Wurzeln entblößt,

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[251/0257] Gleichmüthigkeit des Erlöſers. einer beſtändigen Zerſtreuung zu erhalten, damit ſie nie zu ſich ſelber kommen, und die Augen öffnen; die kleine Fertigkeit, alles nach der Oberfläche anzuſehen, und über alle Dinge ſehr ſeicht und unbedeutend, aber mit der einſichtsvollen Mine des Kenners zu urtheilen, dieſe Art von Wiſſenſchaft, die ſchon damals, wie jezt, manchem den Namen des großen Mannes erworben hat, war bey ihm keine Empfehlung. Er ſchämte ſich ja ſei- ner Aeltern nicht, weil er nichts, als Tugend und Recht- ſchaffenheit ſchätzte. Die gütigſten Erbietungen gab ihm der häßlichſte Undank, der zaumloſeſte Muthwillen, die größte Ausgelaſſenheit zurück, aber Er war und blieb muthig, ſtandhaft, wachte, betete, fühlte und weinte für alle; gegen die ſchändliche Brut der Phariſäer han- delte er mit einer ruhmwürdigen Kühnheit, und blieb bey allen ihren Netzen, Drohungen, Verſtellungen bey ih- ren öffentlich ausgeſetzten Preiſen, und bey ihren ver- deckten Bemühungen doch immer der gerade, offene, zuverläßige Mann, der die verachtungswürdige Kunſt, Tücke an Tücke zu knüpfen, zu laufen, zu ſchmeicheln, zu lügen, zu pralen, andre herabzuſetzen, ſich anzubie- ten, auszuforſchen, ſich zuzudringen, damit man nur überall das Ganze leiten, und mehrere Köpfe nach ſei- nem Entwurf führen kann, nicht kannte, und nicht ler- nen mochte. Da ſtand er aber auch mit eherner Bruſt, als Pfaffenwut, Pöbelsunſinn, Religionsgrimm, und Feigheit der Obrigkeit gegen ihn aufſtand, da ſtand er auch da, wie ein Fels am Meer, über dem das Licht der Sonne aufgeht, wenn unten, wie der Dichter ſingt, ein ewiges Ungewitter raſt, da ſtand er, wie eine Eiche am Berg, die ein Waldſtrom an den Wurzeln entblößt, aber

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/257>, abgerufen am 23.11.2024.