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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Vom äußerlichen Gottesdienste.
gion in einem irdenen Gefäß tragen, (2 Cor. 4, 7.)
daß ihr Geift in einem Leibe wohnet, der ihn oft drückt,

oft
wird nicht nach Ordensband und Stern, nach Geburt und
Amt beurtheilt, auch unter den gemeinsten Christen stellt
die Religion große Wunder auf, die christlichen Kirchen sind
ein wahres Vorbild des Himmels, wo alle Menschen sich
gleich seyn werden. Auch junge Lehrer muß man hören,
damit sie ermuntert, und zum Fleiß angespornt werden,
und auch der Ansänger kann mich zum Guten ermuntern,
und kann zu vielem Lob Gottes, zum Nachdenken über
die Mannigfaltigkeit der Gaben in der Haushaltung Got-
tes Anlaß geben. Selbst geübte und geschickte Prediger
gestehen, daß sie auch von den mittelmäßigsten Predigern
etwas Nachahmungswürdiges gehört, oder doch gewisse
Fehler vermeiden gelernt haben. Viele entschuldigen sich
damit, die protestantischen Kirchen hätten wenig Reize,
keine äußerliche Empfehlungen, es fehle ihnen Musik, Ge-
mählde, Räuchwerk, die Heiden hätten prächtigere Tem-
pel gehabt etc. Aber sie vergessen, daß die heidnischen Kir-
chen groß und prächtig seyn mußten, weil nach den Be-
griffen ihrer Erbauer die Götter wirklich darin wohnten,
die christlichen hingegen sind bloße Versammlungsörter für
die Menschen. Und soll man alles in der Welt nach dem
Zweck beurtheilen, so gehört wirklich das alles entweder
gar nicht, oder doch nur sehr sparsam (und so ist es auch
in vielen protestantischen Kirchen, nach neuerem Geschmack
gebaut) in die Kirchen der Christen, was die Gemüther,
die jezt an unsichtbare Dinge denken sollen, zerstreut, und
nur mit sinnlichen Gegenständen beschäftigt. Dazu kommt
die Erfahrung, daß man sich in kurzer Zeit an Musik und
Malerey gewöhnt, und dabey ohne Empfindung bleibt.
Und die Regel ist immer wahr: Je simpler, je schöner!
Der, der sich an manchen Gebräuchen, Liturgien,
Cerimo-

Vom äußerlichen Gottesdienſte.
gion in einem irdenen Gefäß tragen, (2 Cor. 4, 7.)
daß ihr Geift in einem Leibe wohnet, der ihn oft drückt,

oft
wird nicht nach Ordensband und Stern, nach Geburt und
Amt beurtheilt, auch unter den gemeinſten Chriſten ſtellt
die Religion große Wunder auf, die chriſtlichen Kirchen ſind
ein wahres Vorbild des Himmels, wo alle Menſchen ſich
gleich ſeyn werden. Auch junge Lehrer muß man hören,
damit ſie ermuntert, und zum Fleiß angeſpornt werden,
und auch der Anſänger kann mich zum Guten ermuntern,
und kann zu vielem Lob Gottes, zum Nachdenken über
die Mannigfaltigkeit der Gaben in der Haushaltung Got-
tes Anlaß geben. Selbſt geübte und geſchickte Prediger
geſtehen, daß ſie auch von den mittelmäßigſten Predigern
etwas Nachahmungswürdiges gehört, oder doch gewiſſe
Fehler vermeiden gelernt haben. Viele entſchuldigen ſich
damit, die proteſtantiſchen Kirchen hätten wenig Reize,
keine äußerliche Empfehlungen, es fehle ihnen Muſik, Ge-
mählde, Räuchwerk, die Heiden hätten prächtigere Tem-
pel gehabt ꝛc. Aber ſie vergeſſen, daß die heidniſchen Kir-
chen groß und prächtig ſeyn mußten, weil nach den Be-
griffen ihrer Erbauer die Götter wirklich darin wohnten,
die chriſtlichen hingegen ſind bloße Verſammlungsörter für
die Menſchen. Und ſoll man alles in der Welt nach dem
Zweck beurtheilen, ſo gehört wirklich das alles entweder
gar nicht, oder doch nur ſehr ſparſam (und ſo iſt es auch
in vielen proteſtantiſchen Kirchen, nach neuerem Geſchmack
gebaut) in die Kirchen der Chriſten, was die Gemüther,
die jezt an unſichtbare Dinge denken ſollen, zerſtreut, und
nur mit ſinnlichen Gegenſtänden beſchäftigt. Dazu kommt
die Erfahrung, daß man ſich in kurzer Zeit an Muſik und
Malerey gewöhnt, und dabey ohne Empfindung bleibt.
Und die Regel iſt immer wahr: Je ſimpler, je ſchöner!
Der, der ſich an manchen Gebräuchen, Liturgien,
Cerimo-
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[219/0225] Vom äußerlichen Gottesdienſte. gion in einem irdenen Gefäß tragen, (2 Cor. 4, 7.) daß ihr Geift in einem Leibe wohnet, der ihn oft drückt, oft *) *) wird nicht nach Ordensband und Stern, nach Geburt und Amt beurtheilt, auch unter den gemeinſten Chriſten ſtellt die Religion große Wunder auf, die chriſtlichen Kirchen ſind ein wahres Vorbild des Himmels, wo alle Menſchen ſich gleich ſeyn werden. Auch junge Lehrer muß man hören, damit ſie ermuntert, und zum Fleiß angeſpornt werden, und auch der Anſänger kann mich zum Guten ermuntern, und kann zu vielem Lob Gottes, zum Nachdenken über die Mannigfaltigkeit der Gaben in der Haushaltung Got- tes Anlaß geben. Selbſt geübte und geſchickte Prediger geſtehen, daß ſie auch von den mittelmäßigſten Predigern etwas Nachahmungswürdiges gehört, oder doch gewiſſe Fehler vermeiden gelernt haben. Viele entſchuldigen ſich damit, die proteſtantiſchen Kirchen hätten wenig Reize, keine äußerliche Empfehlungen, es fehle ihnen Muſik, Ge- mählde, Räuchwerk, die Heiden hätten prächtigere Tem- pel gehabt ꝛc. Aber ſie vergeſſen, daß die heidniſchen Kir- chen groß und prächtig ſeyn mußten, weil nach den Be- griffen ihrer Erbauer die Götter wirklich darin wohnten, die chriſtlichen hingegen ſind bloße Verſammlungsörter für die Menſchen. Und ſoll man alles in der Welt nach dem Zweck beurtheilen, ſo gehört wirklich das alles entweder gar nicht, oder doch nur ſehr ſparſam (und ſo iſt es auch in vielen proteſtantiſchen Kirchen, nach neuerem Geſchmack gebaut) in die Kirchen der Chriſten, was die Gemüther, die jezt an unſichtbare Dinge denken ſollen, zerſtreut, und nur mit ſinnlichen Gegenſtänden beſchäftigt. Dazu kommt die Erfahrung, daß man ſich in kurzer Zeit an Muſik und Malerey gewöhnt, und dabey ohne Empfindung bleibt. Und die Regel iſt immer wahr: Je ſimpler, je ſchöner! Der, der ſich an manchen Gebräuchen, Liturgien, Cerimo-

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/225>, abgerufen am 22.11.2024.