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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Ueber die Thränen Jesu Christi
Religionslehre, an keine Heiligung der Sitten, an keine
Einschränkung, an keine Veränderung. Lehrer, Schü-
ler, Unterthanen, Regenten, Aeltern, Kinder, Be-
dienten blieben alle, was sie waren. Sie bedachten
nicht,
sagt unser weinender Heiland, was zu ihrem
Besten dient.

Jerusalem ist ein Steinhaufen. DerAnwendung
für uns.

Tempel liegt in der Asche, und die Altäre
sind zerbrochen. Das Volk der Juden hat die Wahr-
heit der Klagen des Erlösers erfahren, aber auch für
uns, Christen! ist die Aufforderung Jesu Christi nicht un-
nöthig, nicht überflüßig. Niemand berede sich, daß er
bereits alles gethan habe, was er der Liebe des Heilandes
schuldig ist. Wo ist der Ernst, die Lauterkeit im Gu-
ten, die das Wesen des Christenthums ausmacht? Ge-
hen wir nicht alle, der eine länger, der andre kürzer, in
der Trunkenheit unsers Herzens dahin, und machen die
Güter der Erde zum letzten Ziel unsrer Wünsche und Be-
mühungen? Kennen wir dann alle den Gott und Vater
unsers Herrn Jesu Christi, der uns zu einer ewigen
Herrlichkeit berufen hat? Lieben wir alle den Erlöser, an
den wir glauben sollen, so aufrichtig, so demüthig, so
zärtlich, daß sein Wille unser Wille, seine Anbetung un-
sre Ehre, sein Reich unsre Glückseligkeit, seine Nach-
folge unsre tägliche Uebung ist? Haben wir uns nirgends
die Klagen andrer Menschen zugezogen? Ist die Liebe,
die Menschenfreundlichkeit, die Gefälligkeit gegen andre
der Schmuck unsers Lebens? Wie oft prüfen wir uns?
Und was entdeckt uns dann dieser Blick ins Herz? Was
sagt das Tagebuch unsers Lebens? Hat Gott bey uns die
Absichten wirklich erreicht, die er bey Wohlthaten und

bey

Ueber die Thränen Jeſu Chriſti
Religionslehre, an keine Heiligung der Sitten, an keine
Einſchränkung, an keine Veränderung. Lehrer, Schü-
ler, Unterthanen, Regenten, Aeltern, Kinder, Be-
dienten blieben alle, was ſie waren. Sie bedachten
nicht,
ſagt unſer weinender Heiland, was zu ihrem
Beſten dient.

Jeruſalem iſt ein Steinhaufen. DerAnwendung
für uns.

Tempel liegt in der Aſche, und die Altäre
ſind zerbrochen. Das Volk der Juden hat die Wahr-
heit der Klagen des Erlöſers erfahren, aber auch für
uns, Chriſten! iſt die Aufforderung Jeſu Chriſti nicht un-
nöthig, nicht überflüßig. Niemand berede ſich, daß er
bereits alles gethan habe, was er der Liebe des Heilandes
ſchuldig iſt. Wo iſt der Ernſt, die Lauterkeit im Gu-
ten, die das Weſen des Chriſtenthums ausmacht? Ge-
hen wir nicht alle, der eine länger, der andre kürzer, in
der Trunkenheit unſers Herzens dahin, und machen die
Güter der Erde zum letzten Ziel unſrer Wünſche und Be-
mühungen? Kennen wir dann alle den Gott und Vater
unſers Herrn Jeſu Chriſti, der uns zu einer ewigen
Herrlichkeit berufen hat? Lieben wir alle den Erlöſer, an
den wir glauben ſollen, ſo aufrichtig, ſo demüthig, ſo
zärtlich, daß ſein Wille unſer Wille, ſeine Anbetung un-
ſre Ehre, ſein Reich unſre Glückſeligkeit, ſeine Nach-
folge unſre tägliche Uebung iſt? Haben wir uns nirgends
die Klagen andrer Menſchen zugezogen? Iſt die Liebe,
die Menſchenfreundlichkeit, die Gefälligkeit gegen andre
der Schmuck unſers Lebens? Wie oft prüfen wir uns?
Und was entdeckt uns dann dieſer Blick ins Herz? Was
ſagt das Tagebuch unſers Lebens? Hat Gott bey uns die
Abſichten wirklich erreicht, die er bey Wohlthaten und

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[203/0209] Ueber die Thränen Jeſu Chriſti Religionslehre, an keine Heiligung der Sitten, an keine Einſchränkung, an keine Veränderung. Lehrer, Schü- ler, Unterthanen, Regenten, Aeltern, Kinder, Be- dienten blieben alle, was ſie waren. Sie bedachten nicht, ſagt unſer weinender Heiland, was zu ihrem Beſten dient. Jeruſalem iſt ein Steinhaufen. Der Tempel liegt in der Aſche, und die Altäre ſind zerbrochen. Das Volk der Juden hat die Wahr- heit der Klagen des Erlöſers erfahren, aber auch für uns, Chriſten! iſt die Aufforderung Jeſu Chriſti nicht un- nöthig, nicht überflüßig. Niemand berede ſich, daß er bereits alles gethan habe, was er der Liebe des Heilandes ſchuldig iſt. Wo iſt der Ernſt, die Lauterkeit im Gu- ten, die das Weſen des Chriſtenthums ausmacht? Ge- hen wir nicht alle, der eine länger, der andre kürzer, in der Trunkenheit unſers Herzens dahin, und machen die Güter der Erde zum letzten Ziel unſrer Wünſche und Be- mühungen? Kennen wir dann alle den Gott und Vater unſers Herrn Jeſu Chriſti, der uns zu einer ewigen Herrlichkeit berufen hat? Lieben wir alle den Erlöſer, an den wir glauben ſollen, ſo aufrichtig, ſo demüthig, ſo zärtlich, daß ſein Wille unſer Wille, ſeine Anbetung un- ſre Ehre, ſein Reich unſre Glückſeligkeit, ſeine Nach- folge unſre tägliche Uebung iſt? Haben wir uns nirgends die Klagen andrer Menſchen zugezogen? Iſt die Liebe, die Menſchenfreundlichkeit, die Gefälligkeit gegen andre der Schmuck unſers Lebens? Wie oft prüfen wir uns? Und was entdeckt uns dann dieſer Blick ins Herz? Was ſagt das Tagebuch unſers Lebens? Hat Gott bey uns die Abſichten wirklich erreicht, die er bey Wohlthaten und bey Anwendung für uns.

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/209>, abgerufen am 22.11.2024.