Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Seine Vorschriften zur Liebe. ten wir nur alle geschickt seyn, Lehrer und Aufseher vonandern, nicht blinde Eiferer, zu werden! Möchten wir nur oft unsre Unterredungen mit diesem Salz würzen, und zu rechter Zeit, unter den besten Umständen, wenn das Herz des Bruders vorbereitet, und erweicht ist, ihm die Gottseligkeit, als den sichersten Weg zu Glück und Ruhe empfehlen! Möchten wir wenigstens alle durch ein heiliges Leben, durch ein frommes Beyspiel das ersetzen, was wir in unsrer Welt, wo Menschensinn und Men- schenpflicht unter der Tyranney der immer abwechselnden Mode verlohren geht, nicht durch Worte ausrichten kön- nen! Jesus verlangt nur, daß wir kleine Gebrechen an- drer mit edlem Herzen überschen, ihre guten und rühm- lichen Eigenschaften bemerken, sie ausbreiten, Arme und Verlassene denen empfehlen sollen, die die Schätze der Erde in Händen haben, zuweilen, wie im Vorbeygehen sanfte Erinnerungen einfließen lassen, am festlichen Tage, auch bey unsern Vergnügungen Gutes stiften, durch fal- sche, selber erfundene, verunstaltete, vergrößerte, oder nur durch ausgestreute und herumgetragene Gerüchte nicht zu- fällig das Glück andrer zeitlebens hindern, oder doch verspäten, dem andern da nicht zu schaden suchen, wo er keine Gelegenheit hat, sich zu vertheidigen, und seinen guten Namen zu retten, über alte schon längst vergeßne Fehltritte eine Decke werfen, die Schande unsrer Brü- der, wenn wir keinen Beruf haben, sie zu bestrafen, ver- schweigen, mit Bitterkeit niemanden begangene Sünden vorwerfen, und uns immer erinnern, daß wir selber noch auf schlüpfrigem Wege stehen, unser eigenes Herz, unsre eigene Welt, unsre eigene Lockungen und Versuchungen haben, und, wenn wir aufrichtig seyn wollen, mit uns selber
Seine Vorſchriften zur Liebe. ten wir nur alle geſchickt ſeyn, Lehrer und Aufſeher vonandern, nicht blinde Eiferer, zu werden! Möchten wir nur oft unſre Unterredungen mit dieſem Salz würzen, und zu rechter Zeit, unter den beſten Umſtänden, wenn das Herz des Bruders vorbereitet, und erweicht iſt, ihm die Gottſeligkeit, als den ſicherſten Weg zu Glück und Ruhe empfehlen! Möchten wir wenigſtens alle durch ein heiliges Leben, durch ein frommes Beyſpiel das erſetzen, was wir in unſrer Welt, wo Menſchenſinn und Men- ſchenpflicht unter der Tyranney der immer abwechſelnden Mode verlohren geht, nicht durch Worte ausrichten kön- nen! Jeſus verlangt nur, daß wir kleine Gebrechen an- drer mit edlem Herzen überſchen, ihre guten und rühm- lichen Eigenſchaften bemerken, ſie ausbreiten, Arme und Verlaſſene denen empfehlen ſollen, die die Schätze der Erde in Händen haben, zuweilen, wie im Vorbeygehen ſanfte Erinnerungen einfließen laſſen, am feſtlichen Tage, auch bey unſern Vergnügungen Gutes ſtiften, durch fal- ſche, ſelber erfundene, verunſtaltete, vergrößerte, oder nur durch ausgeſtreute und herumgetragene Gerüchte nicht zu- fällig das Glück andrer zeitlebens hindern, oder doch verſpäten, dem andern da nicht zu ſchaden ſuchen, wo er keine Gelegenheit hat, ſich zu vertheidigen, und ſeinen guten Namen zu retten, über alte ſchon längſt vergeßne Fehltritte eine Decke werfen, die Schande unſrer Brü- der, wenn wir keinen Beruf haben, ſie zu beſtrafen, ver- ſchweigen, mit Bitterkeit niemanden begangene Sünden vorwerfen, und uns immer erinnern, daß wir ſelber noch auf ſchlüpfrigem Wege ſtehen, unſer eigenes Herz, unſre eigene Welt, unſre eigene Lockungen und Verſuchungen haben, und, wenn wir aufrichtig ſeyn wollen, mit uns ſelber
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Seine Vorſchriften zur Liebe.
ten wir nur alle geſchickt ſeyn, Lehrer und Aufſeher von
andern, nicht blinde Eiferer, zu werden! Möchten wir
nur oft unſre Unterredungen mit dieſem Salz würzen,
und zu rechter Zeit, unter den beſten Umſtänden, wenn
das Herz des Bruders vorbereitet, und erweicht iſt, ihm
die Gottſeligkeit, als den ſicherſten Weg zu Glück und
Ruhe empfehlen! Möchten wir wenigſtens alle durch ein
heiliges Leben, durch ein frommes Beyſpiel das erſetzen,
was wir in unſrer Welt, wo Menſchenſinn und Men-
ſchenpflicht unter der Tyranney der immer abwechſelnden
Mode verlohren geht, nicht durch Worte ausrichten kön-
nen! Jeſus verlangt nur, daß wir kleine Gebrechen an-
drer mit edlem Herzen überſchen, ihre guten und rühm-
lichen Eigenſchaften bemerken, ſie ausbreiten, Arme und
Verlaſſene denen empfehlen ſollen, die die Schätze der
Erde in Händen haben, zuweilen, wie im Vorbeygehen
ſanfte Erinnerungen einfließen laſſen, am feſtlichen Tage,
auch bey unſern Vergnügungen Gutes ſtiften, durch fal-
ſche, ſelber erfundene, verunſtaltete, vergrößerte, oder nur
durch ausgeſtreute und herumgetragene Gerüchte nicht zu-
fällig das Glück andrer zeitlebens hindern, oder doch
verſpäten, dem andern da nicht zu ſchaden ſuchen, wo er
keine Gelegenheit hat, ſich zu vertheidigen, und ſeinen
guten Namen zu retten, über alte ſchon längſt vergeßne
Fehltritte eine Decke werfen, die Schande unſrer Brü-
der, wenn wir keinen Beruf haben, ſie zu beſtrafen, ver-
ſchweigen, mit Bitterkeit niemanden begangene Sünden
vorwerfen, und uns immer erinnern, daß wir ſelber noch
auf ſchlüpfrigem Wege ſtehen, unſer eigenes Herz, unſre
eigene Welt, unſre eigene Lockungen und Verſuchungen
haben, und, wenn wir aufrichtig ſeyn wollen, mit uns
ſelber
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