Anfassen! Von Rubens noch einmahl Petrus und Paulus. Eine Lukretia von Giordano. Der Bethlehemitische Knabenmord, Rubens schönstes Stück ausser der Abnehmung vom Kreuz etc. Man muß über die Phantasie des grossen Mannes, aber noch mehr über die Leichtigkeit, womit er alles hinwarf, er- staunen. Wie die Weiber mit den Soldaten umgehen! Wie sie sie hernehmen, ihnen in die Haare, ins Gesicht fallen, sie in den Arm beissen, sie anpacken, wie gereitzte Tyger! Es fällt in die Augen, daß in der Seele des lie- benswürdigen Künstlers Gedanken und Bilder sich drängten, wie Wellen auf Wellen stürzen. Diesem feu- rigen Stücke gegenüber hängt ein herrliches Frauenbild von Vandyck, das eben so ruhig, fest und bestimmt ist, als jenes hinreissend und überwallend.
Nach diesem folgt noch die Gallerie, und erlauben Sie mir, nur noch einige Stücke auszuzeichnen. Die Geschichte der Ehebrecherin von Lukas Cranach. Da bringt ein Pharisäer, ein abscheulicher Bösewicht, mit einem greulichen abgefeimten Gesicht, so recht wie ein Erzbonze, schon einen Hut voll Steine, und will eben auf das arme Weib werfen, und Christus steht so ruhig, so mitleidig, so menschlich darneben, und winkt nur. Ei- ne Dido mit dem Askanius und Aeneas von Laires- se. Zwei herrliche Dominichinos, nämlich Herku- les, wie er spinnt, und ein rasender Herkules. Von Vandyck seine eigene Frau, ein KarlV. und Correg- gio's heilige Familie, die sich gleich vor allen andern aus- zeichnet.
Unter
Zweiter Theil. D
Anfaſſen! Von Rubens noch einmahl Petrus und Paulus. Eine Lukretia von Giordano. Der Bethlehemitiſche Knabenmord, Rubens ſchoͤnſtes Stuͤck auſſer der Abnehmung vom Kreuz ꝛc. Man muß uͤber die Phantaſie des groſſen Mannes, aber noch mehr uͤber die Leichtigkeit, womit er alles hinwarf, er- ſtaunen. Wie die Weiber mit den Soldaten umgehen! Wie ſie ſie hernehmen, ihnen in die Haare, ins Geſicht fallen, ſie in den Arm beiſſen, ſie anpacken, wie gereitzte Tyger! Es faͤllt in die Augen, daß in der Seele des lie- benswuͤrdigen Kuͤnſtlers Gedanken und Bilder ſich draͤngten, wie Wellen auf Wellen ſtuͤrzen. Dieſem feu- rigen Stuͤcke gegenuͤber haͤngt ein herrliches Frauenbild von Vandyck, das eben ſo ruhig, feſt und beſtimmt iſt, als jenes hinreiſſend und uͤberwallend.
Nach dieſem folgt noch die Gallerie, und erlauben Sie mir, nur noch einige Stuͤcke auszuzeichnen. Die Geſchichte der Ehebrecherin von Lukas Cranach. Da bringt ein Phariſaͤer, ein abſcheulicher Boͤſewicht, mit einem greulichen abgefeimten Geſicht, ſo recht wie ein Erzbonze, ſchon einen Hut voll Steine, und will eben auf das arme Weib werfen, und Chriſtus ſteht ſo ruhig, ſo mitleidig, ſo menſchlich darneben, und winkt nur. Ei- ne Dido mit dem Aſkanius und Aeneas von Laireſ- ſe. Zwei herrliche Dominichinos, naͤmlich Herku- les, wie er ſpinnt, und ein raſender Herkules. Von Vandyck ſeine eigene Frau, ein KarlV. und Correg- gio’s heilige Familie, die ſich gleich vor allen andern aus- zeichnet.
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Zweiter Theil. D
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Anfaſſen! Von Rubens noch einmahl Petrus und
Paulus. Eine Lukretia von Giordano. Der
Bethlehemitiſche Knabenmord, Rubens ſchoͤnſtes
Stuͤck auſſer der Abnehmung vom Kreuz ꝛc. Man
muß uͤber die Phantaſie des groſſen Mannes, aber noch
mehr uͤber die Leichtigkeit, womit er alles hinwarf, er-
ſtaunen. Wie die Weiber mit den Soldaten umgehen!
Wie ſie ſie hernehmen, ihnen in die Haare, ins Geſicht
fallen, ſie in den Arm beiſſen, ſie anpacken, wie gereitzte
Tyger! Es faͤllt in die Augen, daß in der Seele des lie-
benswuͤrdigen Kuͤnſtlers Gedanken und Bilder ſich
draͤngten, wie Wellen auf Wellen ſtuͤrzen. Dieſem feu-
rigen Stuͤcke gegenuͤber haͤngt ein herrliches Frauenbild
von Vandyck, das eben ſo ruhig, feſt und beſtimmt
iſt, als jenes hinreiſſend und uͤberwallend.
Nach dieſem folgt noch die Gallerie, und erlauben
Sie mir, nur noch einige Stuͤcke auszuzeichnen. Die
Geſchichte der Ehebrecherin von Lukas Cranach. Da
bringt ein Phariſaͤer, ein abſcheulicher Boͤſewicht, mit
einem greulichen abgefeimten Geſicht, ſo recht wie ein
Erzbonze, ſchon einen Hut voll Steine, und will eben
auf das arme Weib werfen, und Chriſtus ſteht ſo ruhig,
ſo mitleidig, ſo menſchlich darneben, und winkt nur. Ei-
ne Dido mit dem Aſkanius und Aeneas von Laireſ-
ſe. Zwei herrliche Dominichinos, naͤmlich Herku-
les, wie er ſpinnt, und ein raſender Herkules. Von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/87>, abgerufen am 25.11.2024.
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