Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

ger, das Clever, das Stein- das Aegidienthor. Die
Kirchen sind voll hoher Altäre, Leuchter, Bilder, Ver-
goldungen, Gitterwerk, recht katholickenmässig, sonder-
lich die Marktkirche. Der Landständner Hof ist ein schö-
nes Gebäude. Das Rathhaus hat einen schönen Saal,
wo Redoute gehalten wird. Man rechnet hier 18,000.
Seelen. Die Stadt zeigt sich von weitem, wie Heidel-
berg
am Neckar. Es stehen wohl 800. Gartenhäuser
rings herum, Die Altestadt hat ihren eigenen Burger-
meister, eigene Waldungen, wo nur ihre Bürger jagen
dürfen, eigene Rechte und eine ganz eigene Verfassung
und Lebensart, die etwas ungezwungener ist, weil der Hof
nicht da ist, ausser Prinz Karl von Mecklenburg, des-
sen Regiment darin liegt. Der König erhält indessen ei-
ne ganze Hofstaat da, Reithaus, Marstall, Pferde,
Lakaien, Bereiter, Stallmeister, Pagen, Hofkapelle,
Schloßkirche und Schloßprediger etc. Die Bürger wün-
schen nichts so sehr als seine Gegenwart. Es ist die Kö-
nigl. Regierung da, die in des Monarchen Namen han-
delt, aber in nur halb wichtigen Dingen die Unterschrift
des Königs einholen muß. In London sind eigene
Minister, welche die Churhannöverischen Angelegen-
heiten referiren. Der vorige König war etlichemahl im
Lande, war ungemein gnädig, leutselig, gab freie Ko-
mödie im Garten, hielt offne Tafel, stand früh auf, ging
in Herrenhausen im Gartenmeisterskleide herum, visi-
tirte alles selbst, sprach mit der Schildwache auf den
Posten, ohne sich zu entdecken, erkundigte sich nach ihrer
Bezahlung und Behandlung, gab ihnen dann Gulden
und Brandweingeld etc. Er befahl, daß ein gewisser
Anjou, der Soufleur in der Komödie gewesen war, hernach
so lange er lebte, ohne alle weitere Dienste 200. Thaler

geniessen
S s 4

ger, das Clever, das Stein- das Aegidienthor. Die
Kirchen ſind voll hoher Altaͤre, Leuchter, Bilder, Ver-
goldungen, Gitterwerk, recht katholickenmaͤſſig, ſonder-
lich die Marktkirche. Der Landſtaͤndner Hof iſt ein ſchoͤ-
nes Gebaͤude. Das Rathhaus hat einen ſchoͤnen Saal,
wo Redoute gehalten wird. Man rechnet hier 18,000.
Seelen. Die Stadt zeigt ſich von weitem, wie Heidel-
berg
am Neckar. Es ſtehen wohl 800. Gartenhaͤuſer
rings herum, Die Alteſtadt hat ihren eigenen Burger-
meiſter, eigene Waldungen, wo nur ihre Buͤrger jagen
duͤrfen, eigene Rechte und eine ganz eigene Verfaſſung
und Lebensart, die etwas ungezwungener iſt, weil der Hof
nicht da iſt, auſſer Prinz Karl von Mecklenburg, deſ-
ſen Regiment darin liegt. Der Koͤnig erhaͤlt indeſſen ei-
ne ganze Hofſtaat da, Reithaus, Marſtall, Pferde,
Lakaien, Bereiter, Stallmeiſter, Pagen, Hofkapelle,
Schloßkirche und Schloßprediger ꝛc. Die Buͤrger wuͤn-
ſchen nichts ſo ſehr als ſeine Gegenwart. Es iſt die Koͤ-
nigl. Regierung da, die in des Monarchen Namen han-
delt, aber in nur halb wichtigen Dingen die Unterſchrift
des Koͤnigs einholen muß. In London ſind eigene
Miniſter, welche die Churhannoͤveriſchen Angelegen-
heiten referiren. Der vorige Koͤnig war etlichemahl im
Lande, war ungemein gnaͤdig, leutſelig, gab freie Ko-
moͤdie im Garten, hielt offne Tafel, ſtand fruͤh auf, ging
in Herrenhauſen im Gartenmeiſterskleide herum, viſi-
tirte alles ſelbſt, ſprach mit der Schildwache auf den
Poſten, ohne ſich zu entdecken, erkundigte ſich nach ihrer
Bezahlung und Behandlung, gab ihnen dann Gulden
und Brandweingeld ꝛc. Er befahl, daß ein gewiſſer
Anjou, der Soufleur in der Komoͤdie geweſen war, hernach
ſo lange er lebte, ohne alle weitere Dienſte 200. Thaler

genieſſen
S s 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0685" n="647"/><hi rendition="#fr">g</hi>er, das <hi rendition="#fr">Clev</hi>er, das Stein- das <hi rendition="#fr">Aegidien</hi>thor. Die<lb/>
Kirchen &#x017F;ind voll hoher Alta&#x0364;re, Leuchter, Bilder, Ver-<lb/>
goldungen, Gitterwerk, recht katholickenma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, &#x017F;onder-<lb/>
lich die Marktkirche. Der Land&#x017F;ta&#x0364;ndner Hof i&#x017F;t ein &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nes Geba&#x0364;ude. Das Rathhaus hat einen &#x017F;cho&#x0364;nen Saal,<lb/>
wo Redoute gehalten wird. Man rechnet hier 18,000.<lb/>
Seelen. Die Stadt zeigt &#x017F;ich von weitem, wie <hi rendition="#fr">Heidel-<lb/>
berg</hi> am <hi rendition="#fr">Neckar.</hi> Es &#x017F;tehen wohl 800. Gartenha&#x0364;u&#x017F;er<lb/>
rings herum, Die <hi rendition="#fr">Alte&#x017F;tadt</hi> hat ihren eigenen Burger-<lb/>
mei&#x017F;ter, eigene Waldungen, wo nur ihre Bu&#x0364;rger jagen<lb/>
du&#x0364;rfen, eigene Rechte und eine ganz eigene Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
und Lebensart, die etwas ungezwungener i&#x017F;t, weil der Hof<lb/>
nicht da i&#x017F;t, au&#x017F;&#x017F;er Prinz <hi rendition="#fr">Karl</hi> von <hi rendition="#fr">Mecklenburg,</hi> de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Regiment darin liegt. Der Ko&#x0364;nig erha&#x0364;lt inde&#x017F;&#x017F;en ei-<lb/>
ne ganze <hi rendition="#fr">Hof&#x017F;taat</hi> da, Reithaus, Mar&#x017F;tall, Pferde,<lb/>
Lakaien, Bereiter, Stallmei&#x017F;ter, Pagen, Hofkapelle,<lb/>
Schloßkirche und Schloßprediger &#xA75B;c. Die Bu&#x0364;rger wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen nichts &#x017F;o &#x017F;ehr als &#x017F;eine Gegenwart. Es i&#x017F;t die Ko&#x0364;-<lb/>
nigl. Regierung da, die in des Monarchen Namen han-<lb/>
delt, aber in nur halb wichtigen Dingen die Unter&#x017F;chrift<lb/>
des Ko&#x0364;nigs einholen muß. In <hi rendition="#fr">London</hi> &#x017F;ind eigene<lb/>
Mini&#x017F;ter, welche die <hi rendition="#fr">Churhanno&#x0364;ver</hi>i&#x017F;chen Angelegen-<lb/>
heiten referiren. Der vorige Ko&#x0364;nig war etlichemahl im<lb/>
Lande, war ungemein gna&#x0364;dig, leut&#x017F;elig, gab freie Ko-<lb/>
mo&#x0364;die im Garten, hielt offne Tafel, &#x017F;tand fru&#x0364;h auf, ging<lb/>
in <hi rendition="#fr">Herrenhau&#x017F;en</hi> im Gartenmei&#x017F;terskleide herum, vi&#x017F;i-<lb/>
tirte alles &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;prach mit der Schildwache auf den<lb/>
Po&#x017F;ten, ohne &#x017F;ich zu entdecken, erkundigte &#x017F;ich nach ihrer<lb/>
Bezahlung und Behandlung, gab ihnen dann Gulden<lb/>
und Brandweingeld &#xA75B;c. Er befahl, daß ein gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Anjou,</hi></hi> der Soufleur in der Komo&#x0364;die gewe&#x017F;en war, hernach<lb/>
&#x017F;o lange er lebte, ohne alle weitere <hi rendition="#fr">Dien&#x017F;te</hi> 200. Thaler<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s 4</fw><fw place="bottom" type="catch">genie&#x017F;&#x017F;en</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[647/0685] ger, das Clever, das Stein- das Aegidienthor. Die Kirchen ſind voll hoher Altaͤre, Leuchter, Bilder, Ver- goldungen, Gitterwerk, recht katholickenmaͤſſig, ſonder- lich die Marktkirche. Der Landſtaͤndner Hof iſt ein ſchoͤ- nes Gebaͤude. Das Rathhaus hat einen ſchoͤnen Saal, wo Redoute gehalten wird. Man rechnet hier 18,000. Seelen. Die Stadt zeigt ſich von weitem, wie Heidel- berg am Neckar. Es ſtehen wohl 800. Gartenhaͤuſer rings herum, Die Alteſtadt hat ihren eigenen Burger- meiſter, eigene Waldungen, wo nur ihre Buͤrger jagen duͤrfen, eigene Rechte und eine ganz eigene Verfaſſung und Lebensart, die etwas ungezwungener iſt, weil der Hof nicht da iſt, auſſer Prinz Karl von Mecklenburg, deſ- ſen Regiment darin liegt. Der Koͤnig erhaͤlt indeſſen ei- ne ganze Hofſtaat da, Reithaus, Marſtall, Pferde, Lakaien, Bereiter, Stallmeiſter, Pagen, Hofkapelle, Schloßkirche und Schloßprediger ꝛc. Die Buͤrger wuͤn- ſchen nichts ſo ſehr als ſeine Gegenwart. Es iſt die Koͤ- nigl. Regierung da, die in des Monarchen Namen han- delt, aber in nur halb wichtigen Dingen die Unterſchrift des Koͤnigs einholen muß. In London ſind eigene Miniſter, welche die Churhannoͤveriſchen Angelegen- heiten referiren. Der vorige Koͤnig war etlichemahl im Lande, war ungemein gnaͤdig, leutſelig, gab freie Ko- moͤdie im Garten, hielt offne Tafel, ſtand fruͤh auf, ging in Herrenhauſen im Gartenmeiſterskleide herum, viſi- tirte alles ſelbſt, ſprach mit der Schildwache auf den Poſten, ohne ſich zu entdecken, erkundigte ſich nach ihrer Bezahlung und Behandlung, gab ihnen dann Gulden und Brandweingeld ꝛc. Er befahl, daß ein gewiſſer Anjou, der Soufleur in der Komoͤdie geweſen war, hernach ſo lange er lebte, ohne alle weitere Dienſte 200. Thaler genieſſen S s 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/685
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/685>, abgerufen am 25.11.2024.