Alltagsmäntel, 2. Sonntagsmäntel, und hernach noch rothe scharlachne Wintermäntel haben *).
Hr. Algöwer aß noch zu Nacht mit mir, nach dem ermüdenden Laufen.
Bemerkungen.
Ich hatte heute manche Gelegenheit über den Ka- rakter der Nation allerlei Bemerkungen zu machen. Die Italiäner lieben zu sehr das Buntscheckigte, Lebhaf- te, Gemischte, recht stark in die Augen fallende, z. B. in der Kleidung. Sie tragen oft rothe Strümpfe, schwarze Hosen, weisse Weste, gelben Rock, und noch viel bizarrere Zusammensetzungen.
Dabei ist die Nation äusserst faul. Die gesundesten und stärksten Männer und Weiber betteln, und gibt man ih- nen nicht genug, so schimpfen sie oft noch. Denn die Frei- heit, die sich die Leute herausnehmen, ist unglaublich. Ein Nobile wollte einen Bettler in sein Haus nehmen, ihm alle Tage nebst dem Essen und Trinken zwei Pfund geben, nur sollte er täglich für ihn so viel Ave Maria etc. beten, der Bettler nahms aber nicht an, er rechnete nach, und fand, daß er beim Betteln besser stünde.
Der Venetianer ißt um 2. Uhr, dann hält er seine Mittagsruhe bis 5. Uhr, wenns kühle wird. Dann
trinkt
*) Auch die kleinsten Buben hier müssen schon Mäntel tragen, an denen sie der Wind oft aufheben könnte. Viele Nobiliversetzen hier, sobald der Sommer kommt, ihre Winterkleider. Daher entstehen, wenn oft noch späte Kälte eintritt, viele Krankheiten, die Leute können sich nicht warm anziehen.
R r 4
Alltagsmaͤntel, 2. Sonntagsmaͤntel, und hernach noch rothe ſcharlachne Wintermaͤntel haben *).
Hr. Algoͤwer aß noch zu Nacht mit mir, nach dem ermuͤdenden Laufen.
Bemerkungen.
Ich hatte heute manche Gelegenheit uͤber den Ka- rakter der Nation allerlei Bemerkungen zu machen. Die Italiaͤner lieben zu ſehr das Buntſcheckigte, Lebhaf- te, Gemiſchte, recht ſtark in die Augen fallende, z. B. in der Kleidung. Sie tragen oft rothe Struͤmpfe, ſchwarze Hoſen, weiſſe Weſte, gelben Rock, und noch viel bizarrere Zuſammenſetzungen.
Dabei iſt die Nation aͤuſſerſt faul. Die geſundeſten und ſtaͤrkſten Maͤnner und Weiber betteln, und gibt man ih- nen nicht genug, ſo ſchimpfen ſie oft noch. Denn die Frei- heit, die ſich die Leute herausnehmen, iſt unglaublich. Ein Nobile wollte einen Bettler in ſein Haus nehmen, ihm alle Tage nebſt dem Eſſen und Trinken zwei Pfund geben, nur ſollte er taͤglich fuͤr ihn ſo viel Ave Maria ꝛc. beten, der Bettler nahms aber nicht an, er rechnete nach, und fand, daß er beim Betteln beſſer ſtuͤnde.
Der Venetianer ißt um 2. Uhr, dann haͤlt er ſeine Mittagsruhe bis 5. Uhr, wenns kuͤhle wird. Dann
trinkt
*) Auch die kleinſten Buben hier muͤſſen ſchon Maͤntel tragen, an denen ſie der Wind oft aufheben koͤnnte. Viele Nobiliverſetzen hier, ſobald der Sommer kommt, ihre Winterkleider. Daher entſtehen, wenn oft noch ſpaͤte Kaͤlte eintritt, viele Krankheiten, die Leute koͤnnen ſich nicht warm anziehen.
R r 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0669"n="631"/>
Alltagsmaͤntel, 2. Sonntagsmaͤntel, und hernach noch<lb/>
rothe ſcharlachne Wintermaͤntel haben <noteplace="foot"n="*)">Auch die <hirendition="#fr">kleinſten Buben</hi> hier muͤſſen ſchon Maͤntel<lb/>
tragen, an denen ſie der Wind oft aufheben koͤnnte.<lb/>
Viele <hirendition="#aq">Nobili</hi><hirendition="#fr">verſetzen</hi> hier, ſobald der Sommer<lb/>
kommt, ihre Winterkleider. Daher entſtehen, wenn<lb/>
oft noch ſpaͤte Kaͤlte eintritt, viele Krankheiten, die<lb/>
Leute koͤnnen ſich nicht warm anziehen.</note>.</p><lb/><p>Hr. <hirendition="#fr">Algoͤwer</hi> aß noch zu Nacht mit mir, nach dem<lb/>
ermuͤdenden Laufen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Bemerkungen.</hi></hi></head><lb/><p>Ich hatte heute manche Gelegenheit uͤber den <hirendition="#fr">Ka-<lb/>
rakter der Nation</hi> allerlei Bemerkungen zu machen.<lb/>
Die Italiaͤner lieben zu ſehr das Buntſcheckigte, Lebhaf-<lb/>
te, Gemiſchte, recht ſtark in die Augen fallende, z. B.<lb/>
in der Kleidung. Sie tragen oft rothe Struͤmpfe,<lb/>ſchwarze Hoſen, weiſſe Weſte, gelben Rock, und noch<lb/>
viel bizarrere Zuſammenſetzungen.</p><lb/><p>Dabei iſt die Nation aͤuſſerſt <hirendition="#fr">faul.</hi> Die geſundeſten<lb/>
und ſtaͤrkſten Maͤnner und Weiber betteln, und gibt man ih-<lb/>
nen nicht genug, ſo ſchimpfen ſie oft noch. Denn die Frei-<lb/>
heit, die ſich die Leute herausnehmen, iſt unglaublich.<lb/>
Ein <hirendition="#aq">Nobile</hi> wollte einen Bettler in ſein Haus nehmen,<lb/>
ihm alle Tage nebſt dem Eſſen und Trinken zwei Pfund<lb/>
geben, nur ſollte er taͤglich fuͤr ihn ſo viel Ave Maria ꝛc.<lb/>
beten, der Bettler nahms aber nicht an, er rechnete<lb/>
nach, und fand, daß er beim Betteln beſſer ſtuͤnde.</p><lb/><p>Der <hirendition="#fr">Venetianer</hi> ißt um 2. Uhr, dann haͤlt er<lb/>ſeine Mittagsruhe bis 5. Uhr, wenns kuͤhle wird. Dann<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R r 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">trinkt</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[631/0669]
Alltagsmaͤntel, 2. Sonntagsmaͤntel, und hernach noch
rothe ſcharlachne Wintermaͤntel haben *).
Hr. Algoͤwer aß noch zu Nacht mit mir, nach dem
ermuͤdenden Laufen.
Bemerkungen.
Ich hatte heute manche Gelegenheit uͤber den Ka-
rakter der Nation allerlei Bemerkungen zu machen.
Die Italiaͤner lieben zu ſehr das Buntſcheckigte, Lebhaf-
te, Gemiſchte, recht ſtark in die Augen fallende, z. B.
in der Kleidung. Sie tragen oft rothe Struͤmpfe,
ſchwarze Hoſen, weiſſe Weſte, gelben Rock, und noch
viel bizarrere Zuſammenſetzungen.
Dabei iſt die Nation aͤuſſerſt faul. Die geſundeſten
und ſtaͤrkſten Maͤnner und Weiber betteln, und gibt man ih-
nen nicht genug, ſo ſchimpfen ſie oft noch. Denn die Frei-
heit, die ſich die Leute herausnehmen, iſt unglaublich.
Ein Nobile wollte einen Bettler in ſein Haus nehmen,
ihm alle Tage nebſt dem Eſſen und Trinken zwei Pfund
geben, nur ſollte er taͤglich fuͤr ihn ſo viel Ave Maria ꝛc.
beten, der Bettler nahms aber nicht an, er rechnete
nach, und fand, daß er beim Betteln beſſer ſtuͤnde.
Der Venetianer ißt um 2. Uhr, dann haͤlt er
ſeine Mittagsruhe bis 5. Uhr, wenns kuͤhle wird. Dann
trinkt
*) Auch die kleinſten Buben hier muͤſſen ſchon Maͤntel
tragen, an denen ſie der Wind oft aufheben koͤnnte.
Viele Nobili verſetzen hier, ſobald der Sommer
kommt, ihre Winterkleider. Daher entſtehen, wenn
oft noch ſpaͤte Kaͤlte eintritt, viele Krankheiten, die
Leute koͤnnen ſich nicht warm anziehen.
R r 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/669>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.