Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

die Professoren sollen nebst wenigen hundert Gulden von
den Studenten leben, als wenn Wien schon wäre wie
Göttingen, Halle etc. Für den botanischen Garten
muß ihm auch bange seyn, weil der Kaiser ringsum alles
zu Belvedere zieht, wiewohl der Garten zunächst nicht
dem Kaiser, sondern der medizinischen Fakultät gehört.
Er habe nach Rußland kommen sollen, wie er mir er-
zählte, ehe er hier engagirt ward, Lehmann kam her-
nach an seine Stelle, und man müsse freilich mit Frau
und Kindern auf die Zukunft denken. Zu hoffen sei
nichts für die Wissenschaften, aber alles zu fürchten.
Doch heißt es, der Kaiser wolle auch eine Akademie der
Wissenschaften errichten. -- Vielleicht aus Born,
Jacquin, Hell
und Denis.

Ich sah bei ihm ein von ihm selbst angegebnes Ge-
wächshaus,
worin er von aller Wärme profitirt. Die
Wärme wird vom Ofen, der in einer Ecke angebracht
ist, durch unterirdische Kanäle überall herumgeleitet, und
muß immer in die Höhe steigen, bis zuletzt der Rauch
eiskalt herausgeht. Darin erzieht er besonders seine
amerikanischen und exotischen Pflanzen, und hat manche
zur Blüte gebracht, die sonst nirgends in Europa ge-
blüht haben. Viele sind noch aus den Saamen, die
er selbst mitbrachte. Ich fand bei ihm

a) Burseria gummifera L. -- In Amerika
tropft dieser Baum oft so stark von Gummi, daß der
ganze Mannsdicke Stamm damit bezogen wird.
Wir durften nur die Rinde an einer Knospe stark rei-
ben, so roch es schon gewaltig an den Fingern.
b) Nyssolia fruticosa L. eine Art amerikanischer Lia-
nen, treibt oben und unten Stricke aus, die, wenn
man

die Profeſſoren ſollen nebſt wenigen hundert Gulden von
den Studenten leben, als wenn Wien ſchon waͤre wie
Goͤttingen, Halle ꝛc. Fuͤr den botaniſchen Garten
muß ihm auch bange ſeyn, weil der Kaiſer ringsum alles
zu Belvedere zieht, wiewohl der Garten zunaͤchſt nicht
dem Kaiſer, ſondern der mediziniſchen Fakultaͤt gehoͤrt.
Er habe nach Rußland kommen ſollen, wie er mir er-
zaͤhlte, ehe er hier engagirt ward, Lehmann kam her-
nach an ſeine Stelle, und man muͤſſe freilich mit Frau
und Kindern auf die Zukunft denken. Zu hoffen ſei
nichts fuͤr die Wiſſenſchaften, aber alles zu fuͤrchten.
Doch heißt es, der Kaiſer wolle auch eine Akademie der
Wiſſenſchaften errichten. — Vielleicht aus Born,
Jacquin, Hell
und Denis.

Ich ſah bei ihm ein von ihm ſelbſt angegebnes Ge-
waͤchshaus,
worin er von aller Waͤrme profitirt. Die
Waͤrme wird vom Ofen, der in einer Ecke angebracht
iſt, durch unterirdiſche Kanaͤle uͤberall herumgeleitet, und
muß immer in die Hoͤhe ſteigen, bis zuletzt der Rauch
eiskalt herausgeht. Darin erzieht er beſonders ſeine
amerikaniſchen und exotiſchen Pflanzen, und hat manche
zur Bluͤte gebracht, die ſonſt nirgends in Europa ge-
bluͤht haben. Viele ſind noch aus den Saamen, die
er ſelbſt mitbrachte. Ich fand bei ihm

a) Burſeria gummifera L. — In Amerika
tropft dieſer Baum oft ſo ſtark von Gummi, daß der
ganze Mannsdicke Stamm damit bezogen wird.
Wir durften nur die Rinde an einer Knoſpe ſtark rei-
ben, ſo roch es ſchon gewaltig an den Fingern.
b) Nyſſolia fruticoſa L. eine Art amerikaniſcher Lia-
nen, treibt oben und unten Stricke aus, die, wenn
man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0580" n="542"/>
die Profe&#x017F;&#x017F;oren &#x017F;ollen neb&#x017F;t wenigen hundert Gulden von<lb/>
den Studenten leben, als wenn <hi rendition="#fr">Wien</hi> &#x017F;chon wa&#x0364;re wie<lb/><hi rendition="#fr">Go&#x0364;ttingen, Halle</hi> &#xA75B;c. Fu&#x0364;r den botani&#x017F;chen Garten<lb/>
muß ihm auch bange &#x017F;eyn, weil der Kai&#x017F;er ringsum alles<lb/>
zu <hi rendition="#fr">Belvedere</hi> zieht, wiewohl der Garten zuna&#x0364;ch&#x017F;t nicht<lb/>
dem Kai&#x017F;er, &#x017F;ondern der medizini&#x017F;chen Fakulta&#x0364;t geho&#x0364;rt.<lb/>
Er habe nach <hi rendition="#fr">Rußland</hi> kommen &#x017F;ollen, wie er mir er-<lb/>
za&#x0364;hlte, ehe er hier engagirt ward, <hi rendition="#fr">Lehmann</hi> kam her-<lb/>
nach an &#x017F;eine Stelle, und man mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e freilich mit Frau<lb/>
und Kindern auf die Zukunft denken. Zu hoffen &#x017F;ei<lb/>
nichts fu&#x0364;r die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, aber alles zu fu&#x0364;rchten.<lb/>
Doch heißt es, der Kai&#x017F;er wolle auch eine Akademie der<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften errichten. &#x2014; Vielleicht aus <hi rendition="#fr">Born,<lb/>
Jacquin, Hell</hi> und <hi rendition="#fr">Denis.</hi></p><lb/>
              <p>Ich &#x017F;ah bei ihm ein von ihm &#x017F;elb&#x017F;t angegebnes <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
wa&#x0364;chshaus,</hi> worin er von aller Wa&#x0364;rme profitirt. Die<lb/>
Wa&#x0364;rme wird vom Ofen, der in einer Ecke angebracht<lb/>
i&#x017F;t, durch unterirdi&#x017F;che Kana&#x0364;le u&#x0364;berall herumgeleitet, und<lb/>
muß immer in die Ho&#x0364;he &#x017F;teigen, bis zuletzt der Rauch<lb/>
eiskalt herausgeht. Darin erzieht er be&#x017F;onders &#x017F;eine<lb/><hi rendition="#fr">amerikani&#x017F;chen</hi> und exoti&#x017F;chen Pflanzen, und hat manche<lb/>
zur Blu&#x0364;te gebracht, die &#x017F;on&#x017F;t nirgends in <hi rendition="#fr">Europa</hi> ge-<lb/>
blu&#x0364;ht haben. Viele &#x017F;ind noch aus den Saamen, die<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t mitbrachte. Ich fand bei ihm</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a) <hi rendition="#i">Bur&#x017F;eria gummifera L.</hi></hi> &#x2014; In <hi rendition="#fr">Amerika</hi><lb/>
tropft die&#x017F;er Baum oft &#x017F;o &#x017F;tark von Gummi, daß der<lb/>
ganze Mannsdicke Stamm damit bezogen wird.<lb/>
Wir durften nur die Rinde an einer Kno&#x017F;pe &#x017F;tark rei-<lb/>
ben, &#x017F;o roch es &#x017F;chon gewaltig an den Fingern.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b) <hi rendition="#i">Ny&#x017F;&#x017F;olia frutico&#x017F;a L.</hi></hi> eine Art <hi rendition="#fr">amerika</hi>ni&#x017F;cher Lia-<lb/>
nen, treibt oben und unten Stricke aus, die, wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0580] die Profeſſoren ſollen nebſt wenigen hundert Gulden von den Studenten leben, als wenn Wien ſchon waͤre wie Goͤttingen, Halle ꝛc. Fuͤr den botaniſchen Garten muß ihm auch bange ſeyn, weil der Kaiſer ringsum alles zu Belvedere zieht, wiewohl der Garten zunaͤchſt nicht dem Kaiſer, ſondern der mediziniſchen Fakultaͤt gehoͤrt. Er habe nach Rußland kommen ſollen, wie er mir er- zaͤhlte, ehe er hier engagirt ward, Lehmann kam her- nach an ſeine Stelle, und man muͤſſe freilich mit Frau und Kindern auf die Zukunft denken. Zu hoffen ſei nichts fuͤr die Wiſſenſchaften, aber alles zu fuͤrchten. Doch heißt es, der Kaiſer wolle auch eine Akademie der Wiſſenſchaften errichten. — Vielleicht aus Born, Jacquin, Hell und Denis. Ich ſah bei ihm ein von ihm ſelbſt angegebnes Ge- waͤchshaus, worin er von aller Waͤrme profitirt. Die Waͤrme wird vom Ofen, der in einer Ecke angebracht iſt, durch unterirdiſche Kanaͤle uͤberall herumgeleitet, und muß immer in die Hoͤhe ſteigen, bis zuletzt der Rauch eiskalt herausgeht. Darin erzieht er beſonders ſeine amerikaniſchen und exotiſchen Pflanzen, und hat manche zur Bluͤte gebracht, die ſonſt nirgends in Europa ge- bluͤht haben. Viele ſind noch aus den Saamen, die er ſelbſt mitbrachte. Ich fand bei ihm a) Burſeria gummifera L. — In Amerika tropft dieſer Baum oft ſo ſtark von Gummi, daß der ganze Mannsdicke Stamm damit bezogen wird. Wir durften nur die Rinde an einer Knoſpe ſtark rei- ben, ſo roch es ſchon gewaltig an den Fingern. b) Nyſſolia fruticoſa L. eine Art amerikaniſcher Lia- nen, treibt oben und unten Stricke aus, die, wenn man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/580
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/580>, abgerufen am 21.11.2024.