ber etc. Aus Ungarn und Oesterreich kömmt der meiste. Die Klafter Holz kostet 8. Gulden. Hr. von Stock- maier's Küche frißt alle Woche 1. Klafter Holz; im Winter hat man oft 14 -- 15. Oefen bis nach Mitternacht zu feuern, daher die Holzzufuhren gar nicht auf hören etc. Kaffee und Zucker kömmt in manchem Hause über 500. Gulden jährlich zu stehen. Fast jedem Sohne wird von früher Jugend an ein eigener Hofmeister gehalten. Vier, fünf Bedienten stehen auf mancher Kutsche hin- ten auf. Ausser dem Hausknecht und den Kutschern ist in manchen Häusern unten noch ein alter Mann, der Hausmeister genannt, der nur auf- und zumacht, den Fremden und Bedienten die Treppe zeigt etc.
Die Grossen in Wien sind so stolz, daß sie auf die untere Klasse der Menschen kaum herabsehen. Eine Edel- dame behauptete ganz ernstlich gegen mich, man sollte keinen gemeinen Menschen lesen und schreiben lernen, er würde gleich insolent. Vielleicht weil viele Adeliche im Lernen nicht so weit gekommen sind! -- Ich hielt ihr end- lich unser ganzes Land entgegen. Eine andre adeliche Frau gab einer Bedienten Frau, die mit schwangern Lei- be um Allmosen bat, und die Zahl ihrer Kinder vorschütz- te, laut zur Antwort: "Warum laßt ihr euch so viele "Kinder machen"? Und wenige Tage vorher hatte sie mir geklagt, daß sie viele Kinder schnell hinter einander bekommen, und wahrscheinlich noch nicht fertig sei! Ich hörte selber Adeliche vom adelichen Vieh in Wien sprechen, und der Ausdruck scheint bei vielen nicht über- trieben zu seyn.
Bei des Kaisers liebenswürdiger Menschenfreund- lichkeit, besonders wenn er bei einigen Damen ganz als
Privat-
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ber ꝛc. Aus Ungarn und Oeſterreich koͤmmt der meiſte. Die Klafter Holz koſtet 8. Gulden. Hr. von Stock- maier’s Kuͤche frißt alle Woche 1. Klafter Holz; im Winter hat man oft 14 — 15. Oefen bis nach Mitternacht zu feuern, daher die Holzzufuhren gar nicht auf hoͤren ꝛc. Kaffee und Zucker koͤmmt in manchem Hauſe uͤber 500. Gulden jaͤhrlich zu ſtehen. Faſt jedem Sohne wird von fruͤher Jugend an ein eigener Hofmeiſter gehalten. Vier, fuͤnf Bedienten ſtehen auf mancher Kutſche hin- ten auf. Auſſer dem Hausknecht und den Kutſchern iſt in manchen Haͤuſern unten noch ein alter Mann, der Hausmeiſter genannt, der nur auf- und zumacht, den Fremden und Bedienten die Treppe zeigt ꝛc.
Die Groſſen in Wien ſind ſo ſtolz, daß ſie auf die untere Klaſſe der Menſchen kaum herabſehen. Eine Edel- dame behauptete ganz ernſtlich gegen mich, man ſollte keinen gemeinen Menſchen leſen und ſchreiben lernen, er wuͤrde gleich inſolent. Vielleicht weil viele Adeliche im Lernen nicht ſo weit gekommen ſind! — Ich hielt ihr end- lich unſer ganzes Land entgegen. Eine andre adeliche Frau gab einer Bedienten Frau, die mit ſchwangern Lei- be um Allmoſen bat, und die Zahl ihrer Kinder vorſchuͤtz- te, laut zur Antwort: „Warum laßt ihr euch ſo viele „Kinder machen“? Und wenige Tage vorher hatte ſie mir geklagt, daß ſie viele Kinder ſchnell hinter einander bekommen, und wahrſcheinlich noch nicht fertig ſei! Ich hoͤrte ſelber Adeliche vom adelichen Vieh in Wien ſprechen, und der Ausdruck ſcheint bei vielen nicht uͤber- trieben zu ſeyn.
Bei des Kaiſers liebenswuͤrdiger Menſchenfreund- lichkeit, beſonders wenn er bei einigen Damen ganz als
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ber ꝛc. Aus Ungarn und Oeſterreich koͤmmt der meiſte.
Die Klafter Holz koſtet 8. Gulden. Hr. von Stock-
maier’s Kuͤche frißt alle Woche 1. Klafter Holz; im
Winter hat man oft 14 — 15. Oefen bis nach Mitternacht
zu feuern, daher die Holzzufuhren gar nicht auf hoͤren ꝛc.
Kaffee und Zucker koͤmmt in manchem Hauſe uͤber 500.
Gulden jaͤhrlich zu ſtehen. Faſt jedem Sohne wird von
fruͤher Jugend an ein eigener Hofmeiſter gehalten.
Vier, fuͤnf Bedienten ſtehen auf mancher Kutſche hin-
ten auf. Auſſer dem Hausknecht und den Kutſchern iſt
in manchen Haͤuſern unten noch ein alter Mann, der
Hausmeiſter genannt, der nur auf- und zumacht, den
Fremden und Bedienten die Treppe zeigt ꝛc.
Die Groſſen in Wien ſind ſo ſtolz, daß ſie auf die
untere Klaſſe der Menſchen kaum herabſehen. Eine Edel-
dame behauptete ganz ernſtlich gegen mich, man ſollte
keinen gemeinen Menſchen leſen und ſchreiben lernen, er
wuͤrde gleich inſolent. Vielleicht weil viele Adeliche im
Lernen nicht ſo weit gekommen ſind! — Ich hielt ihr end-
lich unſer ganzes Land entgegen. Eine andre adeliche
Frau gab einer Bedienten Frau, die mit ſchwangern Lei-
be um Allmoſen bat, und die Zahl ihrer Kinder vorſchuͤtz-
te, laut zur Antwort: „Warum laßt ihr euch ſo viele
„Kinder machen“? Und wenige Tage vorher hatte ſie
mir geklagt, daß ſie viele Kinder ſchnell hinter einander
bekommen, und wahrſcheinlich noch nicht fertig ſei! Ich
hoͤrte ſelber Adeliche vom adelichen Vieh in Wien
ſprechen, und der Ausdruck ſcheint bei vielen nicht uͤber-
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Bei des Kaiſers liebenswuͤrdiger Menſchenfreund-
lichkeit, beſonders wenn er bei einigen Damen ganz als
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/557>, abgerufen am 25.11.2024.
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