Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.thüre, sind gar keine Seltenheit. Ich sprach mit Ei- In den Wirthshäusern ist Kaiserl. Taxordnung auch *) Ehemals hatten die Tyroler mehr Freiheiten. Unter
Kaiser Karl VI. aber fing ein Minister Sinzendorf an, die Mauth und andre Auflagen einzuführen. Ein Bürgermeister Gunner wehrte sich männlich wi- der den Hof, er ward nach Wien berufen, der Mi- nister begegnete ihm sehr spröde, und sagte endlich: "Man wird euch eben Böhmische Hosen anziehen müssen." Geschwind antwortete der Tyroler: "Nein, "Ihro Excellenz, in dem Fall stünden uns die Schwei- "zerhosen besser an." Aber einer seiner eignen Ver- wandten oder Söhne half nachher das Land seiner Freiheiten berauben, er durfte sich aber nicht öffent- lich sehen lassen, er wäre todtgeschlagen worden. thuͤre, ſind gar keine Seltenheit. Ich ſprach mit Ei- In den Wirthshaͤuſern iſt Kaiſerl. Taxordnung auch *) Ehemals hatten die Tyroler mehr Freiheiten. Unter
Kaiſer Karl VI. aber fing ein Miniſter Sinzendorf an, die Mauth und andre Auflagen einzufuͤhren. Ein Buͤrgermeiſter Gunner wehrte ſich maͤnnlich wi- der den Hof, er ward nach Wien berufen, der Mi- niſter begegnete ihm ſehr ſproͤde, und ſagte endlich: „Man wird euch eben Boͤhmiſche Hoſen anziehen muͤſſen.“ Geſchwind antwortete der Tyroler: „Nein, „Ihro Excellenz, in dem Fall ſtuͤnden uns die Schwei- „zerhoſen beſſer an.“ Aber einer ſeiner eignen Ver- wandten oder Soͤhne half nachher das Land ſeiner Freiheiten berauben, er durfte ſich aber nicht oͤffent- lich ſehen laſſen, er waͤre todtgeſchlagen worden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0474" n="436"/> thuͤre, ſind gar keine Seltenheit. Ich ſprach mit Ei-<lb/> nem, der ſich fuͤr einen Rieſen ſehen laſſen konnte, aber<lb/> ſchoͤne Proportion hatte, und ſolche Waden und Fuͤſſe,<lb/> daß er ſich, wie er verſicherte, ſeine Struͤmpfe immer be-<lb/> ſtellen muͤßte. — Die Fuhrleute, die jetzt ſo viel Bran-<lb/> dewein trinken, gehoͤren nicht hieher. — Dabei ſind ſie<lb/><hi rendition="#fr">hoͤflich</hi> und viel <hi rendition="#fr">geſitteter</hi> als <hi rendition="#fr">Schwaben</hi>bauern. Sie<lb/> ziehen vor jedem Fremden den Hut ab. Ich ſah Kin-<lb/> der, die nach dem Tiſchgebet dem Vater die Hand kuͤß-<lb/> ten. Sie tragen <hi rendition="#fr">gruͤne Huͤte,</hi> die im Lande gemacht<lb/> werden von gruͤnem Filz und mit gruͤnſeidenen Baͤndern<lb/> uͤber und uͤber beſetzt, alle ohne Krempe. Dabei tragen<lb/> ſie Guͤrtel, wo das Leder mit Silber beſchlagen iſt. Sonn-<lb/> tags laufen ſie weit her nach einer Meſſe, und ſaufen zwi-<lb/> ſchen der Meſſe und dem Hochamt ꝛc. <note place="foot" n="*)">Ehemals hatten die <hi rendition="#fr">Tyroler</hi> mehr Freiheiten. Unter<lb/> Kaiſer <hi rendition="#fr">Karl</hi> <hi rendition="#aq">VI.</hi> aber fing ein Miniſter <hi rendition="#fr">Sinzendorf</hi><lb/> an, die Mauth und andre Auflagen einzufuͤhren.<lb/> Ein Buͤrgermeiſter <hi rendition="#fr">Gunner</hi> wehrte ſich maͤnnlich wi-<lb/> der den Hof, er ward nach <hi rendition="#fr">Wien</hi> berufen, der Mi-<lb/> niſter begegnete ihm ſehr ſproͤde, und ſagte endlich:<lb/> „Man wird euch eben Boͤhmiſche Hoſen anziehen<lb/> muͤſſen.“ Geſchwind antwortete der <hi rendition="#fr">Tyroler:</hi> „Nein,<lb/> „Ihro Excellenz, in dem Fall ſtuͤnden uns die Schwei-<lb/> „zerhoſen beſſer an.“ Aber einer ſeiner eignen Ver-<lb/> wandten oder Soͤhne half nachher das Land ſeiner<lb/> Freiheiten berauben, er durfte ſich aber nicht oͤffent-<lb/> lich ſehen laſſen, er waͤre todtgeſchlagen worden.</note> In jedem<lb/> Thal von <hi rendition="#fr">Tyrol</hi> iſt andre Kleidung, Sprache, Sitte ꝛc.</p><lb/> <p>In den Wirthshaͤuſern iſt Kaiſerl. <hi rendition="#fr">Taxordnung</hi><lb/> von Eßwaaren, Heu ꝛc. angeſchlagen. Heute trank ich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [436/0474]
thuͤre, ſind gar keine Seltenheit. Ich ſprach mit Ei-
nem, der ſich fuͤr einen Rieſen ſehen laſſen konnte, aber
ſchoͤne Proportion hatte, und ſolche Waden und Fuͤſſe,
daß er ſich, wie er verſicherte, ſeine Struͤmpfe immer be-
ſtellen muͤßte. — Die Fuhrleute, die jetzt ſo viel Bran-
dewein trinken, gehoͤren nicht hieher. — Dabei ſind ſie
hoͤflich und viel geſitteter als Schwabenbauern. Sie
ziehen vor jedem Fremden den Hut ab. Ich ſah Kin-
der, die nach dem Tiſchgebet dem Vater die Hand kuͤß-
ten. Sie tragen gruͤne Huͤte, die im Lande gemacht
werden von gruͤnem Filz und mit gruͤnſeidenen Baͤndern
uͤber und uͤber beſetzt, alle ohne Krempe. Dabei tragen
ſie Guͤrtel, wo das Leder mit Silber beſchlagen iſt. Sonn-
tags laufen ſie weit her nach einer Meſſe, und ſaufen zwi-
ſchen der Meſſe und dem Hochamt ꝛc. *) In jedem
Thal von Tyrol iſt andre Kleidung, Sprache, Sitte ꝛc.
In den Wirthshaͤuſern iſt Kaiſerl. Taxordnung
von Eßwaaren, Heu ꝛc. angeſchlagen. Heute trank ich
auch
*) Ehemals hatten die Tyroler mehr Freiheiten. Unter
Kaiſer Karl VI. aber fing ein Miniſter Sinzendorf
an, die Mauth und andre Auflagen einzufuͤhren.
Ein Buͤrgermeiſter Gunner wehrte ſich maͤnnlich wi-
der den Hof, er ward nach Wien berufen, der Mi-
niſter begegnete ihm ſehr ſproͤde, und ſagte endlich:
„Man wird euch eben Boͤhmiſche Hoſen anziehen
muͤſſen.“ Geſchwind antwortete der Tyroler: „Nein,
„Ihro Excellenz, in dem Fall ſtuͤnden uns die Schwei-
„zerhoſen beſſer an.“ Aber einer ſeiner eignen Ver-
wandten oder Soͤhne half nachher das Land ſeiner
Freiheiten berauben, er durfte ſich aber nicht oͤffent-
lich ſehen laſſen, er waͤre todtgeſchlagen worden.
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