Boden schon lange ausgewaschen hat. Rechter Hand steigt ein Berg in die Höhe, den auch ein Hase nicht leicht besteigen würde. Linker Hand fällt der Berg plötz- lich hinab, und bietet dem Auge eine grauenvolle Aus- sicht in eine schwarze, schauderhafte Tiefe an. Das sind auch die gefährlichen Stellen, wo schon mancher ehrlicher Bauer beim Holzfahren oft von seinem eigenen, oft von einem andern Wagen todtgequetscht, und wie ein weicher Kuchen an die Felsen hingedrückt worden ist. Wie ge- schwind ist auf solchen äusserst beschwerlichen Wegen beim Schleifen langer und schwerer Bäume ein Unglück geschehen, wenn plötzlich der Wagen in Schuß kömmt, oder wenn der Baum sich hinten unvermuthet wendet, oder wenn ein Stück Vieh nur einen Fehltritt thut, oder scheu wird, oder von den stechenden Insekten zur Unge- duld gereizt, am Geschirre so lange reißt und zerrt, bis etwas gebrochen ist, oder alles zu Grunde geht, ehe der Bauer helfen kan! Als sich die Nebel, die das Land ganz bedeckten, daß man kaum den Weg sah, in die Höhe gezogen hatten, sah ich öfters kostbares, krystall- helles Wasser aus den Felsen sprudeln, und an den senk- rechten Klippen herabfallen. In der Ferne stieg der Dampf von manchem Kohlenhausen auf, und erinnerte uns daran, daß doch auch noch Menschen in dieser Ge- gend wären. Die Bauern verkohlen hier viel Holz. Es ist ihnen aber nicht erlaubt, die Kohlen irgend anderswo hin zu führen, als allein nach dem Bergwerk in Hausen, wo sie ihnen immer abgenommen und billig bezahlt wer- den. Man gönnt ihnen ihr Verdienst, aber man sorgt auch mit landesväterlicher Weisheit für die Nachkommen, und schont das Kapital, das in den Waldungen steckt, und wenn es einmahl angegriffen oder gar verzehrt ist,
erst
Zweiter Theil. B b
Boden ſchon lange ausgewaſchen hat. Rechter Hand ſteigt ein Berg in die Hoͤhe, den auch ein Haſe nicht leicht beſteigen wuͤrde. Linker Hand faͤllt der Berg ploͤtz- lich hinab, und bietet dem Auge eine grauenvolle Aus- ſicht in eine ſchwarze, ſchauderhafte Tiefe an. Das ſind auch die gefaͤhrlichen Stellen, wo ſchon mancher ehrlicher Bauer beim Holzfahren oft von ſeinem eigenen, oft von einem andern Wagen todtgequetſcht, und wie ein weicher Kuchen an die Felſen hingedruͤckt worden iſt. Wie ge- ſchwind iſt auf ſolchen aͤuſſerſt beſchwerlichen Wegen beim Schleifen langer und ſchwerer Baͤume ein Ungluͤck geſchehen, wenn ploͤtzlich der Wagen in Schuß koͤmmt, oder wenn der Baum ſich hinten unvermuthet wendet, oder wenn ein Stuͤck Vieh nur einen Fehltritt thut, oder ſcheu wird, oder von den ſtechenden Inſekten zur Unge- duld gereizt, am Geſchirre ſo lange reißt und zerrt, bis etwas gebrochen iſt, oder alles zu Grunde geht, ehe der Bauer helfen kan! Als ſich die Nebel, die das Land ganz bedeckten, daß man kaum den Weg ſah, in die Hoͤhe gezogen hatten, ſah ich oͤfters koſtbares, kryſtall- helles Waſſer aus den Felſen ſprudeln, und an den ſenk- rechten Klippen herabfallen. In der Ferne ſtieg der Dampf von manchem Kohlenhauſen auf, und erinnerte uns daran, daß doch auch noch Menſchen in dieſer Ge- gend waͤren. Die Bauern verkohlen hier viel Holz. Es iſt ihnen aber nicht erlaubt, die Kohlen irgend anderswo hin zu fuͤhren, als allein nach dem Bergwerk in Hauſen, wo ſie ihnen immer abgenommen und billig bezahlt wer- den. Man goͤnnt ihnen ihr Verdienſt, aber man ſorgt auch mit landesvaͤterlicher Weisheit fuͤr die Nachkommen, und ſchont das Kapital, das in den Waldungen ſteckt, und wenn es einmahl angegriffen oder gar verzehrt iſt,
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Zweiter Theil. B b
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Boden ſchon lange ausgewaſchen hat. Rechter Hand
ſteigt ein Berg in die Hoͤhe, den auch ein Haſe nicht
leicht beſteigen wuͤrde. Linker Hand faͤllt der Berg ploͤtz-
lich hinab, und bietet dem Auge eine grauenvolle Aus-
ſicht in eine ſchwarze, ſchauderhafte Tiefe an. Das ſind
auch die gefaͤhrlichen Stellen, wo ſchon mancher ehrlicher
Bauer beim Holzfahren oft von ſeinem eigenen, oft von
einem andern Wagen todtgequetſcht, und wie ein weicher
Kuchen an die Felſen hingedruͤckt worden iſt. Wie ge-
ſchwind iſt auf ſolchen aͤuſſerſt beſchwerlichen Wegen
beim Schleifen langer und ſchwerer Baͤume ein Ungluͤck
geſchehen, wenn ploͤtzlich der Wagen in Schuß koͤmmt,
oder wenn der Baum ſich hinten unvermuthet wendet,
oder wenn ein Stuͤck Vieh nur einen Fehltritt thut, oder
ſcheu wird, oder von den ſtechenden Inſekten zur Unge-
duld gereizt, am Geſchirre ſo lange reißt und zerrt, bis
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Bauer helfen kan! Als ſich die Nebel, die das Land
ganz bedeckten, daß man kaum den Weg ſah, in die
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helles Waſſer aus den Felſen ſprudeln, und an den ſenk-
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Dampf von manchem Kohlenhauſen auf, und erinnerte
uns daran, daß doch auch noch Menſchen in dieſer Ge-
gend waͤren. Die Bauern verkohlen hier viel Holz. Es
iſt ihnen aber nicht erlaubt, die Kohlen irgend anderswo
hin zu fuͤhren, als allein nach dem Bergwerk in Hauſen,
wo ſie ihnen immer abgenommen und billig bezahlt wer-
den. Man goͤnnt ihnen ihr Verdienſt, aber man ſorgt
auch mit landesvaͤterlicher Weisheit fuͤr die Nachkommen,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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