thal, wo stille Hütten so schön und ruhig da standen. Voll Bewunderung dieser Naturßene stieg ich vom Pfer- de, sah lange im Glanz der Mittagssonne nach allen Ge- genden des Thals hin, lies das Pferd führen, und ging den Berg zu Fusse hinab, mit dem innigen Wunsch, daß, wenn ich auch mein Leben in Städten beschliessen sollte, es mir doch so gut kommen möchte, von Zeit zu Zeit auf das Land zu kommen, und die schöne Natur zu geniessen.
Im Prechtthal hielt ich mich einige Zeit auf, be- suchte einen von den größten Hofbauern, und nahm ihn über seine Landwirthschaft zum Protokoll. Der Mann wußte gar nicht, was er dabei denken sollte; er meinte, die vornehmen Leute und Herren bekümmerten sich nicht um das. Ich will Ihnen aber doch einiges aus diesen Papieren erzählen. Im Winter ist im Prechtthal nicht länger, als von halb acht Uhr des Morgens bis vier Uhr Nachmittags Tag. An einigen Orten stossen die Berge von beiden Seiten fast zusammen, so daß beinahe kein Thal dazwischen ist. Die Winterseite ist merklich kälter, als die Sommerseite. Jene wird oft im Winter kaum zwo Stunden von der Sonne beschienen. Die Leute bauen wegen der heftigen Winde lauter hölzerne niedrige Häu- ser mit strohernen und sehr weit herabhängenden Dächern. Wenn hier ein Bauer nicht 30 -- 33. Stück Vieh halten kan, so heißt er kein grosser Bauer. Wer 18, 22, 24. Stücke hat, der ist ein mittlerer Bauer; die klei- nen haben nur 12, 15, 18, und nach diesem Viehstand wird ihnen auch die Schatzung, oder die Abgabe an die Herrschaft bestimmt. Sie lassen die Höfe nicht theilen, sondern der Erstgebohrne bekömmt ihn, der heißt der
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thal, wo ſtille Huͤtten ſo ſchoͤn und ruhig da ſtanden. Voll Bewunderung dieſer Naturſzene ſtieg ich vom Pfer- de, ſah lange im Glanz der Mittagsſonne nach allen Ge- genden des Thals hin, lies das Pferd fuͤhren, und ging den Berg zu Fuſſe hinab, mit dem innigen Wunſch, daß, wenn ich auch mein Leben in Staͤdten beſchlieſſen ſollte, es mir doch ſo gut kommen moͤchte, von Zeit zu Zeit auf das Land zu kommen, und die ſchoͤne Natur zu genieſſen.
Im Prechtthal hielt ich mich einige Zeit auf, be- ſuchte einen von den groͤßten Hofbauern, und nahm ihn uͤber ſeine Landwirthſchaft zum Protokoll. Der Mann wußte gar nicht, was er dabei denken ſollte; er meinte, die vornehmen Leute und Herren bekuͤmmerten ſich nicht um das. Ich will Ihnen aber doch einiges aus dieſen Papieren erzaͤhlen. Im Winter iſt im Prechtthal nicht laͤnger, als von halb acht Uhr des Morgens bis vier Uhr Nachmittags Tag. An einigen Orten ſtoſſen die Berge von beiden Seiten faſt zuſammen, ſo daß beinahe kein Thal dazwiſchen iſt. Die Winterſeite iſt merklich kaͤlter, als die Sommerſeite. Jene wird oft im Winter kaum zwo Stunden von der Sonne beſchienen. Die Leute bauen wegen der heftigen Winde lauter hoͤlzerne niedrige Haͤu- ſer mit ſtrohernen und ſehr weit herabhaͤngenden Daͤchern. Wenn hier ein Bauer nicht 30 — 33. Stuͤck Vieh halten kan, ſo heißt er kein groſſer Bauer. Wer 18, 22, 24. Stuͤcke hat, der iſt ein mittlerer Bauer; die klei- nen haben nur 12, 15, 18, und nach dieſem Viehſtand wird ihnen auch die Schatzung, oder die Abgabe an die Herrſchaft beſtimmt. Sie laſſen die Hoͤfe nicht theilen, ſondern der Erſtgebohrne bekoͤmmt ihn, der heißt der
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thal, wo ſtille Huͤtten ſo ſchoͤn und ruhig da ſtanden.
Voll Bewunderung dieſer Naturſzene ſtieg ich vom Pfer-
de, ſah lange im Glanz der Mittagsſonne nach allen Ge-
genden des Thals hin, lies das Pferd fuͤhren, und ging
den Berg zu Fuſſe hinab, mit dem innigen Wunſch,
daß, wenn ich auch mein Leben in Staͤdten beſchlieſſen
ſollte, es mir doch ſo gut kommen moͤchte, von Zeit zu
Zeit auf das Land zu kommen, und die ſchoͤne Natur zu
genieſſen.
Im Prechtthal hielt ich mich einige Zeit auf, be-
ſuchte einen von den groͤßten Hofbauern, und nahm ihn
uͤber ſeine Landwirthſchaft zum Protokoll. Der Mann
wußte gar nicht, was er dabei denken ſollte; er meinte,
die vornehmen Leute und Herren bekuͤmmerten ſich nicht
um das. Ich will Ihnen aber doch einiges aus dieſen
Papieren erzaͤhlen. Im Winter iſt im Prechtthal nicht
laͤnger, als von halb acht Uhr des Morgens bis vier Uhr
Nachmittags Tag. An einigen Orten ſtoſſen die Berge
von beiden Seiten faſt zuſammen, ſo daß beinahe kein
Thal dazwiſchen iſt. Die Winterſeite iſt merklich kaͤlter,
als die Sommerſeite. Jene wird oft im Winter kaum
zwo Stunden von der Sonne beſchienen. Die Leute bauen
wegen der heftigen Winde lauter hoͤlzerne niedrige Haͤu-
ſer mit ſtrohernen und ſehr weit herabhaͤngenden Daͤchern.
Wenn hier ein Bauer nicht 30 — 33. Stuͤck Vieh halten
kan, ſo heißt er kein groſſer Bauer. Wer 18, 22,
24. Stuͤcke hat, der iſt ein mittlerer Bauer; die klei-
nen haben nur 12, 15, 18, und nach dieſem Viehſtand
wird ihnen auch die Schatzung, oder die Abgabe an die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/395>, abgerufen am 22.11.2024.
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