land ist. Er lebt im Schoosse seiner Familie, die zwar zum Theil schon in der Welt zerstreut ist, und im Hause eines eben so schätzungswerthen und einsichtsvollen Man- nes, des Hrn. Baron und Domherrn von Hohenfeldt. Sie können nicht glauben, mit welcher edeln, zärtlichen und süssen Freundschaft diese drei gleich ehrwürdige Per- sonen mit einander in philosophischer Ruhe leben. In langer Zeit habe ich nicht drei Menschen von so herrlichem Karakter beisammen gefunden. Die feinen Empfindun- gen der Frau von la Roche sind aus ihren Schriften bekannt. Aber so gros auch das Bild war, das ich mir von dieser Dame phantasirte, als ich nur die Sternheim gelesen hatte, so übertraf sie doch weit meine Erwartung. Meine Mutter und diese vortrefliche Dame waren in ih- rer ersten Jugend Gespielinnen gewesen, aber seit vielen Jahren waren sie durch die Schicksale ihrer Eltern, und durch ihre eigene Verbindungen ganz von einander getrennt worden. Dieser kleine Umstand war ein grosses Glück für mich. Er diente mir zur Empfehlung bei einer Da- me, die mehr wahre und brauchbare Einsichten, und doch weniger Schein davon hat, als alle gelehrte Frauenzim- mer, die ich gesehen habe, und als ein ganzes Tausend von meinem Geschlecht. Wie eine Minute gehen viele Stunden in ihrem Umgange hin. So ganz ohne Prä- tension, ohne die geringste Begierde zu schimmern, zu glänzen, und was noch mehr ist, ohne mit der unglaub- lichen Seuche unsers Zeitalters, mit der Empfindsam- keit, wie die meisten Frauenzimmer, behaftet zu seyn! Ihr heller männlicher Verstand, ihr lebhafter Witz, ihre Gabe der Unterhaltung, ihr Gefühl für Freundschaft und Liebe, ihr thätiger Geist, ihr grosses und viel fassendes Herz, das in jeder Mine ausgedruckt ist, ihre einnehmen-
de
land iſt. Er lebt im Schooſſe ſeiner Familie, die zwar zum Theil ſchon in der Welt zerſtreut iſt, und im Hauſe eines eben ſo ſchaͤtzungswerthen und einſichtsvollen Man- nes, des Hrn. Baron und Domherrn von Hohenfeldt. Sie koͤnnen nicht glauben, mit welcher edeln, zaͤrtlichen und ſuͤſſen Freundſchaft dieſe drei gleich ehrwuͤrdige Per- ſonen mit einander in philoſophiſcher Ruhe leben. In langer Zeit habe ich nicht drei Menſchen von ſo herrlichem Karakter beiſammen gefunden. Die feinen Empfindun- gen der Frau von la Roche ſind aus ihren Schriften bekannt. Aber ſo gros auch das Bild war, das ich mir von dieſer Dame phantaſirte, als ich nur die Sternheim geleſen hatte, ſo uͤbertraf ſie doch weit meine Erwartung. Meine Mutter und dieſe vortrefliche Dame waren in ih- rer erſten Jugend Geſpielinnen geweſen, aber ſeit vielen Jahren waren ſie durch die Schickſale ihrer Eltern, und durch ihre eigene Verbindungen ganz von einander getrennt worden. Dieſer kleine Umſtand war ein groſſes Gluͤck fuͤr mich. Er diente mir zur Empfehlung bei einer Da- me, die mehr wahre und brauchbare Einſichten, und doch weniger Schein davon hat, als alle gelehrte Frauenzim- mer, die ich geſehen habe, und als ein ganzes Tauſend von meinem Geſchlecht. Wie eine Minute gehen viele Stunden in ihrem Umgange hin. So ganz ohne Praͤ- tenſion, ohne die geringſte Begierde zu ſchimmern, zu glaͤnzen, und was noch mehr iſt, ohne mit der unglaub- lichen Seuche unſers Zeitalters, mit der Empfindſam- keit, wie die meiſten Frauenzimmer, behaftet zu ſeyn! Ihr heller maͤnnlicher Verſtand, ihr lebhafter Witz, ihre Gabe der Unterhaltung, ihr Gefuͤhl fuͤr Freundſchaft und Liebe, ihr thaͤtiger Geiſt, ihr groſſes und viel faſſendes Herz, das in jeder Mine ausgedruckt iſt, ihre einnehmen-
de
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0352"n="314"/><hirendition="#fr">land</hi> iſt. Er lebt im Schooſſe ſeiner Familie, die zwar<lb/>
zum Theil ſchon in der Welt zerſtreut iſt, und im Hauſe<lb/>
eines eben ſo ſchaͤtzungswerthen und einſichtsvollen Man-<lb/>
nes, des Hrn. Baron und Domherrn <hirendition="#fr">von Hohenfeldt.</hi><lb/>
Sie koͤnnen nicht glauben, mit welcher edeln, zaͤrtlichen<lb/>
und ſuͤſſen Freundſchaft dieſe drei gleich ehrwuͤrdige Per-<lb/>ſonen mit einander in philoſophiſcher Ruhe leben. In<lb/>
langer Zeit habe ich nicht drei Menſchen von ſo herrlichem<lb/>
Karakter beiſammen gefunden. Die feinen Empfindun-<lb/>
gen der Frau <hirendition="#fr">von la Roche</hi>ſind aus ihren Schriften<lb/>
bekannt. Aber ſo gros auch das Bild war, das ich mir<lb/>
von dieſer Dame phantaſirte, als ich nur die <hirendition="#fr">Sternheim</hi><lb/>
geleſen hatte, ſo uͤbertraf ſie doch weit meine Erwartung.<lb/>
Meine Mutter und dieſe vortrefliche Dame waren in ih-<lb/>
rer erſten Jugend Geſpielinnen geweſen, aber ſeit vielen<lb/>
Jahren waren ſie durch die Schickſale ihrer Eltern, und<lb/>
durch ihre eigene Verbindungen ganz von einander getrennt<lb/>
worden. Dieſer kleine Umſtand war ein groſſes Gluͤck<lb/>
fuͤr mich. Er diente mir zur Empfehlung bei einer Da-<lb/>
me, die mehr wahre und brauchbare Einſichten, und doch<lb/>
weniger Schein davon hat, als alle gelehrte Frauenzim-<lb/>
mer, die ich geſehen habe, und als ein ganzes Tauſend<lb/>
von meinem Geſchlecht. Wie eine Minute gehen viele<lb/>
Stunden in ihrem Umgange hin. So ganz ohne Praͤ-<lb/>
tenſion, ohne die geringſte Begierde zu ſchimmern, zu<lb/>
glaͤnzen, und was noch mehr iſt, ohne mit der unglaub-<lb/>
lichen Seuche unſers Zeitalters, mit der Empfindſam-<lb/>
keit, wie die meiſten Frauenzimmer, behaftet zu ſeyn!<lb/>
Ihr heller maͤnnlicher Verſtand, ihr lebhafter Witz, ihre<lb/>
Gabe der Unterhaltung, ihr Gefuͤhl fuͤr Freundſchaft und<lb/>
Liebe, ihr thaͤtiger Geiſt, ihr groſſes und viel faſſendes<lb/>
Herz, das in jeder Mine ausgedruckt iſt, ihre einnehmen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">de</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[314/0352]
land iſt. Er lebt im Schooſſe ſeiner Familie, die zwar
zum Theil ſchon in der Welt zerſtreut iſt, und im Hauſe
eines eben ſo ſchaͤtzungswerthen und einſichtsvollen Man-
nes, des Hrn. Baron und Domherrn von Hohenfeldt.
Sie koͤnnen nicht glauben, mit welcher edeln, zaͤrtlichen
und ſuͤſſen Freundſchaft dieſe drei gleich ehrwuͤrdige Per-
ſonen mit einander in philoſophiſcher Ruhe leben. In
langer Zeit habe ich nicht drei Menſchen von ſo herrlichem
Karakter beiſammen gefunden. Die feinen Empfindun-
gen der Frau von la Roche ſind aus ihren Schriften
bekannt. Aber ſo gros auch das Bild war, das ich mir
von dieſer Dame phantaſirte, als ich nur die Sternheim
geleſen hatte, ſo uͤbertraf ſie doch weit meine Erwartung.
Meine Mutter und dieſe vortrefliche Dame waren in ih-
rer erſten Jugend Geſpielinnen geweſen, aber ſeit vielen
Jahren waren ſie durch die Schickſale ihrer Eltern, und
durch ihre eigene Verbindungen ganz von einander getrennt
worden. Dieſer kleine Umſtand war ein groſſes Gluͤck
fuͤr mich. Er diente mir zur Empfehlung bei einer Da-
me, die mehr wahre und brauchbare Einſichten, und doch
weniger Schein davon hat, als alle gelehrte Frauenzim-
mer, die ich geſehen habe, und als ein ganzes Tauſend
von meinem Geſchlecht. Wie eine Minute gehen viele
Stunden in ihrem Umgange hin. So ganz ohne Praͤ-
tenſion, ohne die geringſte Begierde zu ſchimmern, zu
glaͤnzen, und was noch mehr iſt, ohne mit der unglaub-
lichen Seuche unſers Zeitalters, mit der Empfindſam-
keit, wie die meiſten Frauenzimmer, behaftet zu ſeyn!
Ihr heller maͤnnlicher Verſtand, ihr lebhafter Witz, ihre
Gabe der Unterhaltung, ihr Gefuͤhl fuͤr Freundſchaft und
Liebe, ihr thaͤtiger Geiſt, ihr groſſes und viel faſſendes
Herz, das in jeder Mine ausgedruckt iſt, ihre einnehmen-
de
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/352>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.