Aber Sie verlangen ohne Zweifel schon lange, daß ich Ihnen das erzähle, was ich für die Naturgeschichte, für die Oekonomie, für Künste und Handwerker, für die Litteratur, für die Menschenkenntnis wichtiges in Co- stanz gefunden habe. Und das will ich Ihnen nun auch sagen.
Für die Naturgeschichte ist in der Stadt nichts, als Herrn Stadtamtmann Freners Sammlung. Der jetzige Besitzer will sie verkaufen. Sein Vater, der mehr Dilettant als Kenner war, sammelte Naturalien, Gemälde, Münzen, Porzellain etc. alles, was er bekom- men konnte; manches Stück ist unendlich vielmahl da; vollständig ist kein Fach, aber schöne Stücke kommen in jeder Sammlung vor. z. B.
1) Ein ganz rothes Stück von einer grossen Steck- muschel.(Pinna L.)
2) Ein sehr wohl erhaltener Echinus mammil- laris L.
3) Eine Spielart von Bulla ampulla, braun und weisgeript.
4) Ein Körper unter dem Namen Meermelone, den ich für eine Haarkugel halte.
5) Eine Elendsklaue, blaulichtschwarz.
6) Ein sogenannter Durchschlechtenstein, den ihm Geßner in Zürich geschickt hat. Durchschlech- ten ist ein Provinzialname für Kinderblattern. Der Stein ist so gefleckt, wie das Gesicht der Kinder in jener Krankheit.
7) Weisse Korallen. -- Eins der schönsten Stü- cke, die ich je von dieser Art der Meerkörper gesehen ha- be. Es ist zwei Spannen lang, und hat viele in einan-
der
Aber Sie verlangen ohne Zweifel ſchon lange, daß ich Ihnen das erzaͤhle, was ich fuͤr die Naturgeſchichte, fuͤr die Oekonomie, fuͤr Kuͤnſte und Handwerker, fuͤr die Litteratur, fuͤr die Menſchenkenntnis wichtiges in Co- ſtanz gefunden habe. Und das will ich Ihnen nun auch ſagen.
Fuͤr die Naturgeſchichte iſt in der Stadt nichts, als Herrn Stadtamtmann Freners Sammlung. Der jetzige Beſitzer will ſie verkaufen. Sein Vater, der mehr Dilettant als Kenner war, ſammelte Naturalien, Gemaͤlde, Muͤnzen, Porzellain ꝛc. alles, was er bekom- men konnte; manches Stuͤck iſt unendlich vielmahl da; vollſtaͤndig iſt kein Fach, aber ſchoͤne Stuͤcke kommen in jeder Sammlung vor. z. B.
1) Ein ganz rothes Stuͤck von einer groſſen Steck- muſchel.(Pinna L.)
2) Ein ſehr wohl erhaltener Echinus mammil- laris L.
3) Eine Spielart von Bulla ampulla, braun und weisgeript.
4) Ein Koͤrper unter dem Namen Meermelone, den ich fuͤr eine Haarkugel halte.
5) Eine Elendsklaue, blaulichtſchwarz.
6) Ein ſogenannter Durchſchlechtenſtein, den ihm Geßner in Zuͤrich geſchickt hat. Durchſchlech- ten iſt ein Provinzialname fuͤr Kinderblattern. Der Stein iſt ſo gefleckt, wie das Geſicht der Kinder in jener Krankheit.
7) Weiſſe Korallen. — Eins der ſchoͤnſten Stuͤ- cke, die ich je von dieſer Art der Meerkoͤrper geſehen ha- be. Es iſt zwei Spannen lang, und hat viele in einan-
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Aber Sie verlangen ohne Zweifel ſchon lange, daß
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fuͤr die Oekonomie, fuͤr Kuͤnſte und Handwerker, fuͤr die
Litteratur, fuͤr die Menſchenkenntnis wichtiges in Co-
ſtanz gefunden habe. Und das will ich Ihnen nun auch
ſagen.
Fuͤr die Naturgeſchichte iſt in der Stadt nichts,
als Herrn Stadtamtmann Freners Sammlung. Der
jetzige Beſitzer will ſie verkaufen. Sein Vater, der
mehr Dilettant als Kenner war, ſammelte Naturalien,
Gemaͤlde, Muͤnzen, Porzellain ꝛc. alles, was er bekom-
men konnte; manches Stuͤck iſt unendlich vielmahl da;
vollſtaͤndig iſt kein Fach, aber ſchoͤne Stuͤcke kommen in
jeder Sammlung vor. z. B.
1) Ein ganz rothes Stuͤck von einer groſſen Steck-
muſchel. (Pinna L.)
2) Ein ſehr wohl erhaltener Echinus mammil-
laris L.
3) Eine Spielart von Bulla ampulla, braun und
weisgeript.
4) Ein Koͤrper unter dem Namen Meermelone,
den ich fuͤr eine Haarkugel halte.
5) Eine Elendsklaue, blaulichtſchwarz.
6) Ein ſogenannter Durchſchlechtenſtein, den
ihm Geßner in Zuͤrich geſchickt hat. Durchſchlech-
ten iſt ein Provinzialname fuͤr Kinderblattern. Der
Stein iſt ſo gefleckt, wie das Geſicht der Kinder in jener
Krankheit.
7) Weiſſe Korallen. — Eins der ſchoͤnſten Stuͤ-
cke, die ich je von dieſer Art der Meerkoͤrper geſehen ha-
be. Es iſt zwei Spannen lang, und hat viele in einan-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/309>, abgerufen am 25.11.2024.
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