sen. Sie nehmen ihre Leute alle in Eid und Pflicht, be- zahlen sie gut, lassen aber keinem das Ganze sehen, las- sen sie nicht einmahl mit einander sprechen. Alles ver- richten sie selber, z. B. die Oefen mauert der Jüngste sel- ber, und verändert oft des Nachts alles. Sie haben an die 3000. Korrespondenten, und halten doch keinen Buchhalter. Es sind ehrliche, fleissige, stille, unermü- dete Leute, ohne Charlatanerie. Der älteste ist hernio- sus und haemorrhoidarius, und lies mich an sein Bette kommen. Auch in diesen Umständen hält er sich den Leib beständig durch Sal mirab. Glaub. offen. Bei- de haben viel suadam, besonders der jüngere.
Hrn. Arnold Schmidt, Hr. Prof. Eschenburg's Schwiegervater. Ein ehrlicher, guter Alter, und mun- ter noch, wie Anakreon, liest noch streng im Gymna- sium oder im Kollegium, wie sie's hier nennen.
Hrn. Abt Jerusalem. Der belebteste, feinste Theo- log, den ich je kennen lernte, und gar kein Freund von Komplimenten. Er sieht weg, wenn man ihn einen grossen Mann nennt, ist billig gegen jedes andern Ver- dienste. Er sagte mir mehr als eimahl, er lese mei- ne Schriften gern. Er ist bereits 70. Jahr alt, und geht doch noch zu Fuß in der Stadt. Aber mit innigster Rührung erblickte ich Falten -- Spuren des Kum- mers -- im Gesichte des verehrungswürdigen Mannes. Er sieht mager und blaß aus. Er ist Wittwer und hat 3. Töchter, die auch nicht mehr jung sind, aber keinen Sohn, als einen Stiefsohn, der Legationsrath in Wei- mar ist. Er ist Abt von Riddagshausen, einem Klo- ster, eine Viertelstunde von hier, wohin er alle Diensta- ge geht, und bei den jungen Stud. Theolog. Visitation
hält.
ſen. Sie nehmen ihre Leute alle in Eid und Pflicht, be- zahlen ſie gut, laſſen aber keinem das Ganze ſehen, laſ- ſen ſie nicht einmahl mit einander ſprechen. Alles ver- richten ſie ſelber, z. B. die Oefen mauert der Juͤngſte ſel- ber, und veraͤndert oft des Nachts alles. Sie haben an die 3000. Korreſpondenten, und halten doch keinen Buchhalter. Es ſind ehrliche, fleiſſige, ſtille, unermuͤ- dete Leute, ohne Charlatanerie. Der aͤlteſte iſt hernio- ſus und haemorrhoidarius, und lies mich an ſein Bette kommen. Auch in dieſen Umſtaͤnden haͤlt er ſich den Leib beſtaͤndig durch Sal mirab. Glaub. offen. Bei- de haben viel ſuadam, beſonders der juͤngere.
Hrn. Arnold Schmidt, Hr. Prof. Eſchenburg’s Schwiegervater. Ein ehrlicher, guter Alter, und mun- ter noch, wie Anakreon, lieſt noch ſtreng im Gymna- ſium oder im Kollegium, wie ſie’s hier nennen.
Hrn. Abt Jeruſalem. Der belebteſte, feinſte Theo- log, den ich je kennen lernte, und gar kein Freund von Komplimenten. Er ſieht weg, wenn man ihn einen groſſen Mann nennt, iſt billig gegen jedes andern Ver- dienſte. Er ſagte mir mehr als eimahl, er leſe mei- ne Schriften gern. Er iſt bereits 70. Jahr alt, und geht doch noch zu Fuß in der Stadt. Aber mit innigſter Ruͤhrung erblickte ich Falten — Spuren des Kum- mers — im Geſichte des verehrungswuͤrdigen Mannes. Er ſieht mager und blaß aus. Er iſt Wittwer und hat 3. Toͤchter, die auch nicht mehr jung ſind, aber keinen Sohn, als einen Stiefſohn, der Legationsrath in Wei- mar iſt. Er iſt Abt von Riddagshauſen, einem Klo- ſter, eine Viertelſtunde von hier, wohin er alle Dienſta- ge geht, und bei den jungen Stud. Theolog. Viſitation
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richten ſie ſelber, z. B. die Oefen mauert der Juͤngſte ſel-
ber, und veraͤndert oft des Nachts alles. Sie haben
an die 3000. Korreſpondenten, und halten doch keinen
Buchhalter. Es ſind ehrliche, fleiſſige, ſtille, unermuͤ-
dete Leute, ohne Charlatanerie. Der aͤlteſte iſt hernio-
ſus und haemorrhoidarius, und lies mich an ſein
Bette kommen. Auch in dieſen Umſtaͤnden haͤlt er ſich
den Leib beſtaͤndig durch Sal mirab. Glaub. offen. Bei-
de haben viel ſuadam, beſonders der juͤngere.
Hrn. Arnold Schmidt, Hr. Prof. Eſchenburg’s
Schwiegervater. Ein ehrlicher, guter Alter, und mun-
ter noch, wie Anakreon, lieſt noch ſtreng im Gymna-
ſium oder im Kollegium, wie ſie’s hier nennen.
Hrn. Abt Jeruſalem. Der belebteſte, feinſte Theo-
log, den ich je kennen lernte, und gar kein Freund von
Komplimenten. Er ſieht weg, wenn man ihn einen
groſſen Mann nennt, iſt billig gegen jedes andern Ver-
dienſte. Er ſagte mir mehr als eimahl, er leſe mei-
ne Schriften gern. Er iſt bereits 70. Jahr alt, und
geht doch noch zu Fuß in der Stadt. Aber mit innigſter
Ruͤhrung erblickte ich Falten — Spuren des Kum-
mers — im Geſichte des verehrungswuͤrdigen Mannes.
Er ſieht mager und blaß aus. Er iſt Wittwer und hat
3. Toͤchter, die auch nicht mehr jung ſind, aber keinen
Sohn, als einen Stiefſohn, der Legationsrath in Wei-
mar iſt. Er iſt Abt von Riddagshauſen, einem Klo-
ſter, eine Viertelſtunde von hier, wohin er alle Dienſta-
ge geht, und bei den jungen Stud. Theolog. Viſitation
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/262>, abgerufen am 22.11.2024.
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