Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

"warte meine Vollendung ab," sagte er zu mir. "Un-
"ser Leben währet 70. Jahr" etc. etc. Ueber die Sitt-
lichkeit der Stadt machte er die Bemerkung, in jedem
Hause sei ein Franzos, dieser beurtheilte den Menschen
nicht nach der Moralität, sondern sage nur: Il est amu-
sant, c'est un homme d'esprit.
Er wünschte mir
die gröste Freude des Menschen, viel Gutes in der Welt
gestiftet zu haben. etc.

Bei Madame Therbusch sah ich einige schöne Ge-
mälde. Sie ist schon in Jahren, aber eine vortrefliche
Künstlerin.

Beim Hrn. Hofrath Gleditsch. Ein grosser Bo-
taniker. Er korrespondirt selber mit dem Könige wegen
Versuchen über Verbesserung des Tobacks. Man solle
ihm die Schärfe zu nehmen suchen, und unter den Land-
kräutern eins ausfündig machen, das man mit dem To-
back verbinden könne. Er sei aber doch nach allen Ver-
suchen eine ganz eigne Mixtio, eine planta sui gene-
ris
etc. Dieser Gelehrte hat so viele Feinde und verdient
Ehrensäulen. Auswärts wird er angebetet und hier we-
nig geschätzt. -- Licet sapere sine invidia, sagt Dr.
Krünitz immer.

Beim Hrn. Prof. Bernoulli auf der Königl. Stern-
warte. Er hört schwer, hat daher immer ein Hörrohr
bei sich. Er, und Hr. Schulze sind die Astronomen
der Königl. Akad. d. W. Hr. Bode ist nur Offiziant
dabei.

Mittags war ich bei des Minister, Freiherr von Zed-
litz
Exc. zur Tafel. Seine Gemalin hatte meine Schrif-
ten gelesen, und verglich meine Physiognomie mit einem
gewissen Chevalier Gossin. Ueber Tafel ward der

Freuden-

„warte meine Vollendung ab,“ ſagte er zu mir. „Un-
„ſer Leben waͤhret 70. Jahr“ ꝛc. ꝛc. Ueber die Sitt-
lichkeit der Stadt machte er die Bemerkung, in jedem
Hauſe ſei ein Franzos, dieſer beurtheilte den Menſchen
nicht nach der Moralitaͤt, ſondern ſage nur: Il eſt amu-
ſant, c’eſt un homme d’eſprit.
Er wuͤnſchte mir
die groͤſte Freude des Menſchen, viel Gutes in der Welt
geſtiftet zu haben. ꝛc.

Bei Madame Therbuſch ſah ich einige ſchoͤne Ge-
maͤlde. Sie iſt ſchon in Jahren, aber eine vortrefliche
Kuͤnſtlerin.

Beim Hrn. Hofrath Gleditſch. Ein groſſer Bo-
taniker. Er korreſpondirt ſelber mit dem Koͤnige wegen
Verſuchen uͤber Verbeſſerung des Tobacks. Man ſolle
ihm die Schaͤrfe zu nehmen ſuchen, und unter den Land-
kraͤutern eins ausfuͤndig machen, das man mit dem To-
back verbinden koͤnne. Er ſei aber doch nach allen Ver-
ſuchen eine ganz eigne Mixtio, eine planta ſui gene-
ris
ꝛc. Dieſer Gelehrte hat ſo viele Feinde und verdient
Ehrenſaͤulen. Auswaͤrts wird er angebetet und hier we-
nig geſchaͤtzt. — Licet ſapere ſine invidia, ſagt Dr.
Kruͤnitz immer.

Beim Hrn. Prof. Bernoulli auf der Koͤnigl. Stern-
warte. Er hoͤrt ſchwer, hat daher immer ein Hoͤrrohr
bei ſich. Er, und Hr. Schulze ſind die Aſtronomen
der Koͤnigl. Akad. d. W. Hr. Bode iſt nur Offiziant
dabei.

Mittags war ich bei des Miniſter, Freiherr von Zed-
litz
Exc. zur Tafel. Seine Gemalin hatte meine Schrif-
ten geleſen, und verglich meine Phyſiognomie mit einem
gewiſſen Chevalier Goſſin. Ueber Tafel ward der

Freuden-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="188"/>
&#x201E;warte meine Vollendung ab,&#x201C; &#x017F;agte er zu mir. &#x201E;Un-<lb/>
&#x201E;&#x017F;er Leben wa&#x0364;hret 70. Jahr&#x201C; &#xA75B;c. &#xA75B;c. Ueber die Sitt-<lb/>
lichkeit der Stadt machte er die Bemerkung, in jedem<lb/>
Hau&#x017F;e &#x017F;ei ein Franzos, die&#x017F;er beurtheilte den Men&#x017F;chen<lb/>
nicht nach der Moralita&#x0364;t, &#x017F;ondern &#x017F;age nur: <hi rendition="#aq">Il e&#x017F;t amu-<lb/>
&#x017F;ant, c&#x2019;e&#x017F;t un homme d&#x2019;e&#x017F;prit.</hi> Er wu&#x0364;n&#x017F;chte mir<lb/>
die gro&#x0364;&#x017F;te Freude des Men&#x017F;chen, viel Gutes in der Welt<lb/>
ge&#x017F;tiftet zu haben. &#xA75B;c.</p><lb/>
            <p>Bei Madame <hi rendition="#fr">Therbu&#x017F;ch</hi> &#x017F;ah ich einige &#x017F;cho&#x0364;ne Ge-<lb/>
ma&#x0364;lde. Sie i&#x017F;t &#x017F;chon in Jahren, aber eine vortrefliche<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlerin.</p><lb/>
            <p>Beim Hrn. Hofrath <hi rendition="#fr">Gledit&#x017F;ch.</hi> Ein gro&#x017F;&#x017F;er Bo-<lb/>
taniker. Er korre&#x017F;pondirt &#x017F;elber mit dem Ko&#x0364;nige wegen<lb/>
Ver&#x017F;uchen u&#x0364;ber Verbe&#x017F;&#x017F;erung des <hi rendition="#fr">Tobacks.</hi> Man &#x017F;olle<lb/>
ihm die Scha&#x0364;rfe zu nehmen &#x017F;uchen, und unter den Land-<lb/>
kra&#x0364;utern eins ausfu&#x0364;ndig machen, das man mit dem To-<lb/>
back verbinden ko&#x0364;nne. Er &#x017F;ei aber doch nach allen Ver-<lb/>
&#x017F;uchen eine ganz eigne <hi rendition="#aq">Mixtio,</hi> eine <hi rendition="#aq">planta &#x017F;ui gene-<lb/>
ris</hi> &#xA75B;c. Die&#x017F;er Gelehrte hat &#x017F;o viele Feinde und verdient<lb/>
Ehren&#x017F;a&#x0364;ulen. Auswa&#x0364;rts wird er angebetet und hier we-<lb/>
nig ge&#x017F;cha&#x0364;tzt. &#x2014; <hi rendition="#aq">Licet &#x017F;apere &#x017F;ine invidia,</hi> &#x017F;agt Dr.<lb/><hi rendition="#fr">Kru&#x0364;nitz</hi> immer.</p><lb/>
            <p>Beim Hrn. Prof. <hi rendition="#fr">Bernoulli</hi> auf der Ko&#x0364;nigl. Stern-<lb/>
warte. Er ho&#x0364;rt &#x017F;chwer, hat daher immer ein Ho&#x0364;rrohr<lb/>
bei &#x017F;ich. Er, und Hr. <hi rendition="#fr">Schulze</hi> &#x017F;ind die A&#x017F;tronomen<lb/>
der Ko&#x0364;nigl. Akad. d. W. Hr. <hi rendition="#fr">Bode</hi> i&#x017F;t nur Offiziant<lb/>
dabei.</p><lb/>
            <p>Mittags war ich bei des Mini&#x017F;ter, Freiherr von <hi rendition="#fr">Zed-<lb/>
litz</hi> Exc. zur Tafel. Seine Gemalin hatte meine Schrif-<lb/>
ten gele&#x017F;en, und verglich meine Phy&#x017F;iognomie mit einem<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Chevalier <hi rendition="#i">Go&#x017F;&#x017F;in.</hi></hi> Ueber Tafel ward der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Freuden-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0226] „warte meine Vollendung ab,“ ſagte er zu mir. „Un- „ſer Leben waͤhret 70. Jahr“ ꝛc. ꝛc. Ueber die Sitt- lichkeit der Stadt machte er die Bemerkung, in jedem Hauſe ſei ein Franzos, dieſer beurtheilte den Menſchen nicht nach der Moralitaͤt, ſondern ſage nur: Il eſt amu- ſant, c’eſt un homme d’eſprit. Er wuͤnſchte mir die groͤſte Freude des Menſchen, viel Gutes in der Welt geſtiftet zu haben. ꝛc. Bei Madame Therbuſch ſah ich einige ſchoͤne Ge- maͤlde. Sie iſt ſchon in Jahren, aber eine vortrefliche Kuͤnſtlerin. Beim Hrn. Hofrath Gleditſch. Ein groſſer Bo- taniker. Er korreſpondirt ſelber mit dem Koͤnige wegen Verſuchen uͤber Verbeſſerung des Tobacks. Man ſolle ihm die Schaͤrfe zu nehmen ſuchen, und unter den Land- kraͤutern eins ausfuͤndig machen, das man mit dem To- back verbinden koͤnne. Er ſei aber doch nach allen Ver- ſuchen eine ganz eigne Mixtio, eine planta ſui gene- ris ꝛc. Dieſer Gelehrte hat ſo viele Feinde und verdient Ehrenſaͤulen. Auswaͤrts wird er angebetet und hier we- nig geſchaͤtzt. — Licet ſapere ſine invidia, ſagt Dr. Kruͤnitz immer. Beim Hrn. Prof. Bernoulli auf der Koͤnigl. Stern- warte. Er hoͤrt ſchwer, hat daher immer ein Hoͤrrohr bei ſich. Er, und Hr. Schulze ſind die Aſtronomen der Koͤnigl. Akad. d. W. Hr. Bode iſt nur Offiziant dabei. Mittags war ich bei des Miniſter, Freiherr von Zed- litz Exc. zur Tafel. Seine Gemalin hatte meine Schrif- ten geleſen, und verglich meine Phyſiognomie mit einem gewiſſen Chevalier Goſſin. Ueber Tafel ward der Freuden-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/226
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/226>, abgerufen am 26.11.2024.