die bessern Religionserkentnisse streiten. Umera episko- pes meinte er, sei das künftige Gericht. -- Er gibt blos den sensum litteralem an, aber nicht ein Wort von der Sache selbst, oder vom Gebrauch der Stelle. Sein Vortrag ist ganz und sehr rein lateinisch. Hierauf besuchte ich nach der Reihe
Hrn. D. Ernesti. Da fand ich aber mehr die Trümmer des Mannes, als ihn selbst. Fast unbeweg- lich saß er aufin Sessel, doch hatt' er noch den Gebrauch aller Sinne *). Er lebt jetzt blos von Arzeneien. Um so sonderbarer ist es, da er in seinem ganzen Leben mit Gemächlichkeit gearbeitet, und sich nie sehr angestrenget haben soll. Er soll ein Mann von heftigen Leiden- schaften gewesen seyn. Von seiner Undienstfertigkeit weis man hier viel zu erzählen.
Hr. Prof. Reiz, ein grosser Philolog und ungemein bescheidener, guter Mann.
Hr. Pastor Zollikofer. Schon bemerkte ich Furchen im Gesicht des vortreflichen Mannes. Er ist in seiner Unterredung sehr unterhaltend und lehrreich. Von ihm ging ich zu meinem Freunde
Hrn. Prof. Leske. Wir gingen seine Naturalien- Sammlung durch, und mir war darin besonders merk- würdig:
1) Ein unbekanntes Midasohr.
2) Eine Bulla mit einer Plica.
3) Ein
*) Dieser grosse Gelehrte ging auch ein Jahr nachher, im 74sten Jahre seines Alters mit Tode ab. Herausgeber.
die beſſern Religionserkentniſſe ſtreiten. ϒμερα επισκο- πης meinte er, ſei das kuͤnftige Gericht. — Er gibt blos den ſenſum litteralem an, aber nicht ein Wort von der Sache ſelbſt, oder vom Gebrauch der Stelle. Sein Vortrag iſt ganz und ſehr rein lateiniſch. Hierauf beſuchte ich nach der Reihe
Hrn. D. Erneſti. Da fand ich aber mehr die Truͤmmer des Mannes, als ihn ſelbſt. Faſt unbeweg- lich ſaß er aufin Seſſel, doch hatt’ er noch den Gebrauch aller Sinne *). Er lebt jetzt blos von Arzeneien. Um ſo ſonderbarer iſt es, da er in ſeinem ganzen Leben mit Gemaͤchlichkeit gearbeitet, und ſich nie ſehr angeſtrenget haben ſoll. Er ſoll ein Mann von heftigen Leiden- ſchaften geweſen ſeyn. Von ſeiner Undienſtfertigkeit weis man hier viel zu erzaͤhlen.
Hr. Prof. Reiz, ein groſſer Philolog und ungemein beſcheidener, guter Mann.
Hr. Paſtor Zollikofer. Schon bemerkte ich Furchen im Geſicht des vortreflichen Mannes. Er iſt in ſeiner Unterredung ſehr unterhaltend und lehrreich. Von ihm ging ich zu meinem Freunde
Hrn. Prof. Leske. Wir gingen ſeine Naturalien- Sammlung durch, und mir war darin beſonders merk- wuͤrdig:
1) Ein unbekanntes Midasohr.
2) Eine Bulla mit einer Plica.
3) Ein
*) Dieſer groſſe Gelehrte ging auch ein Jahr nachher, im 74ſten Jahre ſeines Alters mit Tode ab. Herausgeber.
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die beſſern Religionserkentniſſe ſtreiten. ϒμερα επισκο-
πης meinte er, ſei das kuͤnftige Gericht. — Er gibt
blos den ſenſum litteralem an, aber nicht ein Wort
von der Sache ſelbſt, oder vom Gebrauch der Stelle.
Sein Vortrag iſt ganz und ſehr rein lateiniſch. Hierauf
beſuchte ich nach der Reihe
Hrn. D. Erneſti. Da fand ich aber mehr die
Truͤmmer des Mannes, als ihn ſelbſt. Faſt unbeweg-
lich ſaß er aufin Seſſel, doch hatt’ er noch den Gebrauch
aller Sinne *). Er lebt jetzt blos von Arzeneien. Um
ſo ſonderbarer iſt es, da er in ſeinem ganzen Leben mit
Gemaͤchlichkeit gearbeitet, und ſich nie ſehr angeſtrenget
haben ſoll. Er ſoll ein Mann von heftigen Leiden-
ſchaften geweſen ſeyn. Von ſeiner Undienſtfertigkeit
weis man hier viel zu erzaͤhlen.
Hr. Prof. Reiz, ein groſſer Philolog und ungemein
beſcheidener, guter Mann.
Hr. Paſtor Zollikofer. Schon bemerkte ich Furchen
im Geſicht des vortreflichen Mannes. Er iſt in ſeiner
Unterredung ſehr unterhaltend und lehrreich. Von ihm
ging ich zu meinem Freunde
Hrn. Prof. Leske. Wir gingen ſeine Naturalien-
Sammlung durch, und mir war darin beſonders merk-
wuͤrdig:
1) Ein unbekanntes Midasohr.
2) Eine Bulla mit einer Plica.
3) Ein
*) Dieſer groſſe Gelehrte ging auch ein Jahr nachher,
im 74ſten Jahre ſeines Alters mit Tode ab.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/168>, abgerufen am 21.11.2024.
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