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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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lag ganz deutlich in dem Wörtchen par lui. -- Da
traf seine polemische Geissel die, welche die Welt mit einer
Uhr vergleichen, aber nicht stark genug; er sagte kurz weg,
daß Gleichnis passe nicht, die Welt sei keine Uhr, und damit
Gott befohlen; -- sodann widerlegte er die, welche
glauben, Gott bekümmre sich ums Ganze, aber nicht
ums Einzelne; er wäre nicht wie Menschen, die ihre
Grösse im Verachten andrer suchten etc. Und hier brach-
te er die Beweise aus der Bibel herbei. (In Paris
mögen solche polemische Predigten nicht überflüßig seyn,
wenn die Beantwortungen der Zweifel und Einwendun-
gen nur allemahl gründlich und überzeugend wären.) c)
Regierung, nach Anleitung des Ausdrucks pour lui. --
Es sei nicht Ehrgeiz, sondern Leitung zum Zweck. --
Gott wache über das Schicksal eines jeden Menschen. Im
andern Theil leitete er daraus die Verpflichtung zum Ge-
horsam her, auch beim Leiden, aber sehr kurz. Die Pre-
digt dauerte 3/4 Stunden. Beim zweiten Theile ruhte er
eine Zeitlang aus, ut lateribus consuleret wie Pli-
nius sagt. Der Accent war gut, die Sprache lang-
sam, oft zu stark gedehnt, die Gestus sehr mittelmässig,
oft widrig, das Schnupftuch lag auf der Bibel an der
Seite, und ward oft gebraucht: in meinen Augen ein
wahrer Uebelstand an einem öffentlichen Redner. Muß
doch in jeder gesitteten Gesellschaft jeder sein Schnupftuch
in der Tasche haben, und darfs dem andern nicht vors
Gesicht legen. Zum Gebet stand alles auf, man betete
erst für den Schwedischen, dann für den Französischen
König, und beide Königl. Häuser, und Beider Königl.
Bedienten. Aber da fehlte die edle Simplicität, die
wahre Schönheit, zuviel Titel, zuviel Worte. Sodann
noch für den Schwedischen Gesandten, und zulezt mit ei-

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lag ganz deutlich in dem Woͤrtchen par lui. — Da
traf ſeine polemiſche Geiſſel die, welche die Welt mit einer
Uhr vergleichen, aber nicht ſtark genug; er ſagte kurz weg,
daß Gleichnis paſſe nicht, die Welt ſei keine Uhr, und damit
Gott befohlen; — ſodann widerlegte er die, welche
glauben, Gott bekuͤmmre ſich ums Ganze, aber nicht
ums Einzelne; er waͤre nicht wie Menſchen, die ihre
Groͤſſe im Verachten andrer ſuchten ꝛc. Und hier brach-
te er die Beweiſe aus der Bibel herbei. (In Paris
moͤgen ſolche polemiſche Predigten nicht uͤberfluͤßig ſeyn,
wenn die Beantwortungen der Zweifel und Einwendun-
gen nur allemahl gruͤndlich und uͤberzeugend waͤren.) c)
Regierung, nach Anleitung des Ausdrucks pour lui.
Es ſei nicht Ehrgeiz, ſondern Leitung zum Zweck. —
Gott wache uͤber das Schickſal eines jeden Menſchen. Im
andern Theil leitete er daraus die Verpflichtung zum Ge-
horſam her, auch beim Leiden, aber ſehr kurz. Die Pre-
digt dauerte ¾ Stunden. Beim zweiten Theile ruhte er
eine Zeitlang aus, ut lateribus conſuleret wie Pli-
nius ſagt. Der Accent war gut, die Sprache lang-
ſam, oft zu ſtark gedehnt, die Geſtus ſehr mittelmaͤſſig,
oft widrig, das Schnupftuch lag auf der Bibel an der
Seite, und ward oft gebraucht: in meinen Augen ein
wahrer Uebelſtand an einem oͤffentlichen Redner. Muß
doch in jeder geſitteten Geſellſchaft jeder ſein Schnupftuch
in der Taſche haben, und darfs dem andern nicht vors
Geſicht legen. Zum Gebet ſtand alles auf, man betete
erſt fuͤr den Schwediſchen, dann fuͤr den Franzoͤſiſchen
Koͤnig, und beide Koͤnigl. Haͤuſer, und Beider Koͤnigl.
Bedienten. Aber da fehlte die edle Simplicitaͤt, die
wahre Schoͤnheit, zuviel Titel, zuviel Worte. Sodann
noch fuͤr den Schwediſchen Geſandten, und zulezt mit ei-

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[67/0091] lag ganz deutlich in dem Woͤrtchen par lui. — Da traf ſeine polemiſche Geiſſel die, welche die Welt mit einer Uhr vergleichen, aber nicht ſtark genug; er ſagte kurz weg, daß Gleichnis paſſe nicht, die Welt ſei keine Uhr, und damit Gott befohlen; — ſodann widerlegte er die, welche glauben, Gott bekuͤmmre ſich ums Ganze, aber nicht ums Einzelne; er waͤre nicht wie Menſchen, die ihre Groͤſſe im Verachten andrer ſuchten ꝛc. Und hier brach- te er die Beweiſe aus der Bibel herbei. (In Paris moͤgen ſolche polemiſche Predigten nicht uͤberfluͤßig ſeyn, wenn die Beantwortungen der Zweifel und Einwendun- gen nur allemahl gruͤndlich und uͤberzeugend waͤren.) c) Regierung, nach Anleitung des Ausdrucks pour lui. — Es ſei nicht Ehrgeiz, ſondern Leitung zum Zweck. — Gott wache uͤber das Schickſal eines jeden Menſchen. Im andern Theil leitete er daraus die Verpflichtung zum Ge- horſam her, auch beim Leiden, aber ſehr kurz. Die Pre- digt dauerte ¾ Stunden. Beim zweiten Theile ruhte er eine Zeitlang aus, ut lateribus conſuleret wie Pli- nius ſagt. Der Accent war gut, die Sprache lang- ſam, oft zu ſtark gedehnt, die Geſtus ſehr mittelmaͤſſig, oft widrig, das Schnupftuch lag auf der Bibel an der Seite, und ward oft gebraucht: in meinen Augen ein wahrer Uebelſtand an einem oͤffentlichen Redner. Muß doch in jeder geſitteten Geſellſchaft jeder ſein Schnupftuch in der Taſche haben, und darfs dem andern nicht vors Geſicht legen. Zum Gebet ſtand alles auf, man betete erſt fuͤr den Schwediſchen, dann fuͤr den Franzoͤſiſchen Koͤnig, und beide Koͤnigl. Haͤuſer, und Beider Koͤnigl. Bedienten. Aber da fehlte die edle Simplicitaͤt, die wahre Schoͤnheit, zuviel Titel, zuviel Worte. Sodann noch fuͤr den Schwediſchen Geſandten, und zulezt mit ei- nem E 2

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/91>, abgerufen am 25.11.2024.